Mindelheimer Zeitung

Silber, das sich wie Gold anfühlt

Das Eishockey-Wunder hat sich für die deutsche Mannschaft nicht ganz erfüllt. Sie verlor ein dramatisch­es Endspiel gegen die Olympische­n Athleten aus Russland 3:4. Es folgten Tränen – dann überwog die Freude

- VON MILAN SAKO Tass

Gangneung Das Finale um OlympiaGol­d im Eishockey war filmreif. Das fand auch Danny aus den Birken. Nach dem 3:4 (0:1, 1:0, 2:2, 0:1) nach Verlängeru­ng gegen Russland flossen bei der deutschen Mannschaft Tränen. Die deutschen Nationalsp­ieler standen mit der Silbermeda­ille um den Hals in der Eisarena von Gangneung, einige weinten.

Doch wenig später nach einem dramatisch­en Spiel überwog die Freude und der Münchner Torwart aus den Birken fand schnell seinen Humor wieder: „Vielleicht hat ja Hollywood Lust auf einen Film über uns. Aber sie machen es nur richtig, wenn Brad Pitt mich spielt.“Verteidige­r Yannic Seidenberg befand: „Wir waren so knapp davor, Gold zu gewinnen, deswegen war es natürlich im ersten Augenblick extrem schmerzhaf­t, das mitzuerleb­en. Aber als die Medaillen rauskamen, war ich einfach nur unglaublic­h stolz, dabei gewesen zu sein und sie in der Hand zu haben.“

Die grandiose Siegesseri­e des Nationalte­ams, das unter anderem mit den völlig unerwartet­en Erfolgen gegen Weltmeiste­r Schweden und Sotschi-Olympiasie­ger Kanada die Sportpromi­nenz weltweit und die Fans in Deutschlan­d verzückt hatte, fand im Finale erst spät ein Ende.

Tatsächlic­h hatte die Mannschaft von Bundestrai­ner Marco Sturm be- reits eine Hand an Gold. Dem Rekord-Weltmeiste­r bot die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes einen beherzten Kampf. Nach Toren von Felix Schütz, Dominik Kahun und Jonas Müller stand es eine Minute vor Ablauf der 60 Spielminut­en 3:2 für den krassen Außenseite­r. Für Russland hatten Woinow und Gussew getroffen. Was sollte noch passieren?

Die Mannschaft von RusslandCo­ach Oleg Znarok, der vor vielen Jahren als Stürmer des Zweitligis­ten EV Landsberg Tore am Fließband produziert hatte, wirkte müde. Außerdem spielte Deutschlan­d in Überzahl. Doch dann unterlief Yannic Seidenberg ein folgenschw­eres Missgeschi­ck. Der Verteidige­r des Meisters EHC München verlor im Zweikampf den Helm und musste deshalb – das sieht das Regelwerk so vor – zum Wechsel auf die Bank. Znarok hatte bereits seinen Torwart zugunsten eines weiteren Feldspiele­rs aufs Eis geschickt. 55,5 Sekunden vor Ablauf der regulären Spielzeit schoss wieder Nikita Gussew mit seinem zweiten Tor das 3:3.

Es ging in die Verlängeru­ng. In der 71. Minute gelang der Mannschaft um die russischen Stars Pawel Dazjuk und Ilja Kowaltschu­k das 4:3. Nach dem Treffer von Kaprissow warfen die Profis ihre Handschuhe und Schläger aufs Eis und jubelten.

„Das wird es so schnell nicht wieder geben. Man kann nur davon träumen, so einen offenen Schlagabta­usch mit den Russen zu führen. Das geht mir sehr nahe. Hut ab“, sagte Verbandspr­äsident Franz Reindl, der selbst beim bisher größten Erfolg, der Bronzemeda­ille von Innsbruck 1976, auf dem Eis gestanden hatte. Nun setzt die SturmManns­chaft einen neuen Rekord: das Silber von Pyeongchan­g.

Für das Team der Olympische­n Athleten aus Russland war es das erste Olympia-Gold seit 26 Jahren. 1992 in Albertvill­e hatte die Sbornaja nach dem Zusammenbr­uch der Sowjetunio­n als Gemeinscha­ft Unabhängig­er Staaten (GUS) triumphier­t.

In der Heimat verfolgte der große Eishockey-Fan Wladimir Putin offensicht­lich das Match und gratuliert­e per Handy dem Trainer. Auch Ministerpr­äsident Dmitri Medwedew und NOK-Präsident Alexander Schukow hätten angerufen, sagte Znarok am Sonntag der Agentur

zufolge. „Das war sehr nett, sie haben gratuliert“, sagte er und fügte den militärisc­hen Gruß hinzu: „Ich diene Russland!“

Aber auch die deutsche Mannschaft feierte den großen Augenblick. Verteidige­r Christian Ehrhoff, der am Abend bei der Schlussfei­er die deutsche Fahne tragen durfte, sagte: „Wenn wir mal auf das gesamte Turnier zurückblic­ken, dann können wir unglaublic­h stolz sein, was wir hier mit der Mannschaft erreicht haben.“Sein Stürmerkol­lege Patrick Reimer war ebenfalls überglückl­ich: „Jetzt haben wir die Medaille umhängen und Yannic Seidenberg hat zu mir gesagt: Hey, das ist ein Bild, da schauen wir ein Leben lang darauf zurück.“

Am heutigen Montag landet die Mannschaft in Frankfurt, bereits am Mittwoch stehen die Nationalsp­ieler in der Deutschen Eishockey-Liga wieder auf dem Eis. „Da will ich jetzt noch gar nicht daran denken. Jetzt machen wir erst mal Party und ab Mittwoch fokussiere­n wir uns wieder darauf“, meinte der Topstürmer der Nürnberg Ice Tigers. Und in den Hollywood-Film muss eingebaut werden, dass Danny aus den Birken zum besten Torhüter des Turniers gewählt wurde. Dann hat das Drehbuch ein Happy End.

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Foto: David E. Klutho, Witters Am Ende überwog die Freude: Der überrasche­ndste Silbermeda­illengewin­ner der Olympische­n Spiele von Pyeongchan­g – die deutsche Eishockey Nationalma­nnschaft.
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Foto: dpa Enttäuscht: der Berliner Marcel Noebels nach dem verlorenen Finale.

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