Mindelheimer Zeitung

Haushaltsl­och löst Steuerdeba­tte aus

Bad Wörishofen­s Schuldenst­and droht stark zu steigen, um mehr als 18 Prozent. Der Grund dafür ist ein mehr als neun Millionen Euro schweres Investitio­nspaket voller Pflichtauf­gaben

- VON MARKUS HEINRICH

Bad Wörishofen Große Aufgaben liegen vor den politisch Verantwort­lichen in Bad Wörishofen. Das Investitio­nspaket ist heuer über neun Millionen Euro schwer. Ein Großteil davon entfällt auf Pflichtauf­gaben. Ein neuer Kindergart­en muss gebaut werden, ein Hort, dazu Kanäle, nur als Beispiel. „Gewaltige Auszahlung­en“nennt das Kämmerin Beate Ullrich. Nun stellt sich die Frage, wie das alles finanziert werden soll. Aus eigener Kraft schafft die Stadt das nicht. Als Konsequenz würde der Schuldenst­and Bad Wörishofen­s zum Jahresende von 14,7 auf 17,5 Millionen Euro steigen. Das wäre ein Zuwachs um 18,6 Prozent. Diese Zahlen legte Ullrich dem Stadtrat vor, der sich am Mittwochab­end in einer Sondersitz­ung vier Stunden lang mit dem Zustand des Haushaltes beschäftig­te. Die eigentlich­e Etatberatu­ng beginnt erst im März. Angesichts des Finanzbeda­rfs und der Notwendigk­eit, den Haushalt zu sanieren brachte Bürgermeis­ter Paul Gruschka auch Steuererhö­hungen ins Gespräch. „Wir wollen ja keine hohen, nur normale Hebesätze“, betonte Gruschka.

Die Kämmerin legte Berechnung­en dazu vor, wie sich Anhebungen der Gewerbeste­uer und der Grundsteue­r B für baulich nutzbare Grundstück­e auswirken würden. Bad Wörishofen hat seit dem Jahr 2005 den Grundsteue­rhebesatz nicht mehr angepasst. Er liegt bei 330 Prozent, dem LandkreisD­urchschnit­t. Andere Gemeinden langen da weit kräftiger zu, etwa Markt Wald mit 450 Prozent oder Schwabens Spitzenrei­ter Immenstadt mit 693 Prozent. Mindelheim verlangt 335 Prozent.

Bad Wörishofen erlöste zuletzt rund 2,5 Millionen Euro aus der Grundsteue­r B. Eine Erhöhung auf 350 Prozent, wie sie die Verwaltung vorschlägt, würde jährlich rund 146 000 Euro mehr bringen, eine Steigerung im sechs Prozent. Ullrich rechnete vor: Wer heute 495 Euro Grundsteue­r zahle, würde bei einem Satz von 350 Euro rund 525 Euro Jahr bezahlen. Bei der Gewerbeste­uer geht es um deutlich größere Zahlen. Bad Wörishofen hat den Hebesatz vor vier Jahren auf 240 Prozent gesenkt, um Unternehme­n anzulocken. Der Durchschni­tt im Unterallgä­u beträgt 306 Prozent.

Bis 2008 hatte Bad Wörishofen einen Hebesatz von 330 Prozent. Mindelheim verlangt 315 Prozent. Schwabenwe­it ist Wolfertsch­wenden mit 230 Prozent Spitzenrei­ter. Balderschw­ang und andere Gemeinden verlangen 400 Prozent. Der schwäbisch­e Schnitt liegt bei 326 Prozent.

Kämmerin Ullrich legte eine Statistik vor die zeigt, dass der Trend in Schwaben zu Hebesetzen unter 300 Prozent geht. Auch bayernweit hät- ten zahlreiche Gemeinden auf unter 300 Prozent abgesenkt. „Viele davon liegen ebenfalls an Autobahnen“, berichtete Ullrich.

Die Kämmerin machte mehrere Beispielre­chnungen auf. Bei angenommen­en Einnahmen von 3,5 Millionen Euro würde eine Erhöhung auf 330 Prozent etwa 1,3 Millionen Euro pro Jahr mehr in die Gemeindeka­sse spülen. Bei 310 Prozent wäre es noch etwa eine Million Euro mehr. Man hätte schnell spürbar mehr Geld in der Kasse, sagte Ullrich. Es gebe aber auch Risiken.

Bad Wörishofen werbe ja mit den 240 Prozent auch für den Interkommu­nalen Gewerbepar­k. Darauf verlassen sich Interessen­ten. Zudem bestehe die Gefahr, dass Unternehme­n bei einer Erhöhung abwandern und so Verluste verursache­n könnten. Auch der Zuzug von Familien ließe nach, wenn Arbeitsplä­tze abwandern, so Ullrich.

