Haushaltsloch löst Steuerdebatte aus
Bad Wörishofens Schuldenstand droht stark zu steigen, um mehr als 18 Prozent. Der Grund dafür ist ein mehr als neun Millionen Euro schweres Investitionspaket voller Pflichtaufgaben
Bad Wörishofen Große Aufgaben liegen vor den politisch Verantwortlichen in Bad Wörishofen. Das Investitionspaket ist heuer über neun Millionen Euro schwer. Ein Großteil davon entfällt auf Pflichtaufgaben. Ein neuer Kindergarten muss gebaut werden, ein Hort, dazu Kanäle, nur als Beispiel. „Gewaltige Auszahlungen“nennt das Kämmerin Beate Ullrich. Nun stellt sich die Frage, wie das alles finanziert werden soll. Aus eigener Kraft schafft die Stadt das nicht. Als Konsequenz würde der Schuldenstand Bad Wörishofens zum Jahresende von 14,7 auf 17,5 Millionen Euro steigen. Das wäre ein Zuwachs um 18,6 Prozent. Diese Zahlen legte Ullrich dem Stadtrat vor, der sich am Mittwochabend in einer Sondersitzung vier Stunden lang mit dem Zustand des Haushaltes beschäftigte. Die eigentliche Etatberatung beginnt erst im März. Angesichts des Finanzbedarfs und der Notwendigkeit, den Haushalt zu sanieren brachte Bürgermeister Paul Gruschka auch Steuererhöhungen ins Gespräch. „Wir wollen ja keine hohen, nur normale Hebesätze“, betonte Gruschka.
Die Kämmerin legte Berechnungen dazu vor, wie sich Anhebungen der Gewerbesteuer und der Grundsteuer B für baulich nutzbare Grundstücke auswirken würden. Bad Wörishofen hat seit dem Jahr 2005 den Grundsteuerhebesatz nicht mehr angepasst. Er liegt bei 330 Prozent, dem LandkreisDurchschnitt. Andere Gemeinden langen da weit kräftiger zu, etwa Markt Wald mit 450 Prozent oder Schwabens Spitzenreiter Immenstadt mit 693 Prozent. Mindelheim verlangt 335 Prozent.
Bad Wörishofen erlöste zuletzt rund 2,5 Millionen Euro aus der Grundsteuer B. Eine Erhöhung auf 350 Prozent, wie sie die Verwaltung vorschlägt, würde jährlich rund 146 000 Euro mehr bringen, eine Steigerung im sechs Prozent. Ullrich rechnete vor: Wer heute 495 Euro Grundsteuer zahle, würde bei einem Satz von 350 Euro rund 525 Euro Jahr bezahlen. Bei der Gewerbesteuer geht es um deutlich größere Zahlen. Bad Wörishofen hat den Hebesatz vor vier Jahren auf 240 Prozent gesenkt, um Unternehmen anzulocken. Der Durchschnitt im Unterallgäu beträgt 306 Prozent.
Bis 2008 hatte Bad Wörishofen einen Hebesatz von 330 Prozent. Mindelheim verlangt 315 Prozent. Schwabenweit ist Wolfertschwenden mit 230 Prozent Spitzenreiter. Balderschwang und andere Gemeinden verlangen 400 Prozent. Der schwäbische Schnitt liegt bei 326 Prozent.
Kämmerin Ullrich legte eine Statistik vor die zeigt, dass der Trend in Schwaben zu Hebesetzen unter 300 Prozent geht. Auch bayernweit hät- ten zahlreiche Gemeinden auf unter 300 Prozent abgesenkt. „Viele davon liegen ebenfalls an Autobahnen“, berichtete Ullrich.
Die Kämmerin machte mehrere Beispielrechnungen auf. Bei angenommenen Einnahmen von 3,5 Millionen Euro würde eine Erhöhung auf 330 Prozent etwa 1,3 Millionen Euro pro Jahr mehr in die Gemeindekasse spülen. Bei 310 Prozent wäre es noch etwa eine Million Euro mehr. Man hätte schnell spürbar mehr Geld in der Kasse, sagte Ullrich. Es gebe aber auch Risiken.
Bad Wörishofen werbe ja mit den 240 Prozent auch für den Interkommunalen Gewerbepark. Darauf verlassen sich Interessenten. Zudem bestehe die Gefahr, dass Unternehmen bei einer Erhöhung abwandern und so Verluste verursachen könnten. Auch der Zuzug von Familien ließe nach, wenn Arbeitsplätze abwandern, so Ullrich.
