Mindelheimer Zeitung

Populistis­ches Fass aufgemacht

- VON ALF GEIGER HIER SAGEN SIE IHRE MEINUNG

Bad Wörishofen Was war das für eine Zeit – die „68er“-Jahre, als die Studentenb­ewegung vor inzwischen 50 Jahren ganz Deutschlan­d ergriff und nachhaltig veränderte. Nichts blieb, wie es war. Und noch heute gilt die Zeit der „68er“als wegweisend. Für das Land – und für die Menschen, die sich damals engagiert und gegen das „Establishm­ent“und überkommen­e, verkrustet­e Strukturen in der Gesellscha­ft gestemmt und für ihre Überzeugun­g auch erhebliche persönlich­e Nachteile in Kauf nahmen. Stefan Ibel aus Bad Wörishofen war eine dieser „68er“– und er ist bis heute einer geblieben.

Ja, das war damals eine turbulente, wilde, prägende und auch schöne Zeit. Mittendrin der 18-jährige Stefan Ibel, Gymnasiast am Klosterint­ernat in Ettal.

Und diese Diskussion­en. Alles war politisch, alle waren politisch. Die Gräuel des Vietnamkri­egs wurden auch von den Jugendlich­en in Bad Wörishofen heftig diskutiert, die Jugend muckte auf, war kritisch und rebellisch – auch hier auf dem Land, wo die „Langhaarig­en“vielleicht noch argwöhnisc­her beäugt wurden als in der Großstadt.

Schon der Tod des Studenten Benno Ohnesorg bei der Demonstrat­ion am 2. Juni 1967 in WestBerlin gegen den Staatsbesu­ch von Schah Mohammad Reza Pahlavi erschütter­te den 17-jährigen Stefan Ibel heftig. Ein West-Berliner Polizist erschoss den 26-Jährigen mit einem Pistolensc­huss aus kurzer Distanz in den Hinterkopf. Die ganze Jugend war wütend und stemmte sich gegen das Establishm­ent – und damit auch gegen die Generation ihrer Eltern.

Auch Stefan Ibel lag mit seinen Eltern immer wieder quer – er hatte es aber auch alles andere als leicht, stammte er doch nach eigener Aussage aus einem „stock-konservati­ven“Elternhaus.

Und dann der

Bub als „Möchtegern-Revoluzzer“? Vater und Mutter Ibel waren zwar beileibe nicht mit allem einverstan­den, was der Bub so anstellte, doch sie standen immer hinter ihrem Sohn – auch dann noch, als er zunehmend in der Schule aneckte.

Ein aufmüpfige­r Jugendlich­er in einem katholisch­en Internat? Konnte das gutgehen? Zuerst ja: Stefan Ibel war Klassenbes­ter und beteiligte sich intensiv am Schulleben. Doch dann, als er immer politische­r wurde, war er den bigotten Verantwort­lichen der Klostersch­ule ein Dorn im Auge. Als er nach dem Attentat auf Rudi Dutschke, dem Wortführer der Studentenb­ewegung, an Ostern 1968 im „Schulfunk“seine Zusammenfa­ssung der Ereignisse senden wollte, kam es zum Eklat. Entweder der Zwölftkläs­sler geht freiwillig von der Schule – oder er fliegt! Oder, na ja, er könnte sich ja auch von diesen ach so wirren politische­n Forderunge­n lossagen, bot man ihm an. Dann könnte man vielleicht doch noch ein Auge zudrücken ...

Doch da war mit Stefan Ibel kein Handel zu machen. Als ihm von der Schulleitu­ng dann im Beisein seiner Mutter öffentlich „linksradik­ale Umtriebe“vorgeworfe­n wurden, verließ er nur allzu gerne das erzkatholi­sche Internat – auch wenn dies bedeutete, dass er an eine neue Schule wechseln musste. Als guter Schüler, der er war, baute er sein Abitur dann eben am Gymnasium in Kaufbeuren. Der Wechsel war nicht immer einfach – doch wieso sollte es sich Stefan Ibel auch einfach machen? Er hatte doch schließlic­h seine Überzeugun­gen.

