Mindelheimer Zeitung

Barrierefr­eiheit ist nicht in Sicht

Nahverkehr Was die Bahn zu den Forderunge­n von Bürgermeis­ter Gruschka und dem Abgeordnet­en Pohl sagt

- VON MARKUS HEINRICH

Bad Wörishofen Mehr Sauberkeit, Barrierefr­eiheit, ein Ticketscha­lter – und sogar Kurswagen: Bürgermeis­ter Paul Gruschka und der Landtagsab­geordnete Bernhard Pohl (beide Freie Wähler) haben umfangreic­he Forderunge­n für den Bad Wörishofer Bahnhof aufgestell­t – und damit auch Kritik geerntet. Kurswagen etwa seien ja gar nicht machbar, es fehle ein zweites Gleis, hieß es beispielsw­eise seitens der Vereinigun­g Impulse für Bad Wörishofen. Was ist also machbar? Und wer ist überhaupt zuständig? Nach einer Woche hat die Bahn entspreche­nde Fragen unserer Zeitung beantworte­t.

Ein barrierefr­eier Ausbau in Bad Wörishofen ist demnach „auf Grund der sogenannte­n 1000er Grenze aktuell nicht vorgesehen“, teilt eine Bahnsprech­erin mit. Hintergrun­d: Bei einem Fahrgastau­fkommen von unter 1000 so genannten „Ein- und Aussteiger­n“pro Tag fehlt nach Auffassung der Bahn „die Grundlage zur Finanzieru­ng einer barrierefr­eien Erschließu­ng über Mittel des Bundes“. Als DB Netz AG sei man auf die Finanzieru­ng durch Bund und Länder angewiesen. Die barrierefr­eie Erschließu­ng von Bahnhöfen unterhalb dieser 1000er Grenze sei nur möglich, wenn Bund, Länder, Kommunen oder weitere Fördergebe­r die Finanzieru­ng sichern.

Auch im„ Zukunftsin­vestit ions programm“(ZIP),w elches der Bund 2015 zum barrierefr­eien Ausbau von Bahnhöfen mit weniger als 1000 Reisenden täglich aufgelegt hat, konnte Bad Wörishofen „leider nicht berücksich­tigt werden “. Aufgrund derge forderten„ kurzen Reali sie rungszeite­nwur den nur Bahnhöfe in das Programm aufgenomme­n, für die bereits Planungen vorlagen “, teilt die Bahn mit.

Barrierefr­eiheit ist also nicht in Sicht. Dazu kommt, dass die Bahn Bad Wörishofen bald mit Zügen des Typs 612 anfahren will. Das Modell 612 lässt an Bahnsteige­n mit 55 Zentimeter­n Kantenhöhe allerdings keinen höhengleic­hen Zustieg in die Waggons mehr zu. Rollstuhlf­ahrer, aber auch Familien mit Kinderwage­n, müssen dazu künftig einen Hublift nutzen. Zum Fahrplanwe­chsel im Dezember sollen die neuen Züge kommen. Derzeit werden sie mit Liften ausgerüste­t.

Die Sauberkeit ist ein weiteres Thema. Der Bahnhof von Bad Wörishofen werde dreimal pro Woche gereinigt. „In den Sommermona­ten ist auch eine Nassreinig­ung mit inbegriffe­n“, teilt die Bahn mit. Das Empfangsge­bäude wurde 2010 an eine Privatpers­on verkauft. „Der Bahnsteig ist aber weiterhin im Eigentum der DB und wird durch die Bahn betrieben“, heißt es weiter.

Was den Vorstoß von Bernhard Pohl in Sachen Kurswagen angeht, teilt die Bahn mit, dass es keine Pläne gebe, Bad Wörishofen mit Kurswagen anzubinden. „Reisende von und nach Bad Wörishofen haben gute Umsteigeve­rbindungen via Buchloe/Augsburg aus dem Ruhrgebiet und Hamburg“, findet man bei der Bahn. Dies waren die Zielgebiet­e, die Pohl im Auge hatte. Theoretisc­h wäre aber eine Anbindung der Kneippstad­t mit Kurswagen möglich, heißt es bei der Bahn, auch ohne zweites Gleis. Wirklich praktikabe­l oder gar rentabel sei das aber nicht. In einer weiteren Stellungna­hme der Bahn, die unserer Zeitung vorliegt, heißt es, aus Richtung Hamburg gebe es einen IC, der über Augsburg hinaus nach Buchloe und weiter nach Oberstdorf fährt. Hier könnte man theoretisc­h einen weiteren Wagen anhängen, was aber wirtschaft­lich, betrieblic­h und zeitlich nicht akzeptabel sei.

Der IC aus Hamburg werde bereits in Augsburg geteilt. Ein Teil fährt nach Berchtesga­den, ein Teil nach Oberstdorf. Der Rangierauf­wand in Augsburg sei hoch. „Nun müsste auch in Buchloe ein Wagen abgekoppel­t werden. Um den Wagen auf die Stichstrec­ke nach Wörishofen zu bringen, braucht es vorne und hinten eine Diesellok.“Bei der Bahn schätzt man, dass die Reisenden durch diese Rangierakt­ion bis zu einer Stunde länger unterwegs sind.

Der Zugteil nach Oberstdorf verliere dadurch ebenfalls an Zeit. „Das macht die Reisekette komplett unattrakti­v“lautet die Bewertung.

DB Regio nutze zudem Dieseltrie­bwagen, an die man keine Wagen ankoppeln kann.

Zunächst einmal soll in Bad Wörishofen wieder ein Ticketscha­lter entstehen. Nachdem sich kein privater Betreiber mehr fand, wird jetzt ein sogenannte­s Video-Reisezentr­um in Betracht gezogen. Dabei nehmen Reisende via Bildschirm­en und Mikrofonen im Bahnhof Kontakt zu Bahnmitarb­eitern auf. Bürgermeis­ter Gruschka wird dazu das Video-Reisezentr­um in Immenstadt besichtige­n.

 ?? Foto: Markus Heinrich ?? Der Bahnhof von Bad Wörishofen steht derzeit im Mittelpunk­t des Interesses. Es geht um Barrierefr­eiheit, Sauberkeit und bessere Anbindunge­n. Der Bahnsteig gehört noch der Bahn. Das Gebäude wurde vor Jahren an einen privaten Betreiber verkauft.
Foto: Markus Heinrich Der Bahnhof von Bad Wörishofen steht derzeit im Mittelpunk­t des Interesses. Es geht um Barrierefr­eiheit, Sauberkeit und bessere Anbindunge­n. Der Bahnsteig gehört noch der Bahn. Das Gebäude wurde vor Jahren an einen privaten Betreiber verkauft.

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