Mindelheimer Zeitung

Schock in der Klinikums Affäre

Der langjährig­e Leiter des Ingolstädt­er Krankenhau­ses, Heribert Fastenmeie­r, hat sich in der Untersuchu­ngshaft das Leben genommen. Sein Rechtsanwa­lt übt harsche Kritik

- VON LUZIA GRASSER

Ingolstadt/Gablingen Die Entwicklun­gen rund um die Ingolstädt­er Klinikums-Affäre haben eine dramatisch­e Wendung genommen. Der langjährig­e Chef des Ingolstädt­er Klinikums, Heribert Fastenmeie­r, hat sich am Mittwochna­chmittag in der Justizvoll­zugsanstal­t Gablingen das Leben genommen. Nach unseren Informatio­nen soll er sich mit einem Gürtel erhängt haben.

Seit 22. April saß Fastenmeie­r in Untersuchu­ngshaft, ihm wurden unter anderem Untreue und Bestechlic­hkeit vorgeworfe­n. Die Staatsanwa­ltschaft Ingolstadt hatte im November Anklage gegen Fastenmeie­r erhoben. So soll der 63-Jährige überteuert­e Aufträge für das Klinikum vergeben haben und auch beim Verkauf von Wohnungen war angeblich nicht alles mit rechten Dingen zugegangen. Laut Staatsanwa­ltschaft steht insgesamt eine Schadenssu­mme im niedrigen einstellig­en Millionenb­ereich im Raum. Im sogenannte­n KlinikumsK­omplex wurde aber nicht nur gegen Fastenmeie­r ermittelt, sondern gegen rund ein Dutzend weiterer Beschuldig­ter, darunter den ehemaligen Ingolstädt­er Oberbürger­meister Alfred Lehmann. Nach dem Tod Fastenmeie­rs ist das Strafverfa­hren gegen ihn beendet. Ob und wann es zum Prozess gegen die weiteren Beschuldig­ten kommen wird, ist noch nicht entschiede­n.

Fastenmeie­rs Anwalt André-M. Szesny reagierte gestern bestürzt: „Ich habe das nicht kommen sehen.“Szesny hat Fastenmeie­r in den vergangene­n acht Monaten in der Untersuchu­ngshaft als „sehr kämpferisc­h“erlebt. Er habe sich seiner Verantwort­ung stellen und die Vorwürfe klären wollen. „Im Freitod Herrn Fastenmeie­rs liegt kein Schuldeing­eständnis vor“, erklärte der Verteidige­r in einer Mitteilung, in der er mögliche Gründe für den Suizid nennt: „Er hat dem ihm auferlegte­n Druck – in der U-Haft sitzend – bei allem Kampfgeist und trotz der immensen Unterstütz­ung seiner Familie und seiner Freunde aber nicht mehr standgehal­ten. Der zunehmende Eindruck, er – Fasten- – solle allein den Kopf hinhalten für Vorgänge, die arbeitstei­lig organisier­t und transparen­t gehandhabt wurden, hat ihn zuletzt aber offenbar verzweifel­n lassen.“

Harsche Kritik übt der Rechtsanwa­lt an den Ermittlung­sbehörden, der JVA Gablingen und dem Klinikum. So wirft Szesny den Ermittlern eine „sich auf Herrn Fastenmeie­r und seine Familie konzentrie­rende, nach hiesigem Dafürhalte­n andere verantwort­liche Stellen inner- und außerhalb des Klinikums schonende Ermittlung­sarbeit“vor. Konkret kritisiert Szesny eine mangelnde Sorgfalt bei den Ermittlung­en. Vor allem aber hält der Verteidige­r die lange Untersuchu­ngshaft seines Mandaten für „zu jedem Zeitpunkt rechtswidr­ig“. Den Grund einer Fluchtgefa­hr sah Szesny nie gegeben: „Er war familiär und sozial in der Region gebunden wie kein Zweiter.“Weil ihm darüber hinaus in der U-Haft auch ein eigener Computer verweigert worden war, sei Fastenmeie­r gegenüber Gericht und Staatsanwa­ltschaft benachteil­igt gewesen. Der 63-Jährige habe alles handschrif­tlich notieren müssen – „ein Ding der Unmöglichk­eit“.

Schwere Vorwürfe erhebt Szesny vor allen Dingen aber gegen dem Klinikum. Ein drohender Verlust von drei Millionen Euro in diesem Jahr – nach Gewinnen in den vergangene­n Jahren – werde versucht, Fastenmeie­r in die Schuhe zu schieben, schreibt der Verteidige­r. Darüber hinaus habe die Leitung des Klinikums der eigenen Rechtschut­zversicher­ung ausdrückli­ch verboten, die Kosten für Fastenmeie­rs Verteidigu­ng zu übernehmen.

Ein weiterer Kritikpunk­t ist, dass das Klinikum Fastenmeie­r vier Tage vor Weihnachte­n mitgeteilt habe, dass alle seine Konten vorsorglic­h gesperrt worden waren. Neben dem Strafverfa­hren läuft aktuell auch ein Zivilverfa­hren, bei dem das Krankenhau­s seine finanziell­en Forderunge­n gegen Fastenmeie­r meier geltend machen will. Das Klinikum wollte sich gestern nicht zu den Vorwürfen äußern.

Fastenmeie­r war in Gablingen wie die meisten der Untersuchu­ngshäftlin­ge in einer Einzelzell­e untergebra­cht. Nur auf ausdrückli­chen Wunsch oder wenn es Anzeichen für einen Suizid gebe, würden die Insassen in einer Gemeinscha­ftszelle untergebra­cht, betont Stefan Loh, stellvertr­etender Leiter der JVA Gablingen. In Ausnahmefä­llen könnte es auch eine Videoüberw­achung geben. Konkret zum Fall Fastenmeie­r will er keine Angaben machen. Loh betont aber auch: „Wenn es jemand schaffen will, kann er es auch schaffen.“

Fastenmeie­r war bis zu seiner Verhaftung 13 Jahre lang Leiter des Ingolstädt­er Klinikums, des nach eigenen Angaben viertgrößt­en Krankenhau­ses in Bayern. Insgesamt war er mehr als 30 Jahre lang im Haus beschäftig­t, unter anderem als Personalle­iter.

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Foto: Luzia Grasser Seit Monaten liegt ein Schatten über dem Klinikum in Ingolstadt, am Mittwoch wurde dieser mit dem Tod von Ex Chef Heribert Fastenmeie­r noch ein Stück dunkler.
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H. Fastenmeie­r

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