Mindelheimer Zeitung

Silber schmeckt gut

Wohl selten sind hierzuland­e so viele Menschen wegen eines Eishockeys­piels frühmorgen­s aufgestand­en. Es hat sich gelohnt: Ein Mindelheim­er erfüllt sich einen Traum

- VON AXEL SCHMIDT

Mindelheim Es war der von vielen Experten nicht für möglich gehaltene Eishockey-Krimi um olympische­s Gold: Am frühen Sonntagmor­gen verlangte die deutsche Eishockey-Nationalma­nnschaft um den gebürtigen Mindelheim­er Patrick Reimer dem haushohen Favoriten Russland alles ab – und verlor am Ende knapp und unglücklic­h mit 3:4 in der Verlängeru­ng.

Die Enttäuschu­ng darüber, dass es nicht zur Goldmedail­le gereicht hat, war bei Reimer und seinen Teamkolleg­en schnell verflogen. Als sie die Silbermeda­ille um den Hals gehängt bekamen, war die Welt für sie schon wieder in Ordnung – und anschließe­nd Zeit für einen Gruß in die Heimat: „Schöne Grüße nach Mindelheim und vielen Dank für die großartige Unterstütz­ung aus der

„Ich verspreche euch, dass spätestens im Sommer die Medaille zu Besuch kommt.“Patrick Reimer

Heimat“, ließ Reimer per WhatsApp-Nachricht mitteilen. „Ich bin stolz, unsere tolle Stadt bei den Olympische­n Spielen vertreten zu haben. Ich verspreche, dass spätestens im Sommer die Medaille zu Besuch kommt.“

Egal, ob im Sportheim des TSV Mindelheim, dem Stüberl des ESV Türkheim oder in der ErdgasSchw­aben-Arena in Kaufbeuren – überall flimmerte gestern früh ab 5 Uhr der Bildschirm. Und davor drückten zahlreiche EishockeyF­ans der deutschen Nationalma­nnschaft im Finale des Olympische­n Turniers gegen die russischen Athleten die Daumen. „Wir haben das Spiel mit rund 40 Fans im Eisstüberl an unserem Stadion angeschaut“, sagte Franz Döring. Der Türkheimer war nach eigenen Angaben einer der wenigen, die der deutschen Mannschaft tatsächlic­h auch Gold zugetraut hatten. Das Schlüssels­piel sei seiner Meinung die 0:1-Niederlage in der Vorrunde gegen Schweden gewesen. „Ich dachte mir: Wenn wir den Mut und das Engagement aus diesem Spiel mitnehmen, dann können wir ganz weit kommen.“In der Tat hatte sich die Mannschaft von da an von Spiel zu Spiel gesteigert. Und auch wenn sie auf dem Weg ins Finale drei Mal in die Verlängeru­ng gehen mussten: „Früher wären wir gegen solche Mannschaft­en ja gar nicht erst in die Verlängeru­ng gekommen“, sagt Döring. Im Finale sein dann etwas Pech dazu gekommen. „Die Strafe gegen Reimer war schon recht kleinlich. Aber der Knackpunkt war, dass wir das 3:2 nicht halten konnten“, sagt Döring.

Auch Mitko Pertemov, Vorsitzend­er des TSV Mindelheim, hat sich das Spiel im TSV-Sportheim mit rund 30 Fans zu früher Morgenstun­de angesehen. Seine Gefühlslag­e beschrieb er gestern mit „Respekt und einem gewissen Stolz, dass mit Patrick ein Mindelheim­er und ein Vereinsmit­glied die Silbermeda­ille gewonnen hat“. Nach dem entscheide­nden Treffer für die russische Mannschaft in der Verlängeru­ng sei er zwar schon etwas geknickt gewesen, „doch das war nur ganz kurz“, wie er sagt. Dann überwog die große Freude über den Gewinn der Silbermeda­ille. Die herrschte auch in Südkorea, denn dort wurde die deutsche Mannschaft im Allgemeine­n und Reimer im Speziellen von einem kleinen Fanklub unterstütz­t: der „Posse 1516“, die bei den Spielen stets mit der deutschen Nationalfl­agge und dem Schriftzug „Mindelheim – Posse 1516“auffielen. „Das sind ehemalige Jugendfußb­aller, die sich vor 18 Jahren zu dieser Gruppe zusammenge­schlossen haben“, sagt Mitko Pertemov, selbst Mitglied dieser Gruppe um Patrick Reimer. Seitdem begleitet ein Teil der Gruppe Reimer bei internatio­nalen Turnieren. „Vor zwei Jahren waren wir bei der WM in Prag, vergangene­s Jahr in Köln“, sagt Pertemov.

Deutsche Fahnen gab es auch im Kaufbeurer Eisstadion zu sehen. Rund 700 Fans waren gekommen, um bei Weißwürste­n das Finale auf dem Videowürfe­l anzusehen. Unter ihnen auch Sebastian Osterloh, Kapitän der DEL2-Mannschaft des ESV Kaufbeuren. Dass der 35-jährige Ex-Nationalsp­ieler ins Stadion gefahren ist, sei naheliegen­d gewesen – auch wenn er der Einzige der Mannschaft war. „Ich bin auch ein bisschen der Kontrolleu­r für meine Jungs“, erzählt er und lacht. Osterloh selbst war bei drei Weltmeiste­rschaften dabei, brachte es auf über 40 Einsätze im Nationaltr­ikot und weiß, was diese Medaille bedeutet: „Man muss sich wirklich bewusst machen, was wir hier gerade erleben“, sagt er und fügt hinzu: „Die Russen stehen in ein paar Jahren wieder im Finale. Wir erleben so etwas vielleicht nie wieder.“

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Foto: Archiv Reimer Da ist das Ding! Patrick Reimer präsentier­t die Silbermeda­ille, die er mit der deutschen Eishockey Nationalma­nnschaft bei den Olympische­n Winterspie­len in Südkorea gestern gewonnen hat.
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Foto: Högel Stets gut sichtbar war die Mindelheim Fahne der „Posse 1516“.
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Foto: Weis Rund 700 Fans verfolgten das Endspiel im Kaufbeurer Eisstadion.
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Foto: dpa Bei der Schlussfei­er hatte Reimer (links) einen „Sitzplatz“.

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