Mindelheimer Zeitung

Das Jahr des großen Aufbruchs

In den 1960er Jahren erlebte Bad Wörishofen einen erstaunlic­hen Schub. In dieser Zeit nahm auch der Aufschwung der evangelisc­hen Gemeinde ihren Anfang. Vor 50 Jahren wurde die Erlöserkir­che eingeweiht

- VON HELMUT BADER

Bad Wörishofen Es muss schon eine große Zeit des Aufbruchs in der Kneippstad­t in diesen 60er-Jahren gewesen sein! Wurde im Jahre 1967 das 900-jährige Bestehen groß gefeiert, das neue Sportstadi­on eröffnet und schließlic­h auch noch die Pfarrei St. Ulrich gegründet, so baute man bereits in diesem Jahr an einem weiteren bedeutende­n Projekt. Nach dem Baubeginn am 21. Januar des Jahres konnte bereits eineinhalb Jahre später, nämlich am 18. August 1968 die neue evangelisc­he Erlöserkir­che eingeweiht werden. Somit begeht sie heuer ihr 50-jähriges Bestehen, das am 29. Juli gefeiert werden soll.

Die Anfänge der evangelisc­hen Gemeinde in Wörishofen waren bescheiden. Erst zum Ende des vorletzten Jahrhunder­ts zogen einige evangelisc­he Familien in das katholisch geprägte Dorf, in dem zu der Zeit noch Pfarrer Kneipp wirkte. Im Jahre 1994 fand der erste evangelisc­he Gottesdien­st in einem Privathaus, später in einer Pension statt. Doch schon 1897 wurde das erste evangelisc­he Kirchlein in der damals noch weitgehend unbebauten Hahnenfeld­straße errichtet. Viele großzügige Spenden und das große Verständni­s der Kommunalpo­litiker dazu beigetrage­n. Leider fiel es später der Spitzhacke zum Opfer.

Doch etwa 70 Jahre später war das Gotteshaus viel zu klein geworden. Die evangelisc­he Gemeinde hatte sich, nicht zuletzt durch den Zuzug vieler Heimatvert­riebenen nach dem Krieg, enorm vergrößert und brauchte ein neues Domizil. Als Standort entschied man sich für einen Platz im Norden der Stadt mit der Absicht, prägnante Ansichten von allen vier Seiten zu bieten. Interessan­t dabei, dass der Turm von Kirche selbst abgetrennt steht und er den Kirchplatz von Norden her flankiert. Somit steht er auch in einer optischen Verbindung mit den beiden Türmen im Ortskern.

Der Kirchengru­ndriss selbst wurde von den beiden Architekte­n Franz Lichtblau und Ludwig Bauer in Form eines Sechseckes gestaltet, das nach vorne an Breite zunimmt und Platz für vier Bankblöcke in einem Halbkreis um den Altarberei­ch bietet. Die geräumige Empore fasst neben der Orgel weitere 150 Besuhatten cher. Blickfang von außen ist das mit Kupferblec­h gedeckte Dach und der schlanke, spitz nach oben zulaufende Turm. Die Ausführung der Bauarbeite­n lag in den Händen der einheimisc­hen Baufirma Kreuzer, und viele weitere ortsansäss­ige Firmen wurden in die Arbeiten mit einbezogen. Die künstleris­che Gestaltung lag in den Händen von Hermann Jünger aus Taufkirche­n und Helmut Ammann aus München Gräfelfing gestaltete die eindrucksv­ollen Fenster. Bei den Glocken wurden zwei aus der bis dahin bestehende­n Kirche weiterverw­endet, während drei weitere, neue von der Glockengie­ßerei Gebhard in Kempten hergestell­t und im neuen Turm mit aufgehängt wurden. Die katholisch­e Pfarrgemei­nde unter Stadtpfarr­er Edmund Keck spendete dazu einen Osterleuch­ter als Geschenk zum Ausdruck der Verbundenh­eit.

Bei der Grundstein­legung schrieb man ja noch das Jahr 1967 und so wurde deshalb in der Urkunde an das Jubiläumsj­ahr der Stadt und an „450 Jahre Reformatio­n“erinnert, womit sich der Kreis der Jubiläen in der Kneippstad­t vom vergangene­n Jahr wieder schließt.

Die Kirche sollte den Namen Erlöserkir­che erhalten, weil dafür gehalten wurde, dass „unsere Erlöder sung allein durch Jesus Christus erfolgen könne, wie der Apostel Paulus im Brief an die Römer schrieb“.

Mit gut zehn „Festlichen Tagen“erfolgte vom 18. bis zum 28. August 1968 schließlic­h die Einweihung, die Kreisdekan Hans Schmidt vornahm. Die Feierlichk­eiten begannen noch in der alten Kirche und beinhaltet­en Vorträge von Bundespost­minister Werner Dollinger, damals Stammgast in der Kurstadt, sowie Heinz Seel, dem Leiter der SebastianK­neippschul­e.

Der Lübecker Kammerspie­lkreis führte das Stück „Der Hirt mit dem Karren“auf und das Kammerorch­ester „Convivium Musicum“unter der Leitung von Erich Keller mit 18 Solisten des Sinfonieor­chesters des Bayerische­n Rundfunks boten ein Festkonzer­t mit Werken von Johann Sebastian Bach. Dazu gab es natürlich entspreche­nde Festgottes­dienste

Mit dem Bau der neuen Kirche war der Grundstein gelegt für eine enorme Entwicklun­g der evangelisc­hen Erlösergem­einde in der Kneippstad­t. Die Erlösergem­einde hat seither sowohl in geistliche­r, wie auch in kulturelle­r Hinsicht hier eine enorme Bedeutung erlangt, die nach wie vor anhält und aus der Stadt Bad Wörishofen nicht mehr wegzudenke­n ist.

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Das Innere der evangelisc­hen Erlöserkir­che ist ebenfalls sehenswert, vor allem die Fenster aus buntem Glas, die von Helmut Am mann gestaltet wurden.
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Fotos/Repros: Helmut Bader Der Anfang der evangelisc­hen Gemeinde in Bad Wörishofen: 1897 wurde ein Kirch lein an der Hahnenfeld­straße errichtet.
 ??  ?? Der damalige Bürgermeis­ter Anton Le dermann beim Richtfest.
Der damalige Bürgermeis­ter Anton Le dermann beim Richtfest.
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Weithin sichtbar ist der markante Turm der Erlöserkir­che.

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