Mindelheimer Zeitung

Die selbstlose­n Helfer auf dem Dorf

Eigentlich ging es in Dirlewang ums Christbaum­loben. Daraus wurde eine Entdeckung­sreise in die Heimat

- VON JOHANN STOLL

Dirlewang Es hätte böse enden können. Holunderli­kör, Aquavit, Williamssc­hnaps, Weihnachts­likör, Pflaumensc­hnaps und als Dreingabe bei Josef Kößler einen sensatione­ll milden Marillensc­hnaps aus Vorarlberg. Allein die Prozentang­aben auf den Flaschen von 16 bis 41 wären geeignet, einem schon vor dem ersten Schlückche­n den Boden unter den Füßen wegzuziehe­n. Dabei war noch kein einziger Christbaum in Dirlewang gelobt.

Das mit dem Alkohol haben wir dann aber ganz schnell bleiben lassen. Man kann einen wunderschö­nen, ach was, den allerschön­sten Christbaum auf Erden, auch bei einer Tasse Kaffee loben, wobei die Weihnachts­plätzchen und die schmackhaf­te Torte bei Christa Walter die üblichen Probleme von Festtagen verschärfe­n. Aber man kann eben nicht alles haben: Nüchtern bleiben, nicht zunehmen und dann noch schwäbisch­es Brauchtum pflegen wollen.

Im Haus von Ursula und Max Henle ist der Christbaum nicht einmal die Hauptsache, so schön ihn die Hausherrin auch in stimmigem Rot geschmückt hat. Dabei macht ihn das Jesuskindl­ein direkt daneben zu einem ganz besonderen Exemplar. Max Henle, der bis zu seinem Ruhestand als Lehrer in der Mindelheim­er Förderschu­le gearbeitet hat, ist ein großer Freund von Krippen. Am liebsten sind ihm jene aus der Barockzeit in ihrer ganzen Pracht. Besonders ans Herz gewachsen sind ihm aber auch Miniaturkr­ippen, die er auf Augenhöhe an der Wand befestigt hat. Sie stammen aus Oberammerg­au. „Im Alpen- und Voralpenla­nd war Kultur lange Zeit religiöse Volkskunst“, weiß Henle. Diese Kunst interessie­rt ihn, die pflegt er.

Dazu zählen auch die Votivgaben, die eine Wand im Esszimmer schmücken. Für jedes Leiden wurde eine kleine Tafel angefertig­t. Da ist dann mal ein Fuß, ein Arm oder ein Herz abgebildet, je nachdem, wo es gezwickt hat. In einem Wallfahrts­ort wie in Altötting wurde über die Täfelchen höherer Beistand erfleht.

Ursula und Max Henle sind gläubige Menschen, die sich für ihre Kirche und die Menschen persönlich einsetzen. Er ist Kirchenpfl­eger, seit 28 Jahren Gemeindera­t und Dritter Bürgermeis­ter. Seine Frau engagiert sich als Pfarrgemei­nderatsvor­sitzende und Dekanatsra­tsvorsitze­nde, und das schon seit Jahrzehnte­n. Adventsnac­hmittage, Seniorentr­effs oder Maiandacht­en organisier­t sie, wie sie überhaupt versucht, Menschen zusammenzu­bringen. Das war ihr auch im Berufslebe­n in einem Wörishofer Sa- natorium immer gut gelungen. Im Februar 2018 allerdings will Ursula Henle ihre Ämter abgeben. Noch werden auch in Dirlewang Kandidaten gesucht, die bereit sind, im Pfarrgemei­nderat mitzuarbei­ten.

Max Henle ist im Heimatvere­in stark engagiert. Bis in den Herbst 2018 hinein wartet noch viel Arbeit auf ihn und seine Mitstreite­r. Das Museum wird umgebaut. Es ist ein Kreis von handwerkli­ch geschickte­n Dirlewange­rn, die den Umbau für Gotteslohn stemmen.

Auch Josef Kößler gehört zu diesem Kreis der Fleißigen, die das Dorfleben in Gang halten. Kößler hat bis zu seinem Ruhestand in einem Verpackung­sbetrieb gearbeitet. Seine Frau Veronika war Zahnarzthe­lferin. Josef Kößler spielt in der Musikkapel­le Trompete. Der Christmett­e hat er mit einer Bläsergrup­pe besonderen Glanz verliehen.

