Alle lieben Chester
Der Schulhund hilft Dorothee Vennemann bei ihrer Arbeit mit den Klassen. Das hat viele pädagogische Vorteile
Buchloe Wenn Chester durch die Gänge der Comenius-Grundschule schlendert, halten die Kinder inne. „Hallo, Chester“, heißt es dann, die Schritte der Kleinen werden langsamer und der Geräuschpegel senkt sich. Denn die Schulkinder wissen genau: Lärm mag der Vierbeiner nicht, genauso wenig wie angerempelt oder beim Vorbeigehen einfach gestreichelt zu werden.
Über Chester lernen die Schüler, sich in andere hineinzufühlen. „Du magst es nicht, über den Kopf gestreichelt oder erschrocken zu werden, der Hund mag es auch nicht“, erklärt Schulsozialarbeiterin Dorothee Vennemann. Seit vergangenen Februar nimmt die 47-Jährige ihren kleinen Begleiter nun regelmäßig zweimal die Woche mit in die Comenius-Grundschule. Sie selbst ist seit sechs Jahren an den beiden Buchloer Grundschulen tätig. „Die Schulsozialarbeit wurde hier damals aus der Wiege gehoben“, erklärt sie, und zwar vom Landkreis Ostallgäu und verschiedenen Trägern wie dem Kreisjugendring.
„In erster Linie war Chester eigentlich ein Familienhund“, erinnert sich Vennemann. Doch schon bevor er zum Schulhund wurde, durfte er als Besucher öfter mit. Nach und nach entstand dann die Idee, Chester in die Arbeit mit den Klassen einzubinden.
Von der Schulleitung und vom Lehrerkollegium habe sie damals sehr viel Unterstützung erhalten. Und Chester hatte sich schon früh als „ruhiger und friedlicher Geselle“hervorgetan. Es folgten eine Begleithundeprüfung, intensive Beschäftigung mit der tiergestützten Pädagogik, Austausch mit den „Helfern auf vier Pfoten“und schließlich eine Fortbildung für Schulhundeteams.
Gleichzeitig musste sich Chester erst mal an den „Jubel und Trubel“zwischen den vielen Kindern gewöhnen. Nach den Sommerferien vor zwei Jahren fühlte sich der heute dreijährige Rüde dann aber schon pudelwohl in der Schule. „Es ist immer ein Weiterlernen und es gibt immer wieder neue Herausforderung“, betont Vennemann dennoch. So verteidigte Chester am Anfang noch lautstark das Büro der Sozialarbeiterin und als das erste Mal ein Kind mit Krücken zur Schule kam, staunte er nicht schlecht.
Wenn Chester ein Klassenzimmer betritt, fühlen sich die Kleinen gleich wohler, einfach weil er in der Nähe ist. „Der wichtigste Punkt ist, dass er da ist“, betont die Schulsozialarbeiterin. Daher begrüßen die beiden am Morgen alle Kinder und machen über den Tag verteilt mehrere Touren durch das Schulhaus. Auch die Flüchtlingskinder, die zu Beginn sehr zurückhaltend waren, konnten sich gegenüber dem Vierbeiner leichter öffnen. „Sie haben sich immer wahnsinnig gefreut, wenn der Hund kam.“
Gleichzeitig bringen die beiden den Schülern alles bei, was sich rund um das Thema Bissprävention dreht. „Ziel ist es, die Kinder zu schützen, indem sie lernen: Wie gehe ich mit einem Hund um?“, erläutert Vennemann. Dazu gehört, nicht wegzurennen, wenn ein Hund auf einen zuläuft.
Sonst denkt der Vierbeiner, es handelt sich um ein Spiel und jagt hinterher. „Mach dich langweilig wie ein Baum“, sagt Vennemann und die Kinder machen es ihr gleich nach: still stehen bleiben, Arme locker runterhängen lassen und Handflächen öffnen. Wer hingefallen ist, sollte hingegen auf den Igel zurückgreifen: Knie anziehen, das Gesicht schützen und die Hände in den Nacken legen.
Doch vor Chester hat kaum einer Angst. Selbst jene Kinder nicht, die sich eigentlich vor Hunden fürchten. „Es macht immer ganz viel Spaß, wenn Chester kommt, weil er so ein lieber Hund ist“, findet Marie (8). Während ihre Mitschüler aus der 2b begeistert von seinen Kunststücken erzählen. „Ich finde, dass er ein Hund ist, der ganz viel lernt“, sagt Julian (8). Und Michael (8) fügt hinzu: „Chester ist auch so nett, weil er sogar eine Rolle kann.“Die zeigt er auch gleich – und die Schüler klatschen begeistert.
Nach der Schulstunde muss sich Chester dann erst mal ausruhen. Also zurück ins Büro, vorbei am Hausmeisterzimmer. Als da die Tür aufgeht, dreht sich der Hund aber sofort neugierig um.
Denn direkt gegenüber seines Domizils wohnt ein anderer vierbeiniger Schulbesucher: die Katze des Hausmeisters. Doch bisher verläuft das Zusammenleben friedlich.