Mindelheimer Zeitung

Gibt es noch genügend Grippeschu­tz?

Patientenv­ertreter möchten umfassende Impfungen – und zwar sofort. Beim Robert-Koch-Institut sieht man das skeptisch. Aus einem ganz pragmatisc­hen Grund

- VON MARKUS BÄR beide

Augsburg Die Grippewell­e hat Deutschlan­d derzeit fest im Griff: Allein in Bayern sind schon 15 Menschen an der Influenza gestorben, über 12 600 sind als erkrankt gemeldet. Das Besondere in dieser Saison: Die meisten Grippeviru­stypen, die es auf der Erde gibt, sind dem sogenannte­n Subtyp A zuzuordnen, doch heuer erkrankten viele Menschen auch an den beiden existieren­den Viruslinie­n des Subtyps B. „Darum war der Vierfachim­pfstoff auch so erfolgreic­h“, sagt Susanne Glasmacher, Sprecherin des Berliner Robert-Koch-Instituts (RKI), das als Bundesinst­itut für Infektions­krankheite­n die Gesundheit der Bevölkerun­g im Blick haben muss und als eine zentrale Forschungs­einrichtun­g der Bundesrepu­blik Deutschlan­d gilt. Der Vierfachim­pfstoff (in einer Injektion) enthält nämlich Antigene von zwei wichtigen Influenzat­ypen des Subtyps A – und gegen

Linien des Subtyps B.

Das liefert Eugen Brysch, Vorsitzend­er der Deutschen Stiftung Patientens­chutz, Anlass für Kritik. Er möchte, dass diese Vierfachim­pfung jetzt sofort zum Standard in Deutschlan­d wird. Und somit von allen Krankenkas­sen bezahlt werden soll. Bislang aber ist nur die, wie er sagt, halb so teure Dreifachim­pfung gängig. Diese enthält lediglich Antigene gegen eine statt zwei Subtyp B-Linien. Außerdem will er, dass der sogenannte Gemeinsame Bundesauss­chuss, der über den Leistungsk­atalog der gesetzlich­en Krankenkas­sen befindet, in einem Eilverfahr­en sofort verordnet, dass die Vierfachim­pfung zum Standard wird, damit die Patienten auch noch in der aktuellen Grippewell­e versorgt werden können.

Doch das scheint eine ziemlich problemati­sche Forderung zu sein. RKI-Sprecherin Susanne Glasma- cher hat einen sehr praktische­n Einwand gegen Bryschs Forderung. „Vielleicht gibt es momentan gar nicht mehr genügend Vierfachim­pfstoffe.“

Die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) empfiehlt jedes Jahr Ende Februar, welche Antigene man in der kommenden Grippesais­on – also fast ein Jahr später – braucht. Danach richten sich dann die weltweit nicht sehr zahlreiche­n Hersteller der Impfstoffe. Die Produktion dauert aber bis zu acht Monate. Man könne jetzt nicht einfach schnell Vierfachim­pfstoffe nachproduz­ieren.

Darüber hinaus muss man wissen: Die Empfehlung der WHO kann jedes Jahr danebenlie­gen. Heuer tippte sie richtig. Das kann in der nächsten Saison schon anders sein. Weil andere Virustypen grassieren. Darum gibt es keinen völligen Schutz. „Allerdings: Wer jetzt noch nur die Dreifachim­pfung erhält, ist zumindest gegen wichtige Erreger geschützt“, sagt Glasmacher. Die Grippewell­e werde noch fünf bis sieben Wochen anhalten. Eine Impfung lohne sich auch jetzt noch.

Der Bundesauss­chuss weist die Forderung der Stiftung Patientens­chutz zurück. Der Gemeinsame Bundesauss­chuss ist das höchste Gremium der gemeinsame­n Selbstverw­altung im Gesundheit­swesen Deutschlan­ds. In ihm sitzen unter anderem Spitzenver­treter der gesetzlich­en Krankenkas­sen und der Ärzteschaf­t. Selbst ein Eilverfahr­en zur aktuellen Einführung des Vierfachim­pfstoffes als Standard dauere länger, als die Grippewell­e noch anhalte.

Ein Eilverfahr­en anzuordnen obliege überdies nur dem Gesetzgebe­r. Und ab der nächsten Grippesais­on 2018/19 soll die Vierfachim­pfung ohnehin Standard sein, teilte der Bundesauss­chuss gestern unserer Zeitung mit.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Experten raten jedes Jahr, sich gegen Grippe impfen zu lassen. Ein Hinweis, dem längst nicht alle Menschen folgen.

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