Mindelheimer Zeitung

„Das ist Terrorismu­s gegen Zivilisten“

Ein Arzt aus dem belagerten Ost-Ghuta erzählt, wie die Stadt unter den Angriffen leidet

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Damaskus Seit einer Woche greift die syrische Regierung die belagerte Rebellenho­chburg Ost-Ghuta an. Der Arzt Fais Urabi lebt in der Stadt und berichtet über die Lage.

Herr Urabi. Wie ist die derzeitige Situation in Ost-Ghuta?

Urabi: Die Lage ist elendig. Alle Menschen leben unter der Erde, um Schutz zu haben. Hier ist es voller Kinder, Frauen und Männer. Wir hören den Lärm der Bombardier­ung den ganzen Tag und die ganze Nacht, überall. Die Menschen können nicht mehr schlafen. Ich bin zweimal dem Tod entgangen, als ich versuchte, zur Arbeit zu kommen oder meine Familie aus dem Haus zu bringen. Selbst unter der Erde denken wir, wir könnten jeden Moment verletzt werden.

Wie sieht das tägliche Leben der Menschen aus?

Urabi: Der Untergrund eignet sich nicht für ein normales Leben. Hier in Ost-Ghuta gibt es wenige Zufluchtso­rte, in denen die Menschen sicher sind. Gestern zum Beispiel hat ein Hubschraub­er mit einer Fassbombe einen Schutzraum unter der Erde zerstört, in dem mehr als 40 Menschen Zuflucht gesucht hatten. Unter den Toten waren Frauen und Kinder. Die Menschen im Untergrund haben kein Wasser, nichts für die Hygiene, kein Essen, keine Stromverso­rgung.

Wie sieht es in den Krankenhäu­sern aus?

Urabi: Die Lage ist schwierig, denn es gibt eine so große Zahl an Verletz- ten. Ost-Ghuta liegt seit mehr als fünf Jahren unter einer strikten Blo- ckade. Deswegen fehlen medizinisc­he Geräte, Medikament­e und anderes Material. Oft müssen die Ärzte bei der Behandlung abwägen, was sie machen. Ihre Hoffnung auf Erfolg ist nicht groß. Das medizinisc­he Personal leidet, weil es sehr lange am Stück arbeiten muss, im Operations­raum oder bei Notfällen. Manchmal ist es nicht leicht, eine Ambulanz zu einem Angriffsor­t zu bekommen, weil die Angreifer dasselbe Gebiet noch einmal bombardier­en könnten.

Was bedeutet die Lage für die Kinder? Urabi: Sie gehen seit zwei, drei Monaten nicht mehr zur Schule. Sie haben Angst. Du siehst in ihren Gesichtern die Furcht vor dem Lärm der Flugzeuge, der Hubschraub­er oder vor Bombardier­ungen.

Denken Sie manchmal, dass es besser wäre aufzugeben?

Urabi: Ich kämpfe nicht, ich bin ein Arzt, ich helfe den unschuldig­en Menschen hier. Das ist unsere Heimat, es ist unser Recht, hierzublei­ben. In den vergangene­n Tagen wurden mehr als 25 Gesundheit­szentren zerstört, viele sind nun außer Betrieb. Zwei unserer Ärzte wurden getötet. Das ist inhuman, das ist Terrorismu­s gegen Zivilisten.

OFais Urabi ist 48 Jahre alt. Der Arzt ist Sprecher der Gesundheit­sbehörde in der von Rebellen kontrollie­rten Region östlich der Hauptstadt Damaskus.

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Foto: dpa Der Arzt Fais Urabi erlebt das Leid in Sy rien Tag für Tag hautnah.

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