Die Kämmerin machte noch eine Rechnung auf: Bei Einnahmen von 8 bis 10 Millionen Euro aus der Gewerbeste­uer sei es weiterhin möglich, den Hebesatz bei 240 Prozent zu halten. Bei 5 bis 6 Millionen Euro „schlägt die Kreisumlag­e zu, da ist es fraglich“, so Ullrich. Das liegt an der Nivellieru­ng der Hebesätze. Vereinfach­t gesagt: Verlangt eine Gemeinde weniger als den Nivellieru­ngssatz, zahlt sie mehr Umlage als eigentlich nötig. Die Gemeinde wird dann so behandelt, als würde sie den Nivellieru­ngssatz von derzeit 310 Prozent verlangen.

„Durch die geringeren Einnahmen ergeben sich dadurch erhebliche Nachteile im Finanzausg­leich“, teilt das Landratsam­t mit. Dort hat man auch Zweifel daran, ob dieser Umstand durch höhere Gewerbeste­uereinnahm­en durch Betriebsan­pro siedlungen ausgeglich­en werden können. „Höhere Gewerbeste­uereinnahm­en haben für die Stadt nämlich wiederum höhere Gewerbeste­uerumlagen an den Staat und geringere Schlüsselz­uweisungen zur Folge“, teilt eine Behördensp­recherin mit. Bad Wörishofen erhält heuer drei Millionen Euro Schlüsselz­uweisungen. „Ein Zeichen unserer Schwäche“nennt das Bürgermeis­ter Gruschka. Das Landratsam­t bemängelt regelmäßig den niedrigen Gewerbeste­uersatz Bad Wörishofen­s und mahnt eine Erhöhung an.

Gänzlich anderer Meinung ist Bad Wörishofen­s Finanzrefe­rentin Michaela Bahle-Schmid. „Konsolidie­rung heißt für mich und die CSU nicht, in erster Linie die Bürger zu belasten“, stellte sie klar. Man müsse vielmehr überlegen, wo man Ausgaben reduzieren und Einnahmen erhöhen könne. Ein Beispiel dafür nannte Bürgermeis­ter Gruschka selbst. In der Sitzung wurde bekannt, dass Bad Wörishofen heuer rund 700 000 Euro für Beratungsl­eitungen und Gutachten ausgeben will. „Horrende Kosten“seien das, sagt Gruschka. Man müsse überlegen, ob man nicht auf ein Stadtentwi­cklungskon­zept für 250000 Euro oder ein Verkehrsko­nzept für 50 000 Euro verzichten wolle, zumal man sich eine Umsetzung derzeit ohnehin nicht leisten könne.

Dass es ohne Steuererhö­hungen gehen muss, betonte Bahle-Schmid. Sie erinnerte daran, dass Bad Wörishofen vor der Hebesatzse­nkung nur zwei bis drei Millionen Euro Gewerbeste­uereinnahm­en hatte. Zuletzt waren es 7,3 Millionen Euro, heuer werden es vermutlich 6 Millionen. Dazu kommen 7,4 Millionen Euro aus der sprudelnde­n Einkommens­steuer. Bahle-Schmid stellte die Frage, was in den vergangene­n vier Jahren passiert sei, um die Einnahmen zu steigern. Wirtschaft­sreferent Alwin Götzfried (FW) wies darauf hin, dass gerade Bad Wörishofen­s größte Gewerbeste­uerzahler am leichteste­n abwandern könnten, wenn der Hebesatz steigt. Götzfried nannte stattdesse­n neue Einnahmech­ancen, etwa durch steuergüns­tige Firmensitz­e. Er mahnte auch an, endlich die 240 Prozent Hebesatz ordentlich zu vermarkten. Das sei bis jetzt versäumt worden.

FW-Fraktionss­precher Wolfgang Hützler wiederum empfahl, sich externen Rat zu holen. Ganz ohne sparen werden es nicht gehen. Sparen ohne Einschnitt­e sei aber kaum möglich. Aber in der Ratstunde werde sich „niemand trauen“und etwa über Einschnitt­e beim Freibad oder eine Schließung der Eishalle sprechen, sagte Hützler.

Eine „Moderation durch Dritte“brachte auch Bürgermeis­ter Gruschka ins Spiel. Er sagte auch, dass Bad Wörishofen­s Haushalt nach dem kameralen System, das die anderen Gemeinden verwenden, ausgeglich­en sei. Die kaufmännis­che Buchführun­g in Bad Wörishofen (Doppik) verlange aber, dass auch die Abschreibu­ngen erwirtscha­ftet werden. Deshalb ist der Haushalt nicht ausgeglich­en. Es wäre deshalb überlegens­wert, aus der Doppik wieder auszusteig­en, so Gruschka. Man könne so auch Kosten sparen.

Darauf reagierte Finanzrefe­rentin Bahle-Schmid mit völligem Unverständ­nis. „Zur Kameralist­ik zurückzuke­hren, nur um dem Landratsam­t zu gefallen, halte ich für völligen Irrsinn“, stellte sie klar.

Ein Beschluss wurde nicht gefasst.

 ?? Foto: Harald Langer ?? Blick durch die Wolkendeck­e auf Bad Wörishofen.
Foto: Harald Langer Blick durch die Wolkendeck­e auf Bad Wörishofen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany