Mindelheimer Zeitung

Da wird selbst der Söder kleinlaut

Beim diesjährig­en Politiker-Derblecken stellt Uschi Glas die üblichen Verdächtig­en in den Schatten. Und „Mama Bavaria“tritt ein letztes Mal dem Seehofer auf die Füße

- VON HENRY STERN

München Der Star auf dem Münchner Nockherber­g ist diesmal kein Politiker – oder dessen Alter Ego auf der Singspielb­ühne: Der Star ist in diesem Jahr eine geschäftst­üchtige Indianerfr­au, die der versammelt­en bayerische­n Polit-Elite vor Augen führt, wo die wirkliche Macht liegt im Wilden Westen. Nämlich nicht bei den Chefs der Bande – egal, ob nun Söder oder Seehofer. Sondern da, wo das Geld sitzt. Apanatschi heißt die Indianer-Squaw. Und mehr als 50 Jahre, nachdem sie als „Halbblut“in Technicolo­r auf der Leinwand zu sehen war, schlüpft Uschi Glas wieder in diese Rolle – wenn auch nur für einen einzigen Nockherber­g-Abend.

Die schöne Westernsta­dt, die „El Marco“Söder, der alternde Horst, Calamity-Kohnen und der ausgedünnt­e Rest der „glorreiche­n 7“zuvor über rund eine Stunde Singspiel so heldenhaft gegen alle Angriffe verteidigt haben, hat sie mit einem dicken Geldkoffer aufgekauft. „Heimat muss man sich halt leisten können“, reibt Apanatschi-Uschi der verdutzten Bande unter die Nase. Und selbst der vorher herrlich großspurig-demütige Söder (Stephan Zinner) wird ganz kleinlaut.

Das Singspiel, nach fünf Jahren Marcus H. Rosenmülle­r nun zum ersten Mal vom Autoren-Duo Stefan Betz und Richard Oehmann geschriebe­n, hat diesmal zwar weniger aktuelle politische Bezüge als in manchen früheren Jahren. Es glänzt aber mit toller Musik, viel Wortwitz und subtilen Anspielung­en, die Oehmann schon als Chef von „Doctor Döblingers geschmackv­ollem Kasperlthe­ater“gepflegt hat. Da ist zum Beispiel der öde Totengräbe­r, der sich mehr und mehr als populistis­cher Rechtsauße­n entpuppt. Oder eine Sexy-Merkel (Antonia von Romatowski) mit Federboa als „Verführung­skraft“, die die Männer „mit verschärft­er Langsamkei­t“um den Verstand bringt.

„Weint nicht um mich, Landeskind­er“, hatte vor elf Jahren der geniale Michael Lerchenber­g seinem scheidende­n Stoiber zur „Evita“-Melodie in den Mund gelegt. „Sieh es ein, alter Horst, du musst gehen“, singt diesmal „El Marco“Söder mit rauchiger Lagerfeuer­Stimme. Doch Seehofer (Christoph Zrenner) kann nicht loslassen und kommt immer wieder zurück: „Abschied ist ein scharfes Schwert“, lässt er den zunehmend genervten Söder wissen. „Du Säckel, jetzt hast du deinen Sonnenunte­rgang verpasst“, knallt der seinem „Seelenspez­i“brüsk zurück.

Und auch die Frauen kommen diesmal zum Zug: „Bald kennt mich jeder Dodel, weil ich unbarmherz­ig jodel“, reimt SPD-Chefin Natascha Kohnen (Nikola Norgauer) und macht sich bei Gefahr unsichtbar, indem sie sich die Augen zuhält.

Vor zwei Jahren hatte es ja einen Skandal am Nockherber­g gegeben, weil Barbara Stamm (CSU) die „Mama Bavaria“Luise Kinseher als frauenfein­dlich empfand. Auch diesmal ging Stamm lieber zu „Kino im Landtag“als zum Derblecken.

Kinseher, die überrasche­nd erklärte, nach acht Jahren das letzte Mal am Nockherber­g aufgetrete­n zu sein, widmete sich ausgiebig Seehofer: „Ich glaube ja, man hat sich in ganz Deutschlan­d nichts sehnlicher gewünscht als Horst Seehofer als Heimatmini­ster. Ich frag mich nur: Wie geht es da einem Oberlausit­zer? Der Oberlausit­zer denkt sich doch: Kaum ist der Russe weg, kommt der Bayer!“Seehofer solle sich ja nicht übernehmen mit seinem Superminis­terium. „So ist er, der Horst. Wie ein Jongleur, der sagt, ich jongliere nicht mit fünf Bällen, sondern gleich mit zehn – dann merkt man es nicht so schnell, wenn einer runterfäll­t.“

Über die Männer-dominierte CSU sagte sie: „Man wird in der CSU als Frau nicht belästigt, zumindest nicht mit den höchsten politische­n Ämtern! In der CSU gibt es kein MeToo, da heißt es von vorne herein „you not“.“

Weniger Aktuelles, mehr Subtiles

 ?? Foto: Achim Schmidt, Paulaner ?? Der Nockherber­g wurde dieses Jahr zum „Wilden Westen“: Beim traditione­llen Politiker Derblecken bekam die politische Prominenz gestern Abend wieder ihr Fett weg. Zum Star des Abends avancierte Uschi Glas.
Foto: Achim Schmidt, Paulaner Der Nockherber­g wurde dieses Jahr zum „Wilden Westen“: Beim traditione­llen Politiker Derblecken bekam die politische Prominenz gestern Abend wieder ihr Fett weg. Zum Star des Abends avancierte Uschi Glas.

Newspapers in German

Newspapers from Germany