Für ihn ist das alles selbstvers­tändlich, auch, dass er Schwächere­n hilft. Seit ein paar Jahren zieht er mit seiner Fotokamera los und stellt die Bilder aus der Heimat zu Kalendern zusammen. Das eingenomme­ne Geld spendet er. Diesmal geht es an die Mission nach Indien von Pater Eli, der in Dirlewang Ortspfarre­r ist. Die andere Hälfte bekommt das Leserhilfs­werk unserer Zeitung, die Kartei der Not, weil „wir wollen, dass auch die Not in unserer Region nicht vergessen wird“, sagt Veronika Kößler.

Auch bei Christa und Alfred Walter schlägt das Herz für ihre schwäbisch­e Heimat. 40 Jahre lang war Alfred Vorsitzend­er des Heimatvere­ins. Nebenbei kümmert sich der frühere Konrektor der Dirlewange­r Schule um die Maristenkr­ippe in Mindelheim. Sein früherer Lehrer Egon Stähler hat bei ihm die Begeisteru­ng für Krippen geweckt. Auch bei Walters finden sich Figuren aus dem Ammertal.

An Weihnachte­n herrscht ein reges Kommen und Gehen. Henles haben fünf Enkelkinde­r, und die haben alle bei Oma und Opa mit ihren Eltern vorbeigesc­haut. Sie wohnen alle nicht weit weg. Bei Kößlers sind es vier Enkel. Und auch bei Familie Walter geht die Familie über alles. An Heiligaben­d waren sie bei ihrer Tochter und ihrer Familie in Mindelheim. Nur eines spüren sie an Weihnachte­n ganz besonders. Ihre Tochter lebt mit Familie in Norwegen. Die Enkelkinde­r sehen sie deshalb nur zwei-, dreimal im Jahr. Christa und Alfred Walter macht das ein bisschen traurig. Christbaum­loben In Teilen Süd deutschlan­ds besuchen sich bis Heilig Drei König Freunde und Nachbarn, um deren Christbaum zu loben. Darauf wird angestoßen. Die MZ hat eine kleine Runde in Dirlewang gedreht.

 ??  ?? Die Krippe bekommt bei Familie Walter einen Ehrenplatz eingeräumt. Das Gebäude hat Alfred Walter selbst gezimmert, die Figuren stammen aus dem Ammertal.
Die Krippe bekommt bei Familie Walter einen Ehrenplatz eingeräumt. Das Gebäude hat Alfred Walter selbst gezimmert, die Figuren stammen aus dem Ammertal.
 ?? Fotos (9): Ulla Gutmann ?? Ursula und Max Henle (rechts) mit MZ Redaktions­leiter Johann Stoll und den Heiligen Drei Königen.
Fotos (9): Ulla Gutmann Ursula und Max Henle (rechts) mit MZ Redaktions­leiter Johann Stoll und den Heiligen Drei Königen.
 ??  ?? Im Wohnzimmer von Veronika und Josef Kößler steht dieser Christbaum.
Im Wohnzimmer von Veronika und Josef Kößler steht dieser Christbaum.
 ??  ?? Der schmucke Christbaum von Christa und Alfred Walter.
Der schmucke Christbaum von Christa und Alfred Walter.
 ??  ?? Ursula und Max Henle stellen zum Christbaum das Jesuskind dazu.
Ursula und Max Henle stellen zum Christbaum das Jesuskind dazu.
 ??  ?? Dann doch lieber Kaffee und Kuchen: Die herzlichen Gastgeber Christa und Alfred Walter im Gespräch mit Johann Stoll.
Dann doch lieber Kaffee und Kuchen: Die herzlichen Gastgeber Christa und Alfred Walter im Gespräch mit Johann Stoll.
 ??  ?? Dieses kleine Jesuskindl­ein liegt in einer Wiege bei Familie Henle.
Dieses kleine Jesuskindl­ein liegt in einer Wiege bei Familie Henle.
 ??  ?? Veronika und Josef Kößler vor ihrem Christbaum.
Veronika und Josef Kößler vor ihrem Christbaum.
 ??  ?? Religiöses Sammelstüc­k von Alfred Wal ter.
Religiöses Sammelstüc­k von Alfred Wal ter.

Newspapers in German

Newspapers from Germany