Gott mit Dir, Du Land der Bayern
Die König-Ludwig-Freunde lassen den Märchenkönig hoch leben. Ein bisserl schrullig sei er halt gewesen, der Kini, sagen die Herren – mitten drin in einem Meer aus Kitsch, Kunst und Krempel in weiß-blau
Bad Wörishofen Stilecht muss es aber schon sein: die weiß-blaue Landesflagge wird gehisst und dazu wird aus voller Brust die Bayernhymne geschmettert. Die rechte Hand auf dem Herzen, der Blick geradeaus: „Gott mit Dir, Du Land der Bayern...“
Stilecht geht es dann weiter: Selbstverständlich werden frische Weißwürste aus dem „Königlichbayerischen Weißwursttopf“serviert, selbstverständlich fließt das Bier aus einer Flasche mit weißblauem Etikett in einen Steinkrug, auf dem entweder der Kini, das Landeswappen (oder beides) abgebildet sind. Frische Brezen dazu, der süße Senf darf selbstverständlich nicht fehlen – ja, jetzt fühlen sie sich bestens, die sechs g’standenen Männer, die da zusammen sitzen.
Alles hier ist stilecht – zumindest in den Augen eines König-LudwigVerehrers. Und das sind sie alle hier: Schon seit fast vier Jahrzehnten treffen sich die Bad Wörishofer Fans des Märchenkönigs regelmäßig. Mindestens einmal im Jahr dreht sich dabei alles um den Kini, dem die meisten hier ihren Vornamen Ludwig zu verdanken haben – und darauf sind sie mächtig stolz!
Dass das Treffen der LudwigFans ausgerechnet im Keller von Franz Baumann stattfindet, hat schon seine Richtigkeit: Immerhin wohnt Baumann, der als Kinderarzt in Bad Wörishofen bestens bekannt ist, ja wenigstens in der Ludwigstra- ße. Und noch einem „Ausreißer“erlauben die Ludwig-Fans die Anwesenheit: Anton Meier, der jahrzehntelang im Sebastianeum als Internist tätig war. Der heißt aber weder Ludwig noch wohnt er in der Ludwigstraße, noch nicht einmal in einer Königsgasse oder so ... Und trotzdem hier, bei den glühenden Ludwig-Fans? „Er stammt aus der Oberpfalz, und dort entstand ja die bayerische Ur-Sprache“, sagt Gastgeber Franz Baumann wie zur Entschuldigung.
Er sagt es mit einem unübersehbaren Augenzwinkern – denn selbstverständlich nimmt sich hier am Tisch keiner so bierernst. Im Gegenteil: Hier trifft sich eine lustige Truppe älterer Herren, die es sich gut gehen lassen und die nicht nur durch ihren Vornamen (zumindest die meisten) einen besonderen Bezug zum Märchenkönig Ludwig II. haben.
Und wie es hier aussieht! Kein Fleckchen mehr in dem großen Kellerraum, das nicht in irgendeiner Form an den Kini, zumindest aber an den Freistaat, erinnert:
Vom kleinen weißblauen Fähnchen bis zur König-Ludwig-Büste, Schloss Neuschwanstein in allen Variationen vom Foto bis zum selbst gebauten Modell, Bilder, Fotos, Gemälde vom Kini in Jung und Alt, in groß und klein. Und mittendrin steht ein weiß-blauüberzogener Sessel – fast schon eine Art Thron.
Franz Baumann hat hier seiner weiß-blauen Sammelleidenschaft freien Lauf gelassen und er weiß natürlich, dass dies für Außenstehende etwas kurios wirken mag. Das ist ihm aber ziemlich wurscht, er und seine Freunde fühlen sich hier rundherum wohl. Denn aus dem gemeinsamen Vornamen und/oder dem gemeinsamen Hobby hat sich eine tiefe Männerfreundschaft entwickelt, die seit Jahrzehnten gepflegt wird. Und wenigstens einmal im Jahr treffen sie sich hier: Am 25. August haben alle Ludwigs Namenstag – und darauf wird dann auch kräftig angestoßen.
Weit über ihre Begeisterung für den Märchenkönig hinaus sind die Herren seit Jahrzehnten eng befreundet, treffen sich häufig und gerne – und dann wird geratscht, was das Städtchen hergibt! Über Gott und die Welt geht es, vor allem aber um alle wesentlichen Belange ihrer Heimatstadt. Als aufrichtigaugenzwinkernde Anhänger des Märchenkönigs freuen sie sich zwar auch über das Jubiläum des Freistaates Bayern – aber da damit bekanntlich auch das Ende der Monarchie einher geht, ist die Freude doch etwas getrübt. Und auch die Person des Märchenkönigs wird durchaus kritisch gesehen: Ein bisserl schrullig sei er wohl schon gewesen. Aber das mache ihn doch nur noch liebenswerter, sagen die Ludwig-Fans inmitten der Ansammlung aus Kitsch, Kunst und Krempel in weiß und blau...
Wie ernst es den KönigLudwig-Freunden dann aber doch mit ihrer Leidenschaft ist, zeigte sich auch beim Besuch des
Franz Baumann hatte extra zu diesem Anlass einen interessanten Vortrag über die Bedeutung des ersten bayerischen Minis- terpräsidenten Kurt Eisner, vorbereitet. Und in dieser geschichtsträchtigen Phase spielte ja auch der bayerische Märchenkönig Ludwig II. eine wesentliche Rolle, die von den Ludwig-Fans ausführlich – und sehr ernsthaft – diskutiert wird. Denn damals wurde aus dem Königreich Bayern ja ein Freistaat – und mit dem Zusatz „Frei“wurde vor allem auf die Bedeutung „Frei von der Monarchie“hingewiesen, wie Baumann zu erzählen wusste.
„Na, darauf können wir doch anstoßen“, riefen die anderen und weiter ging es mit der munteren Runde, in der jeder etwas zu erzählen hat und jeder eine lustige Episode zum Besten gibt. Ist es Zufall oder Absicht, dass die Gespräche dann irgendwie doch wieder bei Bayern, seiner Geschichte und natürlich auch beim Kini landen? Oder sorgt der (zumindest hier im Keller) allgegenwärtige Märchenkönig dafür?
Zufall? Von wegen, sagen die Männer unisono: „Wir fühlen uns der intensiven Pflege unserer bayerischen Heimat verpflichtet“, donnert es vom Stammtisch her. Dabei legen sie aber allergrößten Wert auf die Feststellung, dass sie ganz persönlich ebenso weltoffen sind wie ihre bayerische Heimat.
„Wir haben auch immer ein offenes Ohr für die Belange der globalen Restbevölkerung außerhalb Bayerns“, sagen sie – und lachen sich schief. Am besten können die Ludwig-Fans eben immer noch über sich selbst lachen...