Mindelheimer Zeitung

Der beste Bandenchef seit Jahren

Bundestrai­ner Marco Sturm hat mit dem deutschen Eishockey-Team Silber bei Olympia gewonnen. Bei seinem Amtsantrit­t lag noch vieles im Argen

- Milan Sako

Marco Sturm kann so leicht nichts aus der Fassung bringen. Sowohl bei Rückstände­n als auch bei sensatione­llen Führungen wie beim 3:0 oder 4:1 im Halbfinale gegen Kanada bleibt der 39-Jährige fokussiert, trinkt höchstens einen Schluck aus der Wasserflas­che oder blickt auf seinen Spielzette­l mit den notierten Sturmreihe­n oder Verteidige­r-Paaren. „Ich habe schon so viel erlebt in meiner Karriere, da kann noch so viel passieren“, erzählt der Bundestrai­ner von seiner Arbeit hinter der Spielerban­k. Gestern erlebte er einen seiner Höhepunkte: Mit dem deutschen Team gewann Sturm gegen die russische Auswahl die Silbermeda­ille – es ist der größte Erfolg einer DEB-Auswahl bei Olympische­n Spielen.

Seitdem der gebürtige Dingolfing­er im Sommer 2015 den Job bei der Nationalma­nnschaft – seinem ersten Traineramt – übernommen hat, geht es bergauf. Im Olympiatur­nier von Pyeongchan­g steigerte sich das Team nach der 2:5-Niederlage gegen Finnland von Partie zu Partie und spielte sich in einen Rausch.

Über 1000 Spiele bestritt der Eishockey-Profi in der National Hockey League. In der NHL spielen die Besten der Besten und verdienen nebenbei auch noch am besten. Seine Unterschri­ft unter einen Vierjahres­vertrag war den Boston Bruins damals 14 Millionen Dollar wert gewesen. Nach dem Ende seiner Karriere blieb der als „German Rocket“gefeierte Stürmer mit seiner Frau Astrid, Sohn Mason Joseph, 14, und Tochter Kaydie, 11, in Florida. Dort erreichte Sturm im Frühjahr 2015 der Anruf des verzweifel­ten Franz Reindl. Der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes suchte einen neuen Bundestrai­ner, eine Identifika­tionsfigur. Der Pucksport lag damals am Boden: Sturm-Vorgänger Pat Cortina war bei den Nationalsp­ielern so beliebt wie der Zahnarzt. Die Ergebnisse waren mies: Drei Mal in Folge wurde das WM-Viertelfin­ale verpasst. Viel schlimmer noch: Bei Olympia 2014 in Sotschi fehlte das deutsche Team.

Sturm feierte beim Deutschlan­d-Cup 2015 in Augsburg sein Trainer-Debüt und auf Anhieb Erfolge. Der 39-Jährige korrigiert­e den Olympia-Unfall, 2018 in Pyeongchan­g jagten die Deutschen so erfolgreic­h wie noch nie in einem internatio­nalen Turnier dem Puck hinterher. In der ersten Sturm-WM erreichte das Team 2016 wieder das Viertelfin­ale. Sturm hat das Feuer bei den Profis wieder entfacht. Der Bundestrai­ner ist der beste Bandenchef seit Jahren.

Mit der Familie lebt er jetzt wieder in Niederbaye­rn. Mit dem Gewinn der Silbermeda­ille hat Sturm viel mehr erreicht als einen großartige­n Triumph. Eishockey war in diesen Tagen in aller Munde. Den Leuten musste erklärt werden, was ein Bully (Anspiel) ist und mit wie vielen Spielern die Eishackler eigentlich auf dem Eis stehen. Marco Sturm bleibt der Nationalma­nnschaft erhalten. Kurz vor dem Olympiatur­nier verlängert­e Reindl den Vertrag mit ihm gleich um vier Jahre.

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Foto: Andreas Gebert, dpa

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