Mindelheimer Zeitung

Die Schach-WM gerät zum Desaster

- VON FLORIAN EISELE eisl@augsburger allgemeine.de

In den kommenden Tagen wird die ukrainisch­e Schachwelt­meisterin Anna Muzychuk ihre beiden Titel verlieren, die sie vor einem Jahr gewonnen hat. Das liegt nicht daran, dass die 27-Jährige krank oder außer Form wäre. Sie wäre wieder eine Kandidatin für die Titel – doch sie wird nicht an dem Turnier teilnehmen, das gerade in Saudi-Arabien ausgetrage­n wird. Sie protestier­t.

Diesen Protest begründete sie mit den Zuständen, die in dem wahhabitis­chen Königreich herrschen: Ohne männlichen Vormund dürfen Frauen so gut wie nichts selbst entscheide­n. In dem Land ist es Frauen nicht erlaubt, ohne Verschleie­rung in der Öffentlich­keit aufzutrete­n – eine Ausnahme gibt es nur bei den Partien der SchachWM. Zu viel für Muzychuk. Sie schrieb: „Ich will nicht nach den Regeln von jemand anderem spielen, keine Abaya (Anm.: islamische­s

Überkleid) tragen oder nicht alleine nach draußen gehen dürfen oder mich generell wie eine Kreatur zweiter Klasse fühlen.“Der Verzicht treffe sie finanziell hart: In den fünf Tagen, in denen der Wettbewerb stattfinde­t, hätte sie mehr Geld verdient als in allen Turnieren des gesamten Jahres zusammen.

Damit macht Muzychuk eine bessere Figur als der internatio­nale Schachverb­and. Der schickt sich gerade an, bei den Beliebthei­tswerten ähnlich desaströse Zustände zu erreichen wie das Internatio­nale Olympische Komitee oder der Fußball-Weltverban­d Fifa. Denn das Gastgeberl­and Saudi-Arabien schloss die Mannschaft aus Israel aus, benannte das Blitzschac­hturnier in König-Salman-Cup um – und der Weltverban­d schweigt. Der ehemalige Präsident der europäisch­en Schach-Union nannte das Turnier daraufhin „eine moralische Schande“.

Wenn Politik dem Sport die Regeln diktiert, wird es oft beschämend für alle Beteiligte­n. Neben den Verbänden machen dabei meistens die Sportler auch keine gute Figur und schweigen, anstatt Stellung zu beziehen. Wie es anders geht, hat Anna Muzychuk gezeigt. Ob es ihr jemand danken wird, ist jedoch eine andere Frage.

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Foto: Imago Anna Muzychuk verzichtet­e auf die Teil nahme an der Schach WM.
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