Die Kämmerin machte noch eine Rechnung auf: Bei Einnahmen von 8 bis 10 Millionen Euro aus der Gewerbesteuer sei es weiterhin möglich, den Hebesatz bei 240 Prozent zu halten. Bei 5 bis 6 Millionen Euro „schlägt die Kreisumlage zu, da ist es fraglich“, so Ullrich. Das liegt an der Nivellierung der Hebesätze. Vereinfacht gesagt: Verlangt eine Gemeinde weniger als den Nivellierungssatz, zahlt sie mehr Umlage als eigentlich nötig. Die Gemeinde wird dann so behandelt, als würde sie den Nivellierungssatz von derzeit 310 Prozent verlangen.
„Durch die geringeren Einnahmen ergeben sich dadurch erhebliche Nachteile im Finanzausgleich“, teilt das Landratsamt mit. Dort hat man auch Zweifel daran, ob dieser Umstand durch höhere Gewerbesteuereinnahmen durch Betriebsanpro siedlungen ausgeglichen werden können. „Höhere Gewerbesteuereinnahmen haben für die Stadt nämlich wiederum höhere Gewerbesteuerumlagen an den Staat und geringere Schlüsselzuweisungen zur Folge“, teilt eine Behördensprecherin mit. Bad Wörishofen erhält heuer drei Millionen Euro Schlüsselzuweisungen. „Ein Zeichen unserer Schwäche“nennt das Bürgermeister Gruschka. Das Landratsamt bemängelt regelmäßig den niedrigen Gewerbesteuersatz Bad Wörishofens und mahnt eine Erhöhung an.
Gänzlich anderer Meinung ist Bad Wörishofens Finanzreferentin Michaela Bahle-Schmid. „Konsolidierung heißt für mich und die CSU nicht, in erster Linie die Bürger zu belasten“, stellte sie klar. Man müsse vielmehr überlegen, wo man Ausgaben reduzieren und Einnahmen erhöhen könne. Ein Beispiel dafür nannte Bürgermeister Gruschka selbst. In der Sitzung wurde bekannt, dass Bad Wörishofen heuer rund 700 000 Euro für Beratungsleitungen und Gutachten ausgeben will. „Horrende Kosten“seien das, sagt Gruschka. Man müsse überlegen, ob man nicht auf ein Stadtentwicklungskonzept für 250000 Euro oder ein Verkehrskonzept für 50 000 Euro verzichten wolle, zumal man sich eine Umsetzung derzeit ohnehin nicht leisten könne.
Dass es ohne Steuererhöhungen gehen muss, betonte Bahle-Schmid. Sie erinnerte daran, dass Bad Wörishofen vor der Hebesatzsenkung nur zwei bis drei Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen hatte. Zuletzt waren es 7,3 Millionen Euro, heuer werden es vermutlich 6 Millionen. Dazu kommen 7,4 Millionen Euro aus der sprudelnden Einkommenssteuer. Bahle-Schmid stellte die Frage, was in den vergangenen vier Jahren passiert sei, um die Einnahmen zu steigern. Wirtschaftsreferent Alwin Götzfried (FW) wies darauf hin, dass gerade Bad Wörishofens größte Gewerbesteuerzahler am leichtesten abwandern könnten, wenn der Hebesatz steigt. Götzfried nannte stattdessen neue Einnahmechancen, etwa durch steuergünstige Firmensitze. Er mahnte auch an, endlich die 240 Prozent Hebesatz ordentlich zu vermarkten. Das sei bis jetzt versäumt worden.
FW-Fraktionssprecher Wolfgang Hützler wiederum empfahl, sich externen Rat zu holen. Ganz ohne sparen werden es nicht gehen. Sparen ohne Einschnitte sei aber kaum möglich. Aber in der Ratstunde werde sich „niemand trauen“und etwa über Einschnitte beim Freibad oder eine Schließung der Eishalle sprechen, sagte Hützler.
Eine „Moderation durch Dritte“brachte auch Bürgermeister Gruschka ins Spiel. Er sagte auch, dass Bad Wörishofens Haushalt nach dem kameralen System, das die anderen Gemeinden verwenden, ausgeglichen sei. Die kaufmännische Buchführung in Bad Wörishofen (Doppik) verlange aber, dass auch die Abschreibungen erwirtschaftet werden. Deshalb ist der Haushalt nicht ausgeglichen. Es wäre deshalb überlegenswert, aus der Doppik wieder auszusteigen, so Gruschka. Man könne so auch Kosten sparen.
Darauf reagierte Finanzreferentin Bahle-Schmid mit völligem Unverständnis. „Zur Kameralistik zurückzukehren, nur um dem Landratsamt zu gefallen, halte ich für völligen Irrsinn“, stellte sie klar.
Ein Beschluss wurde nicht gefasst.