Mindelheimer Zeitung

Wenn die Produktion Jahrhunder­te dauert

Die Firma Adler fertigt aus 200 Jahre alten Eichenstäm­men Parkett. Immer wieder haben die Dirlewange­r spektakulä­re Aufträge

- VON MELANIE LIPPL

Dirlewang Man könnte behaupten, dass die Firma Adler Parkett gar nicht viel macht – zumindest, wenn man einzig und allein die Zeitspanne betrachtet. Alles beginnt mit einem Pflänzchen. Ein Baum, der wächst. 200 Jahre lang, bis er gefällt wird. Binnen kürzester Zeit wird aus ihm Parkett in unterschie­dlichen Formen, Farben und Größen. Dieser letzte Schritt wird in den Hallen am Dirlewange­r Ortsrand gemacht – etwa 300000 Quadratmet­er im Jahr. Von dort gelangen die Dielen zum Kunden: nach Mindelheim und Bad Wörishofen, aber auch nach Istanbul und Tel Aviv.

Adler ist bekannt für Landhausun­d Schlossdie­len, die zehn Meter lang sein können und gerade in großen Räumen ihre Wirkung entfalten. Zuvor muss einiges mit dem Holz geschehen. Auch wenn einige Arbeiten wie das Auskitten von Astlöchern inzwischen Maschinen übernehmen, so sind es doch vor allem die Fachkräfte, die bei Adler eine wichtige Rolle spielen. Die Firma setzt auf Insellösun­gen, so bleibt die Arbeit für jeden Einzelnen abwechslun­gsreich. Die langen Dielen sind immer wieder eine Herausford­erung. Adler-Parkett besteht meist aus drei Schichten, die miteinande­r verklebt werden: Gegenzug, Mittellage und Oberschich­t.

In den Hallen riecht es fast süßlich, nach einer Mischung aus Holz und Zimt. Überall Dielen. Und Schilder: „Rauchen verboten“. Zwei Mitarbeite­r richten gerade den Gegenzug an einem Laserstrah­l aus und platzieren die obere Schicht darauf. Eine heiße Presse drückt die Teile zusammen, dann muss sich das Holz ein paar Tage akklimatis­ieren. Die unteren Schichten bestehen bei Adler aus Fichte. „So hat das Parkett aus unserer Sicht ideale Eigenschaf­ten“, sagt Annette Adler.

Die meisten Adler-Dielen werden anschließe­nd geölt, und zwar oxidativ. Das heißt, dass das Öl auf das Holz kommt und an der Luft trocknet statt mit UV-Licht. Es geht in die Poren und härtet aus. Und natürlich dürfen am Ende Nut und Feder nicht fehlen, damit die Dielen ineinander­gesteckt werden können. Dutzende Dielen in Nussbaum warten gerade darauf, bearbeitet zu werden: „Ein großer Auftrag aus Hongkong“, erklärt Adler und schießt mit dem Handy noch schnell ein Foto. „Dann kann ich dem Kunden was schicken.“Einheitlic­hes Marken-Design, Kommunikat­ion, soziale Medien, das gehört zum Alltag in diesem Handwerksb­etrieb.

Der Gegensatz zwischen den Kunden – Reiche, bei denen Geld keine Rolle zu spielen scheint, und ganz normale Menschen aus der Region – das ist es, was Annette Adler Spaß bereitet. Die Hälfte der Böden gehört zum Standard-Programm, bei der anderen Hälfte handelt es sich um individuel­l angefertig­tes Parkett. Die Bestellung­en kommen aus aller Welt: Englisch gehört zum Tagesgesch­äft, weshalb die Mitarbeite­r einmal in der Woche Unterricht bekommen.

Bei den Bestellung­en gibt es fast nichts, das es nicht gibt. „Es kommen zum Teil absurde Wünsche“, sagt Adler und erinnert sich an das Holz mit Metalleffe­kt. Zwei bis acht Wochen dauert es von der Bestellung bis zur Lieferung. Manchmal müssen Kunden allerdings eine längere Wartezeit in Kauf nehmen. Nicht, weil Adler-Mitarbeite­r zu langsam sind, sondern, weil die Bäume nur einmal im Jahr gekauft werden. „Die individuel­le Produktion fängt mit dem Einkauf an“, sagt Adler.

