Mindelheimer Zeitung

Mein Leben ohne soziale Netzwerke

K!ar.Texterin Claudia war ständig online. Warum sie seit drei Monaten auch ohne virtuelle Identität auskommt

- VON CLAUDIA EGGER

Landkreis Wieso hast du das gemacht? Jetzt bekomme ich gar nichts mehr von dir mit. Legst du dir ein neues Profil an? Alles klar bei dir? Das waren die ersten Reaktionen meiner Freunde auf meinen Abschiedsp­ost, mit dem ich meinen Rückzug aus den sozialen Netzwerken ankündigte.

Vor drei Monaten habe ich mein Facebook-Profil gelöscht. Als sehr aktive Nutzerin war das eine Umstellung und der Schritt hatte so manche Konsequenz. Nicht nur für mich. Auf einmal beginnen sich auch die Freunde mit ihren OnlineAkti­vitäten auseinande­rzusetzen. Oft heißt es dann: „Also ich könnte das nicht, da bekomme ich ja gar nichts mehr mit“, oder „Was machst du, wenn dir mal langweilig ist?“. Dabei gibt es genügend Gründe, sich aus Facebook und Co. zurückzuzi­ehen.

Typische Facebook-Momente: Man erhält Anfragen oder persönlich­e Nachrichte­n von Unbekannte­n. Die weltweite Vernetzung hat ihre Vorteile, aber mit der Möglichkei­t, Menschen anonym anschreibe­n zu können, senkt bei so manchem Nutzer die Hemmschwel­le. Ich selbst habe oft sehr feindselig­e und unangebrac­hte Kommentare gelesen, in denen Nutzer aus dem vermeintli­chen Schutz der Anonymität heraus andere beschimpfe­n. Besonders dann, wenn auf Facebook Diskussion­en geführt werden, brechen sich sehr schnell Beleidigun­gen und Anzüglichk­eiten Bahn.

Auch das Thema Werbung spielte für mich eine Rolle, als ich mich zum Absprung entschloss. Die Werbung auf Facebook nimmt pro Like zu und müllt Postfächer voll, dabei wollte man nur mal sehen, wie das neue Trikot der Nationalma­nnschaft aussieht, sich aber keine ganze Fanausrüst­ung zulegen. Ständig hatte ich das Gefühl, über alles informiert sein zu müssen, Profile regelrecht zu stalken, Beiträge zu liken, Dinge zu posten, und den Account mit immer neuen Fotos für die Community aktuell halten zu müssen. In der virtuellen Welt der Selbstdars­tellung folgen Candycrush-Anfragen auf Nachrichte­n über verpasste Events und Erinnerung­en, dass man schon 24 Stunden nichts gepostet hat oder ob man nicht mal wieder das eigene Profilbild ändern möchte. Hunderte weltbewege­nde Inhalte wie das Mittagesse­n und der neue Hund eines FacebookFr­eundes werden verpasst, die Angst, nicht mehr mitreden zu können, steigt mit jeder Minute, die man offline ist. Aber abschalten geht nicht. Selbst in den Urlaub begleiten einen die Facebook-Freunde.

Hat man kein Profil mehr, hat man auf einmal wieder Zeit. Keine Hundertsch­aft an Nachrichte­n oder Anfragen, keinen Druck oder das Bedürfnis, etwas online zu stellen. Wie befreiend! Ich habe begonnen, Momente anders wahrzunehm­en: Intensiver, da ich nicht mehr nach Bildmotive­n suchen oder parallel einen Post verfassen muss. Man sitzt im Zug und genießt die Landschaft, ohne auf sein Smartphone zu starren. Die Zeit, die ich mit meinen Freunden verbringe, genieße ich jetzt viel mehr, denn wir haben uns wirklich mehr zu erzählen, als in kurze Posts passen würde! Das eigene Verhältnis zur digitalen Welt zu überdenken lohnt sich bestimmt für jeden Internetnu­tzer.

 ?? Symbolfoto: Silvia Marks, dpa ?? Wer ein Facebook Profil hat, kennt das: Eine Anfrage folgt der nächsten, das Foto will ständig aktualisie­rt und Kommentare gepostet werden. Doch es geht auch anders. Wer das eigene Nutzungsve­rhalten hinterfrag­t, hat mehr Zeit für sich.
Symbolfoto: Silvia Marks, dpa Wer ein Facebook Profil hat, kennt das: Eine Anfrage folgt der nächsten, das Foto will ständig aktualisie­rt und Kommentare gepostet werden. Doch es geht auch anders. Wer das eigene Nutzungsve­rhalten hinterfrag­t, hat mehr Zeit für sich.

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