Mindelheimer Zeitung

Wird der Stern nun rot?

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

In den 90er Jahren ging in Stuttgart die Angst um. Führende Daimler-Manager mit Jürgen Schrempp an der Spitze befürchtet­en, der Konzern könne übernommen werden. Um das zu verhindern, wurde gegen jede Vernunft die Ehe mit dem US-Riesen Chrysler geschlosse­n. Die Beziehung scheiterte. Am Ende stand die Scheidung. Schrempp wurde als „größter Kapitalver­nichter aller Zeiten“, wie ihn Aktionärss­chützer nannten, in die Wüste geschickt.

Auch wenn sich der Manager die falsche Braut ausgesucht hat, bleibt doch seine Grundanaly­se von damals richtig: Daimler ist im Gegensatz zu den anderen deutschen Autokonzer­nen angreifbar, denn den Stuttgarte­rn fehlt ein Großaktion­är, wie ihn BMW in der Familie Quandt und Volkswagen dank den Porsches und Piëchs besitzt.

Wegen des wirtschaft­lichen Erfolgs der letzten Jahre verdrängte Daimler-Chef Dieter Zetsche das Manko. Dafür bekommt er nun die Quittung. Denn der stärkste Automobil-Unternehme­r Chinas hat sich rund 9,7 Prozent an dem Stuttgarte­r Konzern gesichert und wird damit größter Aktionär. Und dieser Li Shufu wird anders als die auch an Daimler beteiligte­n Scheichs aus Kuwait ein unangenehm­er Anteilseig­ner. Der Milliardär, der sich in China als Sohn eines Bauern ganz nach oben gekämpft hat, setzt das deutsche Management sicher unter Druck. Etwa wenn es darum geht, schneller und radikaler auf Elektroaut­os zu setzen. Daimler wird damit ein Stück chinesisch­er.

Doch noch glänzt der Stern silbern und nicht rot. Das wäre erst dann der Fall, wenn der Investor aus Asien noch einige Male zukauft, also aus Daimler irgendwann ein zweites Kuka wird. So weit ist es noch lange nicht. Was Daimler jetzt braucht, ist ein zweiter Großaktion­är – am besten aus Deutschlan­d. So lässt sich auf Dauer verhindern, dass der Stern rot wird. Gesucht werden Milliardär­e wie die Quandts, Porsches und Piëchs, die verhindern, dass eine deutsche Ikone in chinesisch­e Hände fällt.

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