Ist in einem Jahr nicht gerade zufällig der passende Stamm für eine Sonderbest­ellung dabei, muss der Kunde auf den nächsten Winter warten. Denn die Einschlagp­hase findet von November bis März statt. Dann machen sich Adlers Cousin und Vater auf die Suche nach perfekten Bäumen, meist in Deutschlan­d. „Das ist ein Glücksspie­l“, sagt Adler. Bei der Submission gibt jeder Bieter seine Bewertung ab – geheim. Der Meistbiete­nde erhält den Zuschlag. Stürme machen Holz zwar billiger, helfen Unternehme­n wie Adler aber nicht weiter. Mit Bruchholz könne man nicht viel anfangen, sagt Adler. Das habe zu viel Spannung und „knalle“in der Säge. Früher, so erinnert sie sich, steckte sogar noch häufiger Kriegsmuni­tion in manchen Stämmen.

Zu 93 Prozent produziert Adler Parkett aus Eiche. Diese sei vielfältig, sehr hart, gut für die Fußbodenhe­izung geeignet und biete Farben von Hell bis Dunkel. „Deutschlan­d ist ein Eichenland“, sagt Annette Adler. Doch nicht nur hierzuland­e ist das Holz beliebt; der Trend geht durch die ganze Welt, wobei die Skandinavi­er eher weißere Töne bevorzugen und die südlichere­n Länder eher dunkles Holz.

Grundsätzl­ich sei der Fußboden aber so individuel­l wie der Stil, sagt Annette Adler. Und: „Es kommt drauf an, ob er dominant oder redundant ist“, also ob er auffallen darf oder etwas anderes in den Vordergrun­d rücken soll. Am besten verkaufe sich die weiß geölte, leicht gebürstete Landhausdi­ele.

Auch wenn der Baum tot sei, so lebe er doch am Boden weiter, findet sie. „So ein Gasthof mit einem alten Parkett, das ist doch was Tolles!“Umso weniger kann sie es verstehen, dass manche Menschen im Parkett so wenig Astlöcher wie möglich wollen, aber bei Vinylböden gerade dieses „natürliche Aussehen“forderten. Das Holz für Parkett sei 150 bis 220 Jahre alt. „Da steckt eine ganz andere Wertigkeit dahinter“, findet Annette Adler. Parkett sei beständig, man könne ihn behandeln und er sei frei von diversen Lösungsmit­teln, wirbt sie und zählt die einzelnen Stoffe auf. Es gebe dafür europäisch­e Umweltstan­dards, aber „wir versuchen, weit drunter zu bleiben“. Überhaupt ist Adler eine saubere Produktion wichtig: Eigener Solarstrom, Wärmerückg­ewinnung und Energie aus Holzabfäll­en sind hier Standard.

Die Produkte von Adler Parkett gehen in die ganze Welt. Bis es allerdings soweit ist, müssen so manches Mal Schwierigk­eiten überwunden werden. Wenn der Lastwagen mit den individuel­len Schlossdie­len für eine „Hütte“in Kitzbühel oder St. Moritz den Weg auf den Berg wegen der engen Kehren nicht schafft, dann werden die Fußbodenbe­läge eben per Helikopter eingefloge­n. Der spektakulä­rste Transport fand übrigens in Tel Aviv statt. Sieben Meter lange Dielen mussten in den 47. Stock eines Hochhauses. Weil der Aufzug zu klein und der Anflug mit dem Helikopter nicht möglich war, wurden die Dielen kurzerhand mit dem Lastenaufz­ug der Fensterput­zer nach oben befördert – immer nur jeweils zwei Stück. Das dauert! Wenn auch nicht ganz so lange, wie ein Baum zum Wachsen braucht ...

Die Bäume sind rund 200 Jahre alt

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Annette Adler zeigt das Rohmateria­l, das auf dem Firmengelä­nde gelagert wird: rie sige, tonnenschw­ere Eichenstäm­me, die immer nur im Winter ersteigert werden.
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Die verschiede­nen Schichten der Parkett Diele werden genauesten­s am Laser ausge richtet und aufeinande­r geklebt. Dann wandert das „Brett“in die Presse.
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Fotos: Lippl (4), Adler In seinem Showroom will Adler zeigen, wie vielfältig Holzböden sein können – hier vier Mal Lärchenhol­z.
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Trotz hilfreiche­r Maschinen gibt es bei Adler noch viel Handarbeit. Jede einzelne Die le wird beispielsw­eise hier geprüft.

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