„Die Firmen denken zu wenig radikal“
Wie verändern sich Geschäftsmodelle und Anforderungen an Mitarbeiter? Oliver Stiefenhofer sieht die Chancen des Wandels – und fordert mehr Mut
Allgäu Die Digitalisierung wird unser Leben verändern wie nur wenige Entwicklungen zuvor. Welche Folge hat das für die Unternehmen und welche Chancen bietet dieser Megatrend? Wie verändern sich Geschäftsmodelle und Anforderungen an Mitarbeiter? Darüber sprachen wir mit Oliver Stiefenhofer, Digitalisierungsexperte der Scaltel AG in Waltenhofen.
Wie gut sind Unternehmen im Allgäu auf den digitalen Wandel vorbereitet? Oliver Stiefenhofer: Die aktuellen Erfahrungen unserer Gespräche mit den Allgäuer Unternehmen zeigen ein breites Spektrum. Die meisten der Unternehmen erkundigen sich nach „Best-Practice“-Beispielen für Digitalisierungsprojekte, die Strategie kommt oft zu kurz. Die richtige Priorisierung fehlt, auch das klare Ziel und die Abwägungen von Chancen und Risiken – hier macht sich das Fehlen einer Strategie bemerkbar. Die Denkweise ist oftmals zu wenig radikal.
Ist die Infrastruktur im Allgäu gut genug ausgebaut, damit wir den Anschluss halten können? Stiefenhofer: Hier haben wir sicherlich großen Nachholbedarf. Im Vergleich zu den anderen starken Wirtschaftsnationen ist Deutschland weit abgeschlagen, es wird allgemein zu wenig in den Glasfaserausbau investiert. Ohne Infrastruktur, ich rede von Gigabit und nicht von Megabit pro Sekunde, bleiben viele geplante Innovationen Illusion.
Wer muss im Unternehmen zuständig sein für das Thema Digitalisierung? Stiefenhofer: Ohne Frage ist das obere Management in der Verantwortung. Wer innerhalb des Unternehmens die Digitalisierung unter Leitung des Managements treibt, ist unterschiedlich. Die IT muss jedoch agil und flexibel genug sein, den neuen Wettbewerbsvorteil und notwendige Veränderungen zu unterstützen, wenn nicht gar zu treiben.
Welche Rolle müssen IT-Abteilungen in Unternehmen heute spielen? Stiefenhofer: Sie müssen sich auf die Digitalisierung ausrichten, ihre Kernkompetenzen neu gestalten und die Betreuung von Systemen nach außen verlagern. Die Wertschöpfung der Unternehmensprozesse muss bestmöglich gefördert werden. Eine IT der heutigen Zeit kennt Prozesse und Wertschöpfung, fördert Wachstum und neue Geschäftsmodelle.
Was sind die ersten Schritte für Unternehmen, die sich auf den Weg der digitalen Transformation machen? Stiefenhofer: An erster Stelle muss immer die Digitalisierungsstrategie stehen. Dabei müssen klare Ziele vorgegeben werden, welche die Richtung des Unternehmens weisen. Ohne ein klares Bild der Chancen und Risiken der digitalen Transformation sind Projekte oftmals ohne Nutzen und wirklichen Mehrwert. Digitalisierung heißt aus meiner Sicht machen, Neues probieren und mutig sein. Dafür muss auch das Management Geld und Ressourcen bereitstellen. Und es ist ganz wichtig, Innovation nachhaltig zu fördern.
Welche Rolle spielen denn noch die Menschen in der technisch vernetzten, stark virtuellen Welt der sogenannten Wirtschaft 4.0?
Stiefenhofer: Der Kulturwandel in Folge der digitalen Transformation ist die größte Herausforderung der heutigen Zeit und geht über kurz oder lang an keinem Unternehmen spurlos vorüber. Es ist allerdings nicht nur eine Aufgabe der Unternehmen, sondern eine ganz zentrale Aufgabe der Politik, diesen Strukturwandel zu begleiten und dabei die Rahmenbedingungen für das Leben, Lernen, Arbeiten und Wirtschaften in der digitalen Welt zu garantieren.