Merkel geht auf ihre schärfsten Kritiker zu
Wolfgang Bosbach lobt die Beförderung von Jens Spahn zum Minister. Er ist nicht die einzige Überraschung im neuen Kabinett
Augsburg Angela Merkel hat die CDU-Minister für die Große Koalition präsentiert – und damit sogar die eigene Partei überrascht. Die Kanzlerin geht nicht nur auf ihre internen Gegner zu. Sie macht mit der nordrhein-westfälischen Abgeordneten Anja Karliczek auch eine bundesweit bislang völlig unbekannte Abgeordnete zur Bildungsministerin. Die spannendste Personalentscheidung bleibt trotzdem eine andere: Seit Wochen hatte der konservative Flügel der Union Druck auf die CDU-Chefin gemacht und dabei immer wieder den Namen eines Mannes genannt, der nicht gerade zu den Verbündeten der Kanzlerin zählt: Jens Spahn. Für die einen ist der 37-Jährige ein Hoffnungsträger, für andere ein Hardliner mit Hang zum Populismus. Gestern hat Merkel die Frage, ob sie über ihren Schatten springen kann und einen ihrer schärfsten Kritiker ins Kabinett holt, beantwortet: Spahn soll Gesundheitsminister werden.
„Mit diesem Team kann man jetzt auch die Aufgaben der Zukunft angehen“, sagte die Kanzlerin am Abend. Konservative Unions-Leute wie Wolfgang Bosbach sind zufrieden: „Angela Merkel berücksichtigt damit, dass die CDU eben drei Wurzeln hat – eine christlich-soziale, eine liberale und auch eine wertkonservative“, sagt der langjährige Innenpolitiker im Gespräch mit unserer Zeitung. Er hofft, dass die Partei mit neuen Köpfen wie Spahn ihr ursprüngliches Profil wieder schärft. „Wir haben bei der Bundestagswahl fast zwei Millionen Wähler an FDP und AfD verloren. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass das eher konservativ eingestellte Publikum fast automatisch die Union wählt“, warnt Bosbach.
Ähnlich hat sich auch Spahn immer wieder geäußert und damit den innerparteilichen Aufstand gegen die angeschlagene Chefin angeführt. Dass er sich als Minister der Kabinettsdisziplin unterordnen wird, glaubt Bosbach nicht: „Jens Spahn wird sich auch künftig nicht nur zu Gesundheitsthemen äußern. Er wird seinen Kurs ganz sicher nicht mit Rücksicht auf sein Amt korrigieren. Denn dann käme ja sofort – und nicht zu Unrecht – der Verdacht auf, dass dieses Amt ihn in seinen politischen Überzeugungen beeinflusst.“
Bosbach fordert ein Ende der Personaldiskussionen in der CDU. „Es wird höchste Zeit, dass wir die schlichten Debatten der letzten Wochen beenden. Wenn jede Differenz nur noch reduziert wird auf linke oder rechte Positionen beziehungsweise
„Spahn wird seinen Kurs ganz sicher nicht korrigieren.“Wolfgang Bosbach
für oder gegen Merkel, dann muss ich ganz ehrlich sagen: Ich kann das nicht mehr hören“, sagt der 65-Jährige.
Am Kabinettstisch werden im Übrigen auch in Zukunft Vertraute der Kanzlerin sitzen: Kommt es zu einer Großen Koalition, wird der langjährige Kanzleramtschef Peter Altmaier Wirtschaftsminister. Ursula von der Leyen kümmert sich weiterhin um die Verteidigung und Julia Klöckner steigt zur Landwirtschaftsministerin auf. Den Posten der CDU-Generalsekretärin übernimmt ebenfalls eine Politikerin, mit der die Chefin gut kann: Heute stellt sich Annegret Kramp-Karrenbauer auf dem Parteitag zur Wahl.
Im Kommentar bewertet Bernhard Junginger das CDU-Personal und in der Politik porträtiert Rudi Wais den Hoffnungsträger der Konservativen. Nur ob die SPD da mitspielt? Michael Böhm hat sich an der Basis umgehört und berichtet auf der Dritten Seite.