Mindelheimer Zeitung

Elefanten im Einsatz

Wer in diesen Tagen in den Winterurla­ub jettet, wird seltsamen Fahrzeugen begegnen: Die einen haben lange Rüssel, die anderen können nur volle Kraft zurück. Unser Autor hat entdeckt, welche Gefährte auf dem Flughafen München Dienst tun – und warum überhau

- VON MICHAEL GEBHARDT

Eigenheimb­ewohner kennen den bangen Moment im Winter: Der morgendlic­he Blick aus dem Fenster entscheide­t, ob man sich noch ein paar Minuten hinlegen kann oder ob man zur Schneescha­ufel greifen muss, um den Passanten einen Weg freizuräum­en.

Ähnlich geht es den Winterdien­st-Verantwort­lichen am Flughafen München. Nur dass die nicht lediglich ein paar Meter Trottoire von Schnee und Eis befreien müssen, sondern zwei jeweils rund vier Kilometer lange Landebahne­n, zahlreiche Rollwege, das Vorfeld, die Wirtschaft­sstraßen und natürlich auch die Zufahrten zum Flughafen. Rund 200 Leute braucht es dafür, wenn Frau Holle die Kissen mal wieder richtig kräftig aufschütte­lt. Und zahlreiche Fahrzeuge.

Das Gros, die meisten Lkw und Traktoren, kommt von Landwirten und Fuhrbetrie­ben aus der Region, die dem Flughafen ihre Maschinen samt Fahrer zur Verfügung stellen. Die Aufbauten – Räumschauf­eln, Kehrgebläs­e oder überdimens­ionale Fräsen – gehören dem Flughafen. Genauso wie die beiden Enteiser, auf die der Winterdien­st besonders stolz ist: Ein Enteiser kann sein Anti-Frost-Mittel auf 45 Meter Breite verteilen und so mit einer einzigen Fahrt die Landebahn so weit trockenleg­en, dass Flugzeuge sicher starten und landen können (siehe Infokasten).

Ebenfalls reine Wintertier­e sind die „Elephanten“vom schwedisch­en Hersteller Vestergaar­d: 26 dieser Spezial-Lkw mit Kranaufsat­z und aufwendige­r Spritzente­chnik stehen bereit, um Flugzeuge vor dem Start von Frost, Schnee und Eis zu befreien. An Enteisungs­plätzen am Anfang der Startbahne­n werden die Flieger von mindestens zwei „Eisbären“– wie sie die Münchner liebevoll nennen – in Empfang genommen, die mit einem roten Glykol-Wasser-Gemisch, Typ I genannt, die Spuren des Winters von Tragfläche­n und Rumpf entfernen. Damit der Flieger bei extremer Kälte nicht gleich wieder einfriert, wird bei Bedarf noch das gelartige TypIV-Gemisch aufgetrage­n, das neuen Frost verhindert; einmal abgehoben, übernimmt dann die heiße Triebwerks­luft diesen Job.

Um einen Flieger abfertigen zu können, braucht es noch viel mehr Fahrzeuge: Catering-Firmen und der Mobility-Service für Menschen im Rollstuhl oder im Ernstfall sogar Liegendtra­nsporte fahren mit Lkw an den Flieger ran. Sie können ihren Aufbau auf Flugzeugtü­r-Höhe anheben, um ebenerdig in die Kabine zu gelangen.

Die Stromverso­rgung und das Heizen beziehungs­weise Kühlen des Fliegers wird mit langen Kabeln und dicken Schläuchen erledigt, die – wenn sie nicht direkt aus dem Ter- minalgebäu­de kommen – an speziellen Fahrzeugen angeschlos­sen sind.

Und auch die Tankwagen sind einzigarti­g: Zwar hat der Flughafen klassische Tanker mit eigenem Kerosinvor­rat. Die meisten aber dienen nur als Vermittler zwischen den im Boden eingelasse­nen Treibstoff­steckdosen und dem Einfüllstu­tzen in der Tragfläche. Ist die Verbindung einmal hergestell­t, schießt der Kraftstoff mit Überdruck in den Flugzeugta­nk – und das Fuel-Service-Fahrzeug misst, wie viele Tonnen am Ende abzurechne­n sind.

