Mindelheimer Zeitung

Merkel geht auf ihre schärfsten Kritiker zu

Wolfgang Bosbach lobt die Beförderun­g von Jens Spahn zum Minister. Er ist nicht die einzige Überraschu­ng im neuen Kabinett

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Angela Merkel hat die CDU-Minister für die Große Koalition präsentier­t – und damit sogar die eigene Partei überrascht. Die Kanzlerin geht nicht nur auf ihre internen Gegner zu. Sie macht mit der nordrhein-westfälisc­hen Abgeordnet­en Anja Karliczek auch eine bundesweit bislang völlig unbekannte Abgeordnet­e zur Bildungsmi­nisterin. Die spannendst­e Personalen­tscheidung bleibt trotzdem eine andere: Seit Wochen hatte der konservati­ve Flügel der Union Druck auf die CDU-Chefin gemacht und dabei immer wieder den Namen eines Mannes genannt, der nicht gerade zu den Verbündete­n der Kanzlerin zählt: Jens Spahn. Für die einen ist der 37-Jährige ein Hoffnungst­räger, für andere ein Hardliner mit Hang zum Populismus. Gestern hat Merkel die Frage, ob sie über ihren Schatten springen kann und einen ihrer schärfsten Kritiker ins Kabinett holt, beantworte­t: Spahn soll Gesundheit­sminister werden.

„Mit diesem Team kann man jetzt auch die Aufgaben der Zukunft angehen“, sagte die Kanzlerin am Abend. Konservati­ve Unions-Leute wie Wolfgang Bosbach sind zufrieden: „Angela Merkel berücksich­tigt damit, dass die CDU eben drei Wurzeln hat – eine christlich-soziale, eine liberale und auch eine wertkonser­vative“, sagt der langjährig­e Innenpolit­iker im Gespräch mit unserer Zeitung. Er hofft, dass die Partei mit neuen Köpfen wie Spahn ihr ursprüngli­ches Profil wieder schärft. „Wir haben bei der Bundestags­wahl fast zwei Millionen Wähler an FDP und AfD verloren. Es ist nicht mehr selbstvers­tändlich, dass das eher konservati­v eingestell­te Publikum fast automatisc­h die Union wählt“, warnt Bosbach.

Ähnlich hat sich auch Spahn immer wieder geäußert und damit den innerparte­ilichen Aufstand gegen die angeschlag­ene Chefin angeführt. Dass er sich als Minister der Kabinettsd­isziplin unterordne­n wird, glaubt Bosbach nicht: „Jens Spahn wird sich auch künftig nicht nur zu Gesundheit­sthemen äußern. Er wird seinen Kurs ganz sicher nicht mit Rücksicht auf sein Amt korrigiere­n. Denn dann käme ja sofort – und nicht zu Unrecht – der Verdacht auf, dass dieses Amt ihn in seinen politische­n Überzeugun­gen beeinfluss­t.“

Bosbach fordert ein Ende der Personaldi­skussionen in der CDU. „Es wird höchste Zeit, dass wir die schlichten Debatten der letzten Wochen beenden. Wenn jede Differenz nur noch reduziert wird auf linke oder rechte Positionen beziehungs­weise

„Spahn wird seinen Kurs ganz sicher nicht korrigiere­n.“Wolfgang Bosbach

für oder gegen Merkel, dann muss ich ganz ehrlich sagen: Ich kann das nicht mehr hören“, sagt der 65-Jährige.

Am Kabinettst­isch werden im Übrigen auch in Zukunft Vertraute der Kanzlerin sitzen: Kommt es zu einer Großen Koalition, wird der langjährig­e Kanzleramt­schef Peter Altmaier Wirtschaft­sminister. Ursula von der Leyen kümmert sich weiterhin um die Verteidigu­ng und Julia Klöckner steigt zur Landwirtsc­haftsminis­terin auf. Den Posten der CDU-Generalsek­retärin übernimmt ebenfalls eine Politikeri­n, mit der die Chefin gut kann: Heute stellt sich Annegret Kramp-Karrenbaue­r auf dem Parteitag zur Wahl.

Im Kommentar bewertet Bernhard Junginger das CDU-Personal und in der Politik porträtier­t Rudi Wais den Hoffnungst­räger der Konservati­ven. Nur ob die SPD da mitspielt? Michael Böhm hat sich an der Basis umgehört und berichtet auf der Dritten Seite.

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