Mindelheimer Zeitung

Starke Kinder gegen die Sucht

Wie die Awo-Beratungss­telle junge Menschen von Zigaretten, Alkohol und illegalen Drogen fernhalten will

- VON JOHANN STOLL

Mindelheim Alkohol ist unveränder­t Droge Nummer eins im Unterallgä­u, welche ganze Familien ins Unglück stürzen kann. Überall ist die Volksdroge zu haben und regelmäßig­es Trinken wird in weiten Teilen der Bevölkerun­g verharmlos­t. Dennoch gibt es Hoffnung, wie Ursula Hiller von der Psychosozi­alen Beratungss­telle der Awo Schwaben mit Sitz in Memmingen und Mindelheim berichtet. Bei jungen Leuten ist es nicht mehr angesagt, regelmäßig zu tief ins Glas zu schauen. Allerdings gibt es offenbar mehr Jugendlich­e, die sich alle paar Wochen „die Birne wegbeamen“, wie es die Sozialpäda­gogin drastisch formuliert. Positiv wertet die Fachfrau, dass mehr Betroffene die Beratungss­telle in der Steinstraß­e aufsuchen. Sie kommen freiwillig, auch wenn vereinzelt die Führersche­instelle mit Hinweisen nachhilft, weil sonst an Autofahren nicht mehr zu denken ist. Deutliche Erfolge gibt es beim Rauchen. „Wenn ich heute in einer Klasse frage, wer denn raucht, gehen vielleicht zwei Finger hoch. Vor Jahren war es noch die halbe Klasse“, so Hiller. Aber auch beim Rauchen ist nicht alles auf einem guten Weg. Die Shisha-Kneipen bereiten der Drogenexpe­rtin Sorgen. Offenbar meinen viele junge Leute, das sei harmlos. Ist es nicht.

Wenig Bewusstsei­n gibt es offenbar auch bei chemischen Drogen, die über das Internet bezogen werden. Diese illegalen Substanzen seien leicht zu bekommen, aber niemand wisse wirklich, welche chemischen Substanzen in ihnen enthalten ist, warnt Hiller.

Die Awo Schwaben berät im Landkreis Unterallgä­u in allen Fragen rund um Alkohol, Drogen, Medikament­en, Essstörung­en und Glücksspie­l. Ganz besonders sucht die Beratungss­telle den Kontakt zu den Schulen. Hiller konzentrie­rt sich dabei auf die Kinder ab den fünften Klassen. Das hat einen pragmatisc­hen Grund. Die Kapazitäte­n reichen nicht für mehr. Hiller arbeitet halbtags. Ein Kollege hilft bei der Prävention noch mit. Richtig gut läuft es offenbar in den Mittelschu­len. In Türkheim zum Beispiel haben Lehrer zur Suchtvorbe­ugung gleich ein größeres Jahresproj­ekt daraus gemacht. Dabei wurden auch die Schulsozia­larbeiter eingebunde­n. In jeder Schule gibt es als Pflichtauf­gabe einen Lehrer, der um Suchtfrage­n kümmert oder besser kümmern sollte. Ursula Hiller würde sich wünschen, dass das auch konsequent in den Schulen umgesetzt wird. Ihr Eindruck: Allzu oft wird das Amt vergeben, aber es passiert dann nicht allzu viel. Für diese Lehrer bietet die Awo übrigens auch Fortbildun­gen an.

Dass Aufklärung in den Schulen langfristi­g wirkt, daran hegt Ursula Hiller keinen Zweifel. Früher sei auf Abschrecku­ng gesetzt worden. Da wurde dann ein Raucherbei­n oder ein schwer kranker Patient mit einer Raucherlun­ge gezeigt. Die Wirkung sei überschaub­ar gewesen. Heute setzen die Sozialpäda­gogen auf Wissensver­mittlung. Wie wirkt ein Stoff, was hat der Missbrauch für Folgen? „Da sind die Jugendlich­en immer total aufmerksam“, so Hiller. Noch wichtiger sei, das Selbstwert­gefühl und die Sozialkomp­etenz von jungen Menschen zu stärken. „Die Frage ist, warum Menschen süchtig werden.“Sich selbst bewusste Menschen, die um ihre Stärken wissen, seien weit weniger gefährdet, sagt Hiller.

Suchtpräve­ntion ist ein mühsames Geschäft. Schnelle Erfolge bleisich ben meist Wunschdenk­en. Und doch ist Ursula Hiller überzeugt, dass jeder Euro hier bestens investiert ist. Je weniger Kinder und Jugendlich­e in die Suchtfalle tappen, desto besser.

Die Mittel freilich sind immer zu knapp. Um so wichtiger ist der Fördervere­in Fliegenpil­z. Er hat seinen Sitz in Memmingen und unterstütz­t die Prävention mit Geld für Plakate, Referenten und Projekte. Vorsitzend­e ist die Richterin Brigitte Grenzstein. Aktuell fördert Fliegenpil­z ein Theaterpro­jekt für alle Achtklässl­er in Ottobeuren.

Niemand kennt die Inhaltssto­ffe

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Archivfoto: Leitenstor­fer Alkohol ist als Suchtmitte­l weiterhin am stärksten verbreitet. Auch bei Jugendlich­en in der Region ist Alkoholism­us durchaus ein Problem.
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Ursula Hiller

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