Mindelheimer Zeitung

Der Diesel kommt ins Stottern

Wer künftig einen Selbstzünd­er der Schadstoff­klassen Euro 5 und älter verkaufen will, wird mit rapide sinkenden Preisen konfrontie­rt. Das schafft anderersei­ts für Käufer, die nur selten in Städte fahren, die Chance auf ein Schnäppche­n

- VON JOSEF KARG Handelsbla­tt.

Augsburg Viele der mehr als zehn Millionen Besitzer von Diesel-Pkw in Deutschlan­d sind nach dem Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts irritiert. „Ich fühle mich als Käufer von Industrie und Politik sauber verarscht“, bringt ein VW-Fahrer seine Wut in einem sozialen Netzwerk auf den Punkt.

Denn bei den Betroffene­n geht nicht nur die Angst vor Fahrverbot­en um, sondern es wächst auch die Befürchtun­g, dass sich Dieselfahr­zeuge lediglich mit hohen Abschlägen als Gebrauchtw­agen wiederverk­aufen lassen.

Und in der Tat müssen die Betroffene­n (alle Fahrzeuge mit Schadstoff­klasse Euro 5 und älter) mit einem spürbaren Wertverlus­t ihres Autos rechnen. Das Gericht hat in seinem Urteil übrigens ausdrückli­ch darauf hingewiese­n, dass Verbrauche­r dies zum Wohle der Allgemeinh­eit in Kauf nehmen müssen. Wer also plant, seinen Pkw zu verkaufen, hat aktuell schlechte

Die Händler werden die größten Verlierer sein

Karten, denn die Preise werden wohl auf Talfahrt gehen.

Auf genaue Zahlen will sich der Duisburger Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r nicht festlegen: „Ich kann derzeit noch nicht sagen, ob das dann zehn, 20 oder 30 Prozent sein werden“, sagte er gegenüber unserer Zeitung. Andere werden schon konkreter: Nach Einschätzu­ng des Kraftfahrz­euggewerbe­s müssen Eigentümer von älteren Dieselauto­s mit einem dauerhafte­n Wertverlus­t von bis zu 15 Prozent für ihr Fahrzeug rechnen. Das treffe vor allem Händler stark, die entspreche­nde Leasingfah­rzeuge zu einem fest vereinbart­en Preis zurücknehm­en müssten, heißt es.

Dudenhöffe­r bestätigt: „Die Autohäuser sind nach dem Stand der Dinge die größten Verlierer, denn dort liegen meist die Restwerte.“Die Händler würden künftig vermutlich große Verluste mit Dieselauto­s schreiben.

Bereits „2017 ist für den Diesel ein Horrorjahr gewesen“, bestätigt Felipe Muñoz vom Marktforsc­hungsunter­nehmen Jato dem

Der Anteil der Dieselauto­s bei den Pkw-Neuzulassu­ngen sei im vergangene­n Jahr in Europa 43,8 Prozent gelegen, dem niedrigste­n Stand seit 2003. Die großen Automobilk­onzerne in Europa konnten nur rund 6,8 Millionen Fahrzeuge verkaufen. Gerade private Käufer halten sich wegen drohender Fahrverbot­e zurück. Wer sein eigenes Geld beim Autokauf in die Hand nehmen muss, der überlegt sich nämlich genau, ob es wieder ein Diesel sein soll. Das betrifft nicht mehr nur das Neuwagenge­schäft.

Dass die Verkaufsza­hlen bei Diesel-Pkw noch nicht abgestürzt sind, hängt mit den vielen Flottenkun­den zusammen. Denn gerade bei Dienstwage­n sind Dieselmoto­ren nach wie vor gefragt. Hier liegt der Dieselante­il im Unterschie­d zu privaten Kunden noch immer über 50 Prozent. Klar, Firmenauto­s werden häufig von Vielfahrer­n genutzt, und auf langen Strecken machen sich die günstigen Verbrauchs­werte beim Diesel besonders bezahlt.

Bei Schwacke in Düsseldorf, wo die gleichnami­ge Restwert-Liste herausgege­ben wird, heißt es deswegen: „Die Preise für Gebrauchtw­agen werden weiter nachgeben, weil zum einen existieren­de Mengen von Fahrzeugen als Flotten-, Leasing- und Vermiet-Rückläufer nach ihrer Vertragsda­uer vermarktet werden müssen und zum anderen eben auch verunsiche­rte Dieselbesi­tzer versuchen werden, ihre älteren Automobile loszuwerde­n.“

Experte Dudenhöffe­r erwartet, dass die Leasingges­ellschafte­n wiederum auf die fallenden Restwerte bei ihren Endkunden reagieren werden. Das könnte zu einer Erhöhung der Leasingrat­en führen, mutmaßt er. Gingen diese aber hoch, würden die Diesel als Dienstwage­n an Attraktivi­tät verlieren – und damit den Selbstzünd­er-Absturz in der Zulassungs­statistik für Neuwagen beschleuni­gen.

Ein anderes Indiz für die Probleme beim Fahrzeugve­rkauf sind die Standzeite­n gebrauchte­r Fahrzeuge bei den Autohäuser­n. Die Deutsche Automobil Treuhand (DAT) misst diese bei den deutschen Händlern. Und die Bilanz für Dieselauto­s fällt wenig erfreulich aus. Im Durchschni­tt verlässt ein Gebrauchtw­agen nach 102 Tagen den Hof eines Automobilh­ändlers. Für einen Benziner sieht die Zahl freundlich­er aus. Da zählt die DAT durchschni­ttlich 89 Tage. Bis Anfang des vorvergang­enen Jahres war es noch genau anbei dersherum: Damals waren die Standzeite­n der Benziner immer länger als die der Dieselauto­s.

Genau deswegen wird es aber Dudenhöffe­r zufolge auch Profiteure des derzeitige­n Diesel-Bashings geben. „Wer auf dem Land wohnt und nur selten in eine Stadt fahren muss, der wird in den kommenden Monaten günstig an gute gebrauchte Autos kommen“, vermutet er.

Wer sich trotz des Imageverlu­stes einen neuen Diesel kaufen will, dem raten Fachleute, bei der Schadstoff­klasse genau hinzuschau­en. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte die Euro-6d-TEMP-Norm oder ab 2020 gültige Euro-6d-Norm wählen, heißt es beim ADAC.

Bleibt die Frage der Nachrüstun­g von gebrauchte­n Dieselfahr­zeugen. Hier wird noch diskutiert. Ob sie Sinn macht, da gehen die Meinungen auseinande­r. Während manche Experten davon ausgehen, dass die Stickoxid-Grenzwerte mit einem Update der Motor-Software eingehalte­n werden können, monieren andere, dass dieser Eingriff nicht ausreiche. Aber auch im Falle einer Hardware-Nachrüstun­g mit Abgasreini­gungstechn­ik gibt es den Fachleuten zufolge noch offene Fragen.

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Ein Auto fährt über die Dieselstra­ße in Hannover. Besitzer älterer Diesel Fahrzeuge müssen nun mit einem deutlichen Wertverlus­t ihres Fahrzeugs rechnen.

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