Barrierefreiheit ist nicht in Sicht
Nahverkehr Was die Bahn zu den Forderungen von Bürgermeister Gruschka und dem Abgeordneten Pohl sagt
Bad Wörishofen Mehr Sauberkeit, Barrierefreiheit, ein Ticketschalter – und sogar Kurswagen: Bürgermeister Paul Gruschka und der Landtagsabgeordnete Bernhard Pohl (beide Freie Wähler) haben umfangreiche Forderungen für den Bad Wörishofer Bahnhof aufgestellt – und damit auch Kritik geerntet. Kurswagen etwa seien ja gar nicht machbar, es fehle ein zweites Gleis, hieß es beispielsweise seitens der Vereinigung Impulse für Bad Wörishofen. Was ist also machbar? Und wer ist überhaupt zuständig? Nach einer Woche hat die Bahn entsprechende Fragen unserer Zeitung beantwortet.
Ein barrierefreier Ausbau in Bad Wörishofen ist demnach „auf Grund der sogenannten 1000er Grenze aktuell nicht vorgesehen“, teilt eine Bahnsprecherin mit. Hintergrund: Bei einem Fahrgastaufkommen von unter 1000 so genannten „Ein- und Aussteigern“pro Tag fehlt nach Auffassung der Bahn „die Grundlage zur Finanzierung einer barrierefreien Erschließung über Mittel des Bundes“. Als DB Netz AG sei man auf die Finanzierung durch Bund und Länder angewiesen. Die barrierefreie Erschließung von Bahnhöfen unterhalb dieser 1000er Grenze sei nur möglich, wenn Bund, Länder, Kommunen oder weitere Fördergeber die Finanzierung sichern.
Auch im„ Zukunftsinvestit ions programm“(ZIP),w elches der Bund 2015 zum barrierefreien Ausbau von Bahnhöfen mit weniger als 1000 Reisenden täglich aufgelegt hat, konnte Bad Wörishofen „leider nicht berücksichtigt werden “. Aufgrund derge forderten„ kurzen Reali sie rungszeitenwur den nur Bahnhöfe in das Programm aufgenommen, für die bereits Planungen vorlagen “, teilt die Bahn mit.
Barrierefreiheit ist also nicht in Sicht. Dazu kommt, dass die Bahn Bad Wörishofen bald mit Zügen des Typs 612 anfahren will. Das Modell 612 lässt an Bahnsteigen mit 55 Zentimetern Kantenhöhe allerdings keinen höhengleichen Zustieg in die Waggons mehr zu. Rollstuhlfahrer, aber auch Familien mit Kinderwagen, müssen dazu künftig einen Hublift nutzen. Zum Fahrplanwechsel im Dezember sollen die neuen Züge kommen. Derzeit werden sie mit Liften ausgerüstet.
Die Sauberkeit ist ein weiteres Thema. Der Bahnhof von Bad Wörishofen werde dreimal pro Woche gereinigt. „In den Sommermonaten ist auch eine Nassreinigung mit inbegriffen“, teilt die Bahn mit. Das Empfangsgebäude wurde 2010 an eine Privatperson verkauft. „Der Bahnsteig ist aber weiterhin im Eigentum der DB und wird durch die Bahn betrieben“, heißt es weiter.
Was den Vorstoß von Bernhard Pohl in Sachen Kurswagen angeht, teilt die Bahn mit, dass es keine Pläne gebe, Bad Wörishofen mit Kurswagen anzubinden. „Reisende von und nach Bad Wörishofen haben gute Umsteigeverbindungen via Buchloe/Augsburg aus dem Ruhrgebiet und Hamburg“, findet man bei der Bahn. Dies waren die Zielgebiete, die Pohl im Auge hatte. Theoretisch wäre aber eine Anbindung der Kneippstadt mit Kurswagen möglich, heißt es bei der Bahn, auch ohne zweites Gleis. Wirklich praktikabel oder gar rentabel sei das aber nicht. In einer weiteren Stellungnahme der Bahn, die unserer Zeitung vorliegt, heißt es, aus Richtung Hamburg gebe es einen IC, der über Augsburg hinaus nach Buchloe und weiter nach Oberstdorf fährt. Hier könnte man theoretisch einen weiteren Wagen anhängen, was aber wirtschaftlich, betrieblich und zeitlich nicht akzeptabel sei.
Der IC aus Hamburg werde bereits in Augsburg geteilt. Ein Teil fährt nach Berchtesgaden, ein Teil nach Oberstdorf. Der Rangieraufwand in Augsburg sei hoch. „Nun müsste auch in Buchloe ein Wagen abgekoppelt werden. Um den Wagen auf die Stichstrecke nach Wörishofen zu bringen, braucht es vorne und hinten eine Diesellok.“Bei der Bahn schätzt man, dass die Reisenden durch diese Rangieraktion bis zu einer Stunde länger unterwegs sind.
Der Zugteil nach Oberstdorf verliere dadurch ebenfalls an Zeit. „Das macht die Reisekette komplett unattraktiv“lautet die Bewertung.
DB Regio nutze zudem Dieseltriebwagen, an die man keine Wagen ankoppeln kann.
Zunächst einmal soll in Bad Wörishofen wieder ein Ticketschalter entstehen. Nachdem sich kein privater Betreiber mehr fand, wird jetzt ein sogenanntes Video-Reisezentrum in Betracht gezogen. Dabei nehmen Reisende via Bildschirmen und Mikrofonen im Bahnhof Kontakt zu Bahnmitarbeitern auf. Bürgermeister Gruschka wird dazu das Video-Reisezentrum in Immenstadt besichtigen.