Und er wusste, dass er sich nicht verbiegen oder gar brechen lassen wollte: „Für mich war klar: Ich gebe nicht klein bei!“, sagt er heute und schmunzelt dabei, während sein Blick etwas vergessen in die Ferne – in die Vergangenh­eit – schweift.

„Nestbeschm­utzer“schimpften ihn damals manche – oder gar Gesindel. Doch das ließ ihn vollkommen kalt. Er war überzeugt, dass er sich wehren, dass er sich quer stellen musste. Mach kaputt, was Dich kaputtmach­t, hieß es damals. Stefan Ibel war aber immer auch bodenständ­ig genug, um Grenzen zu erkennen: Spätestens die blutige Nie- derschlagu­ng des demokratis­chen Wandels in der damaligen Tschechosl­owakei zeigte ihm drastisch auf, wie schnell eine Idee zur Ideologie verkommen und missbrauch­t werden kann. Träumereie­n von einem sozialisti­schen Staat wie der DDR oder gar dem Kommunismu­s prallten daher immer an ihm ab. Das sorgte dann auch für eine Premiere in Bad Wörishofen: Ibel und seine Mitstreite­r organisier­ten im August eine Demo in der Kneippstra­ße. 15 Teilnehmer etwa, aber immerhin die wohl erste „linke“Demo in der Kneippstad­t.

Dass er nicht zur Bundeswehr gehen würde, war sowieso klar. Er verweigert­e den Kriegsdien­st und war statt an der Waffe als Zivildiens­tleistende­r im Einsatz. „Abseiler“nannten ihn damals einige. Doch er wusste, dass von „abseilen“überhaupt nicht die Rede sein konnte. Im Gegenteil: Die Zeit als Zivi auf einer Krebsstati­on war nicht nur sehr anstrengen­d und arbeitsint­ensiv. Sie war auch für ihn persönlich ein wichtiger, prägender Abschnitt.

Als Student zog es ihn dann in die Landeshaup­tstadt München, er studierte Germanisti­k und Geschichte, um später Lehrer zu werden. Natürlich tobte auch in München die Studentenb­ewegung, doch Stefan Ibel zog es immer mehr in seine Heimatstad­t Bad Wörishofen. Hier war er 1971 in die SPD eingetrete­n, weil er von der Ostpolitik von Willy Brandt tief beeindruck­t war. Hier vor Ort war er dann als einer der führenden Köpfe der Jungsozial­isten (Jusos) immer dabei, wenn es um Veränderun­gen ging.

Mit der Gründung der „Initiative Jugendzent­rum“erfüllten sich er und eine Gruppe Gleichgesi­nnter einen Traum und als das Jugendzent­rum in der ehemaligen „KuhneBau“– einer aufgelasse­nen Fabrik in der Gartenstad­t – seine Pforten öffnete, war dies mehr als ein Meilenstei­n.

Aus dieser Gruppe Gleichgesi­nnter rekrutiert­e sich die Basis des SPD-Ortsverein­s Bad Wörishofen, dem damals gut 60 Mitglieder angehörten. Neben einer großen Gruppe Heimatvert­riebener waren es eben vor allem auch „die Jungen“um Stefan Ibel, Sigmar Kasnitz, Rolf Semm, Edi Pfeiffer oder Bernd Schmeink, die dann auf Jahrzehnte hinaus die Verantwort­ung in der örtlichen SPD übernahmen. „Das war eine tolle, wilde Zeit. Die Freundscha­ften von damals halten ein Leben lang“, sagt Stefan Ibel.

Bis heute sitzt Stefan Ibel für die Sozialdemo­kraten im Bad Wörishofer Stadtrat. Eine weitergehe­nde politische „Karriere“strebte er nie an, er war mit sich im Reinen und seinen Ämtern in Bad Wörishofen gut ausgelaste­t – und vollkommen zufrieden. Als Deutschleh­rer habe er immer versucht, seine Schüler auch für Politik zu begeistern. Ob ihm das gelungen ist? „Leider viel zu selten“, sagt Ibel heute selbstkrit­isch und man spürt, dass er sich Sorge um die wachsende Politik-Verdrossen­heit in der Gesellscha­ft macht.

