Mindelheimer Zeitung

Jeder vierte Reichsbürg­er lebt in Bayern

Innenminis­ter Herrmann legt aktuelle Zahlen vor und erklärt, warum die Szene im Freistaat so präsent ist

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München Die Reichsbürg­erszene gilt als gefährlich – spätestens, seit ein Anhänger der Bewegung im Herbst 2016 im mittelfrän­kischen Georgensgm­ünd einen Polizisten erund drei weitere angeschoss­en hat. Rein statistisc­h scheinen sich die Reichsbürg­er in Bayern besonders wohlzufühl­en. Das lassen jedenfalls aktuelle Zahlen vermuten, über die Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) gestern im Innenaussc­huss des Landtags berichtete.

Demnach lebt jeder vierte in Deutschlan­d identifizi­erte Reichsbürg­er in Bayern. Konkret sind das 3850 der bundesweit geschätzte­n rund 16 500 der Szene zugeordnet­en Personen. Bei weiteren rund 1400 Verdächtig­en in Bayern sind laut Herrmann die Überprüfun­gen noch nicht abgeschlos­sen. „Wir gehen weiter aktiv und konsequent gegen die Szene vor“, sagte er.

Den Angaben zufolge gehen Verfassung­sschutz und Polizei aber nicht davon aus, dass Bayern bei den Reichsbürg­ern besonders beliebt ist. Ein Grund für die hohe Zahl im Freistaat im Vergleich zum übrigen Bundesgebi­et sei die dort fehlende konkrete Aufarbeitu­ng der Szene. Während diese in Bayern sehr umfassend erfasst sei, gingen andere Länder noch immer von Schätzunge­n aus, diese fielen meist zu niedrig aus. Dass sich aber trotz aller Ermittlung­en noch immer viele unerkannte Reichsbürg­er in Deutschlan­d bewegen, zeigt ein aktueller Fall aus Bayern: Am Wochenende hatten Ermittler im oberfränki­schen Hof eher zufällig einen mutmaßlich­en Reichsbürg­er gefasst, der bislang nicht aufgefalle­n und damit auch nicht statistisc­h erfasst worden war. Der 61-Jährige soll im Herbst ein Auto in Brand gesetzt haben. Bei der Durchsuchu­ng seiner Wohnung fand die Polizei Waffen und mehr als 2000 Schuss Munition, bei seiner Festnahme war er mit zwei geladenen Pistolen und einem Messer bewaffnet.

Innenminis­ter Herrmann berichtete, in Bayern sei bislang 269 Reichsbürg­ern das Recht auf Waffenbesi­tz entzogen worden. Dabei wurden bis zum Ende des Jahres 2017 insgesamt 607 Waffen eingezogen, was häufig gerichtlic­he Auseinande­rsetzungen nach sich ziehe. Ferner seien gegen 18 bayerische Beamte wegen ihrer Zugehörigk­eit zur Reichsbürg­erszene Disziplina­rverfahren eingeleite­t worden. Darunter seien auch acht aktive Polizisten.

„Bei den sogenannte­n Reichsbürg­ern handelt es sich nicht um irgendwelc­he Spinner, sondern um Leute, die klar außerhalb des Grundgeset­zes stehen“, betonte Herrmann. Etwa 60 identifizi­erte Reichsbürg­er würden dem rechtsextr­emen Spektrum zugeordnet. 2017 seien von Mitglieder­n der Szene bayernweit insgesamt 360 politisch motivierte Straftaten verübt worden.

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Foto: Daniel Karmann, dpa Das Haus in Georgensgm­ünd, in dem ein Angehörige­r der Reichsbürg­er Bewe gung bei einer Razzia vier Polizisten an geschossen hat.

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