Der CSU Mann für die nachdenklichen Zwischentöne
Parteivize Manfred Weber beklagt die Kurzatmigkeit der Politik und wirbt für ein starkes Europa
Mindelheim Es wurde still im voll besetzten Mindelheimer Forum, als Manfred Weber gestern auf dem Neujahrsempfang der CSU diese Geschichte erzählte. Vor zwei Jahren hatte der Terror Paris getroffen. Ein bereits angeschossener französischer Polizist, der die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo bewacht hatte, war von islamistischen Tätern ermordet worden. Die einfache Antwort lautet: Zwischen Islam und Terror gibt es eine Verbindung. Das stellt auch der stellvertretende CSU-Chef und Vorsitzende der Fraktion der Europäischen Volksparteien (EVP) im Europäischen Parlament nicht generell in Zweifel. Aber Weber gibt sich mit simplen Antworten nicht zufrieden. Der französische Polizist, der die Meinungsund Pressefreiheit verteidigt hatte, war gläubiger Moslem.
„Wir müssen als bürgerliche Partei die Kraft zur Differenzierung haben“, betonte Weber, der als einer der wichtigsten Politiker der CSU aus der jungen Garde gilt. Vielfach neige die Politik zu Kurzatmigkeit, verliere die großen Themen aus dem Blick. Zum Beispiel in Europa. „Da dürfen wir niemals vergessen, wo wir herkommen“. Vorigen Sommer war der 45-Jährige im bayerischen Wald auf eine Gedenktafel aus dem Jahr 1946 gestoßen. Auf ihm hatte eine Mutter an ihre drei Söhne erinnert, die alle im Zweiten Weltkrieg ums Leben gekommen waren. Dieses Friedensprojekt Europa liegt Weber am Herzen.
Nur wenn Europa einig sei, könnten die wichtigen Themen Klimaschutz, Frieden und Wirtschaftsregulierung gegenüber den USA und China zu Erfolgen geführt werden. Politik müsse langfristig die richtigen Weichen stellen und sich nicht nur um jetzt anstehende Probleme kümmern. „Was kommt auf uns in zehn, 20 Jahren zu?“, fragte er in die Runde. Und gab gleich ein paar Antworten. Beispiel Migration: Nicht Syrien sei die Herausforderung, sondern Afrika. Bis 2030 werde sich die Bevölkerungszahl auf dem Kontinent verdoppeln. Einigermaßen stabile Verhältnisse seien nur zu erreichen, wenn die westliche Welt Afrika bei der Handelspolitik entgegenkommt.
Die deutsche Wirtschaft habe einen hohen Bedarf an Fachkräften. Weber nannte den Pfarrer aus dem Kongo ebenso wie Ingenieure aus anderen Ländern. Diese Realität müsse Politik so gestalten, dass die Gesellschaft nicht ihr Gesicht verliere, so Weber.
Politik bedeute, gestalten zu wollen. Die FDP sei nicht in eine mögliche Jamaika-Koalition eingestiegnen, weil sie das Wohl der Partei über das des Landes gestellt habe. Nun müsse die SPD mit Verantwortung übernehmen. Die ausgehandelten Kompromisse bei den Sondierungen verteidigte Weber. Die Mütterrente, die Erhöhung des Kindergeldes um 25 Euro im Monat und die Förderung von Wohneigentum seien richtig.
Richtig sei auch, dass der Beitrittsprozess der Türkei zur EU zum Stillstand komme. Unter Präsident Erdogan bewege sich das Land weg vom Rechtsstaat und der Demokratie. Auch dass der Solidaritätszuschlag nach 27 Jahren für 90 Prozent der Steuerzahler abgeschafft werde, begrüßte Weber. „Das sind solide Ergebnisse“. In Richtung des CSULandesgruppenchefs Alexander Dobrindt fügte er hinzu: „Unser Land braucht keine Revolution.“Dobrindt hatte in einem Interview eine „konservative Revolution“gefordert. Manfred Weber warnte grundsätzlich davor, Kompromisse „verächtlich als Umfallen darzustellen“. Kompromisse gehörten zu einer Demokratie.
Der CSU-Kreisvorsitzende und Wirtschaftsstaatssekretär Franz Josef Pschierer sprach von einem Denkzettel, den die Wähler im September auch der CSU verpasst hätten. „Die Bevölkerung erwartet zu Recht Aussagen, wie die Integration gelingen und der Zustrom begrenzt werden kann.“Er räumte ein, dass im Wahlkampf womöglich die falschen Akzente gesetzt wurden. Pschierer nannte die Themen Rente, Pflege, Gesundheitsversorgung, Wohnungsknappheit, die zu kurz gekommen seien.
Diesen Vertrauensverlust griff auch der Memminger Landtagsabgeordnete Klaus Holetschek auf. Es gehe jetzt ums Zuhören und darum, Lösungen anzubieten. Seiner Partei empfahl er das Motto des Kneippbundes auf: miteinander, füreinander. Die sehr gute Lage von Mindelheim beleuchtete Bürgermeister Stephan Winter. Er nehme für sich in Anspruch, dass in den 16 Jahren seiner Amtszeit die Saat gesät wurde, die jetzt aufgehe. Musikalisch umrahmt wurde die Feier durch eine kleine Besetzung der Stadtkapelle Mindelheim unter Leitung von Robert Hartmann. Die Feier klang aus mit der gemeinsam gesungenen Bayern- und Nationalhymne.