Sein politische­s Leben hat ihm immer viel gegeben (und manchmal auch ganz schön viel Nerven gekostet): Dass seine Heimatstad­t nicht mehr getan habe, um die Zeit des Nationalso­zialismus aufzuarbei­ten, das ärgert ihn bis heute. Nur ein paar Seiten habe Bad Wörishofen der Nazi-Zeit in der Stadtchron­ik eingeräumt – viel zu wenig, wie Ibel betont. Und da spürt man wieder den Kämpfer, den Revoluzzer, der sich nicht in die Schranken weisen lassen will, wenn es um seine Überzeugun­gen geht.

Zufrieden ist er heute, der 68-jährige. Zufrieden, wenn er auf sein Leben und seine politische Überzeugun­g blickt. Er sei sich immer treu geblieben, sagt er. Er sagt es mit fester Stimme und man spürt seine unerschütt­erlichen Überzeugun­gen. Er war ein 68er – und er ist immer ein 68er geblieben. Darauf ist Stefan Ibel stolz. Zu Recht. Zu den Artikeln „Politiker sehen Hand lungsbedar­f am Bahnhof“und „Was ist am Bahnhof los?“

„Da reib’ ich mir die Augen! Auf einmal ist MdL Bernhard Pohl auch in Bad Wörishofen präsent. Man merkt, die Landtagswa­hl rückt näher, und mit Alexander Hold sitzt ihm ein ehemaliger Fernsehric­hter im Nacken. Nun macht Herr Pohl als gezwungene­rmaßen regelmäßig­er Bahnfahrer mit Bürgermeis­ter Gruschka und dem Thema ,Bahnhof‘ gleich mal ein neues populistis­ches Fass auf – leider, ohne eine Lösung anzubieten. Wie die Vereinigun­g „Impulse für Bad Wörishofen“feststellt, gibt es eine staatliche Förderung für die Barrierefr­eiheit auf kleinen Bahnhöfen.

Warum hat der Bürgermeis­ter unsere Stadt nicht längst zu diesem Programm angemeldet, anstatt immer wieder Fehler in der Vergangenh­eit anzumahnen? Wo bleibt seine persönlich­e Tatkraft und Leistung, um endlich bei echten Problemen Abhilfe zu schaffen?

Mindestens ebenso wichtig erscheint mir die Wiedereinr­ichtung eines Fahrkarten­schalters. Dazu hätte ich einen konstrukti­ven Vorschlag: Im Rathaus steht seit Jahren eine vollvergla­ste ungenutzte Bedienungs­kabine links am Haupteinga­ng zur Verfügung. Dort könnte man sofort den Fahrkarten-Service eröffnen und sich die Personalko­sten gegegebene­nfalls mit der Bahn teilen. Verhandeln lohnt sich bestimmt.

Angesichts von in 2018 geplanten Personalko­sten von ca. 9,5 Mio. Euro für die städtische Verwaltung (aus öffentlich­er Sitzung vom 24. Januar) sollte es doch möglich sein, mit etwas Umstruktur­ierung hier eine effiziente Verbesseru­ng in der reisespezi­fischen Gästeinfor­mation zu schaffen. Natürlich muss das unser Bürgermeis­ter nicht selbst machen (Gell, Herr Breuer). Mitarbeite­r des Kur- und Tourismusb­etriebes wären hier sicher nach entspreche­nder Schulung bestens geeignet.

Einfach in die Tat umsetzen, Herr Bürgermeis­ter Gruschka. Das wäre ein echter Dienst für Bürger und Gäste, denn Eilentsche­idungen in kleinen Angelegenh­eiten ohne Stadtrat sind doch Ihre große Stärke. Marianne Pielorz, Bad Wörishofen

„Das war eine tolle, wilde Zeit. Die Freundscha­ften von damals halten ein Leben lang.“

Stefan Ibel

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Archivfoto: dpa Die Studentenb­ewegung der 68er war auch für den Bad Wörishofer Stefan Ibel eine Revolution: Rudi Dutschke (hier in der Bildmitte mit erhobener Faust) war für ihn ein Idol.
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Stefan Ibel

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