Je nach Airline und Vertrag mit den Lieferante­n kommt es vor, dass der Kapitän direkt zur Kasse gebeten wird. Was das Kerosin kostet, ist allerdings eines der am besten gehüteten Geheimniss­e am Airport; die Preisliste für das Enteisen kann dagegen von jedermann eingesehen werden. Bis zu 9000 Euro kann, je nach Wetterlage und Flugzeuggr­öße, die Schneebefr­eiung kosten.

Dagegen ist das Schleppen schon fast ein Schnäppche­n: Rund 300 Euro kostet es, wenn der Goldhofer AST-1 X das Flugzeug von seiner Parkpositi­on am Gate zurück aufs Vorfeld schiebt. Das Top-Modell der 27 Schleppfah­rzeuge am Flughafen München hat zwar „nur“einen 482 PS starken Dieselmoto­r, kann aber bis zu 600000 Tonnen schwere Flieger anheben und rangieren – also selbst den doppelstöc­kigen Airbus A380.

Neben dem Ausparken übernehmen die maximal 32 km/h schnellen Schlepper auch die Überführun­g der Flieger von einem zum anderen Stellplatz oder zur Reparatur in den Hangar. Insgesamt kommen so rund 200000 Rangiervor­gänge pro Jahr zustande.

Wie viele Kilometer die Multicars von Rofan zurücklege­n, ist nicht bekannt. Viel spannender ist aber, wie die kleinen Transportw­ägelchen, die die Anhänger mit dem Gepäck oder die nicht selber fahrenden Treppen (noch ein Spezialfah­rzeug!) ziehen, unterwegs sind: Seit 25 Jahren setzt der Flughafen München dabei auf Hybridtech­nik. Im Terminalge­bäude, wo die Kofferanhä­nger abgeholt werden, rollen die „Rofans“sauber mit Strom, erst wenn sie ins Freie kommen, springt der Diesel an. Nachts, wenn der Flughafen schläft, werden die Akkus wieder aufgeladen.

Generell wäre der Flughafen übrigens prädestini­ert für Elektrofah­rzeuge, schließlic­h sind die Wege kurz und eine Ladeinfras­truktur wäre recht einfach aufzubauen. Allein das Angebot an entspreche­nden Fahrzeugen ist noch überschaub­ar. Aktuell aber erproben die Münchner Schlepper mit E-Antrieb und ab dem Frühjahr soll das erste elektrisch­e Modell mit Range-Extender an den Start gehen. Vielleicht wird Ihr Flieger beim nächsten Sommerurla­ub dann ja schon elektrisch ausgeparkt.

 ?? Foto: Flughafen München ?? Hoch die Rüssel: Spezial Lkw mit Spritzenau­fsätzen befreien Flugzeuge von Schnee und Eis. Sie versprühen ein Glykol Wasser Gemisch.
Foto: Flughafen München Hoch die Rüssel: Spezial Lkw mit Spritzenau­fsätzen befreien Flugzeuge von Schnee und Eis. Sie versprühen ein Glykol Wasser Gemisch.
 ?? Fotos: Michael Gebhardt (5) ?? Gestatten: der Flugzeug Schlepper „Goldhofer AST 1 X“.
Fotos: Michael Gebhardt (5) Gestatten: der Flugzeug Schlepper „Goldhofer AST 1 X“.
 ??  ?? Dieser Hub Wagen hilft Rolli Fahrern.
Dieser Hub Wagen hilft Rolli Fahrern.
 ??  ?? „Multicars“transporti­eren fast alles.
„Multicars“transporti­eren fast alles.
 ??  ?? Eine Rolltreppe der etwas anderen Art.
Eine Rolltreppe der etwas anderen Art.
 ??  ?? Ozapft is: ein „Tanklaster“ohne Tank.
Ozapft is: ein „Tanklaster“ohne Tank.

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