Als die Gewalt das Allgäu heimsuchte
Grausame Soldaten machten den Menschen zu schaffen – aber auch Hunger und Pest
Allgäu Bayerisch-Schwaben mit dem Allgäu war militärgeschichtlich eher ein Nebenschauplatz im Dreißigjährigen Krieg. Auch beschränken sich die direkten Kriegshandlungen in diesem Landstrich auf wenige Jahre des 17. Jahrhunderts. Doch dies genügte, um in manchen Gegenden zwei Drittel der Bevölkerung auszulöschen und die „Schwedenzeit“tief im Bewusstsein der Menschen zu verankern, bis hinein in den Bereich der Sagen.
Bei der 28. Arbeitstagung der Historischen Vereine, Heimatvereine und Museen in Schwaben im Bildungszentrum im Kloster Irsee beleuchteten Referenten aus verschiedenen geografischen und thematischen Blickwinkeln die Geschehnisse zwischen 1618 und 1648 sowie darüber hinaus. So machte das Symposium der Bezirksheimatpflege deutlich, dass der Kriegsalltag vor Ort und die Auswirkungen auf die einfache Bevölkerung noch viel Stoff für die (Heimat-)Forschung bietet.
Die politischen Hintergründe, die großen Schlachten und Heeresbewegungen seien eingehend untersucht, meinte Wolfgang Wüst, Geschichtsprofessor an der Uni Erlangen und Vorsitzender des Historischen Vereins für Schwaben. Deshalb wandte er sich in seinem Vortrag dem Besatzungsalltag in süddeutschen Reichsstädten zu. Der Memminger Stadtarchivar Christoph Engelhard stellte ein Projekt des dortigen Historischen Vereins vor, das die Zeit des Dreißigjährigen Krieges anhand von Einzelschicksalen darstellt. Damit solle auch ein Gegengewicht zur ausgeprägten Erinnerungskultur an das Sommerquartier 1630 des kaiserlichen Generals Wallenstein und seines Heeres in Memmingen gesetzt werden.
Denn die sich oft mehrfach abwechselnden Besatzungen und Einquartierungen von protestantischen und kaiserlich-katholischen Truppen in den Reichsstädten forderte nicht nur in Memmingen den Bewohnern große wirtschaftliche Opfer ab. Schließlich waren sie verpflichtet, die Soldaten zu versorgen, und mussten feindliche Truppen dafür bezahlen, dass sie nicht allzu sehr wüteten und brandschatzten. Dazu waren die rauen Kriegsgesellen nicht gerade dafür bekannt, Sitte und Anstand an ihren Einquartierungsorten zu fördern. Vor allem aber brachten sie, begünstigt durch Hunger und Not, Seuchen, insbesondere die Pest, mit sich.
Auch die vielen seit der Reformation im konfessionell bunt gemischten Schwaben schwelenden Konflikte brachen durch die Kriegshandlungen wieder offen hervor. Nicht nur durch verschärfte Propaganda, vor allem von den Kanzeln, sondern auch handgreiflich-grausam. So beteiligten sich Bewohner der evangelischen Reichsstadt Kempten eifrig, als die schwedischen Truppen die katholische Stiftsstadt plünderten und zerstörten, wie der örtliche Stadtarchivar Franz-Rasso Böck berichtete. Und auch die evangelische Bürgerschaft von Augsburg war tüchtig und geschäftstüchtig mit von der Partie, als es darum ging, mit den Schweden die benachbarten Landstädte des katholischen Kurfürstentums Bayern zu verheeren. Die Beute wurde dann auf großen Jahrmärkten in der Fuggerstadt verkauft.
Selbst die entlegensten Winkel der Region blieben nicht verschont. So unternahmen schwedische Truppen Beutezüge bis ins Ostrachtal und nach Oberstdorf. Entsprechende Berichte aus Chroniken, Tagebüchern und Sagensammlungen trug Wolfgang Kessler, Vorsitzender des Heimatdienstes Hindelang, vor. Diese Quellen seien zwar oft ebenfalls propagandistisch geprägt und deshalb nur mit Vorsicht zu verwenden, mahnten die akademischen Historiker. Doch vermittelten sie vielleicht noch mehr als die Berichte städtischer Beamter oder Chronisten, wie nachhaltig dieser Krieg auch den südwestlichen Teil des Reiches geprägt hat – weit über den Friedenschluss von 1648 hinaus. Denn die entvölkerten Dörfer Schwabens haben vielerorts zugewanderte Tiroler wieder zum Leben erweckt.