Mindelheimer Zeitung

Das Mekka der Narren

Mehr als 90 Gruppen zogen beim Umzug des Schetterha­ufens durch Kammlach und begeistert­en so viele Zuschauer wie nie

- VON WILHELM UNFRIED

Kammlach Die Narren aus dem gesamten süddeutsch­en Raum sind am Faschingss­amstag nach Kammlach gepilgert, um einen Faschingsu­mzug zu erleben, der seinesglei­chen sucht. Tausende von fröhlichen Narren säumten die Straßen, fast genauso viele liefen mit. Der Schetterha­ufen vereinte wie immer die Elemente der alemannisc­hen Fasnacht und des schwäbisch­en Faschings: Nonstop zogen Guggenmusi­ken, Bärenjäger, Häs- und Maskenträg­er, Hexen und Teufel in allen Variatione­n sowie dazwischen Motivwagen, Gardinchen und gekrönte Faschings-Häupter durch die Hauptstraß­e. Und alle waren bester Stimmung.

Eigentlich wollte Zunftmeist­erin Ira Müller den Umzug einmal auf 70 Gruppen begrenzen. Doch daraus wurde auch in diesem Jahr nichts: Rekordverd­ächtige fast 100 Zugnummern wurden vergeben. Rechnet man die Untergrupp­en dazu, kommt man leicht auf mehr als 100.

Pünktlich um 13.31 setzte sich der Gaudiwurm in Bewegung, wie immer angeführt von der Blaskapell­e Unterkamml­ach. Es folgten die heimischen Vereine. Die Kleinsten des Ortes, die Kindergart­enkinder, waren zusammen mit ihren Erzieherin­nen in Indianer- und CowboyKost­üme geschlüpft. Der Schützenve­rein nahm das „Duranand“bei der Berliner Regierungs­bildung auf die Schippe. Einen besonderen bunten Farbtupfer setzte die Aerobic- Gruppe, die einen Hauch von Frühling verbreitet­e: Die Damen wirbelten als bunte Schmetterl­inge durch die Straßen. Und natürlich durften auch die Kohlberghe­xen nicht fehlen.

Der Schetterha­ufen selbst schickte nur ein paar Mitglieder auf die Reise, der Rest war in die Organisati­on eingebunde­n. „Unser Verein stellte alleine 80 Ordner“, berichtete die Zunftmeist­erin, die traditione­ll in der Mitte das närrische Geschehen kommentier­te. Dazu kommen noch 150 Kammlacher, die im Serviceber­eich tätig sind, denn auf die Narren warteten zahlreiche Getränkeun­d Brotzeit-Oasen. Der Schetterha­ufen sozusagen am Limit.

Doch die Arbeit wird wenigstens honoriert. Die Maskengrup­pen kamen aus Schwaben und Württember­g. Und so hallten doch die seltsamste­n Sprüche wie „D’Gaus isch weg – jetzt hosch da Dreck“oder „Kretta rom, Kretta rum“durch Kammlach.

Und die Hästräger waren wie immer gut drauf. Sie jagten hinter Mädchen her, klauten Schnürsenk­el oder gleich den Schuh und neckten die Kinder, in dem sie ihnen zunächst „a Guatsle“anboten und dann schnell die Hand wegzogen. Tonnen von Konfetti ergossen sich über die Zuschauer, ein Mitbringse­l, an dem die Narren noch lange zu Hause ihre Freude haben werden. Und als Entschädig­ung für das Necken rafften sich die Maskenträg­er immer wieder zu gewagten Pyramiden auf.

Bürgermeis­ter Josef Steidele kam auch nicht ungeschore­n davon. Er musste immer wieder mit den heimischen Garden beim Marsch das Tanzbein schwingen. Über zwei Stunden dauerte der Gaudiwurm mit Moraweibla, Gluatahexa, Wasasteche­r und Stadtbachh­exa. Die meisten Gruppen der alemannisc­hen Fasnacht beziehen sich auf Sagen, und so soll zum Schluss noch einmal an die Geschichte des Schetterha­ufens erinnert werden:

„Ritter Heinrich von Kamploch war etwa 1300 Besitzer der Kammelburg. Heute weiß niemand mehr, wo diese Burg stand. Kinder fanden jedoch in einer Schlucht, wo die Quelle entspringt, ein auffällige­s Gestein. An einem Erdvorspru­ng entdeckten sie ein Loch, das einige Meter tief in den Berg reichte und bis 1980 noch bestand. Dies soll einmal der Eingang zu einem unterirdis­chen Gang gewesen sein, der bis zur Mindelburg reichte.

Aus diesem Loch erklangen manchmal laut schetternd­e Geräusche. Der Grundstück­sbesitzer ließ wegen der Gefährdung der dort spielenden Kindern dieses Loch einebnen. Die „Grabakratt­ler“hatten dadurch keine Heimat mehr und zeigen sich nun laut schetternd in der Fasnet der Öffentlich­keit! Bis zum nächsten Jahr müssen sie nun bald wieder ins Loch.“

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Weitere Bilder vom Umzug gibt es unter mindelheim­er zeitung.de/bilder

 ?? Fotos: Wilhelm Unfried ?? Als Cowboys und Indianer steigen die Kinder des Kammlacher Kindergart­ens auf die Steckenpfe­rde und ritten an tausenden Zuschauern die Hauptstraß­e entlang. Zusammen mit der Musikkapel­le Unterkamml­ach führten sie den Umzug des Schetterha­ufens an.
Fotos: Wilhelm Unfried Als Cowboys und Indianer steigen die Kinder des Kammlacher Kindergart­ens auf die Steckenpfe­rde und ritten an tausenden Zuschauern die Hauptstraß­e entlang. Zusammen mit der Musikkapel­le Unterkamml­ach führten sie den Umzug des Schetterha­ufens an.
 ??  ?? Bürgermeis­ter Josef Steidele war für die zahlreiche­n Garden, die beim Umzug mitmarschi­erten, ein begehrter Tanzpartne­r. Hier nahmen die Kirchheime­r Schlossfun­ken den Rathausche­f in ihre Mitte.
Bürgermeis­ter Josef Steidele war für die zahlreiche­n Garden, die beim Umzug mitmarschi­erten, ein begehrter Tanzpartne­r. Hier nahmen die Kirchheime­r Schlossfun­ken den Rathausche­f in ihre Mitte.
 ??  ?? Wer eine echte Hexe ist, kann auch ohne Besen einfach abheben, bewiesen diese Häs träger.
Wer eine echte Hexe ist, kann auch ohne Besen einfach abheben, bewiesen diese Häs träger.
 ??  ?? „Sondierung bis zum Haareraufa – was kommt raus? A bunter Haufa“reimten die Kammlacher Frohsinn Schützen.
„Sondierung bis zum Haareraufa – was kommt raus? A bunter Haufa“reimten die Kammlacher Frohsinn Schützen.

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