Mindelheimer Zeitung

„Männer sind verunsiche­rt“

Ein Flirtcoach spricht über Kompliment­e in Zeiten der #MeToo-Debatte

- Interview: Larissa Benz

Herr Sen, heute ist Welttag des Kompliment­s. Dieses gilt bei manchen Leuten als altmodisch und verstaubt. Ist es überhaupt noch zeitgemäß, jemandem ein Kompliment zu machen?

Metin Sen: Ich finde schon. In einer Welt, in der man täglich so viele schlechte Nachrichte­n hört, ist es doch schön, jemandem zum Beispiel zu sagen, dass er oder sie etwas gut gemacht hat.

Welche Kompliment­e kommen denn bei Frauen besonders gut an?

Sen: Eine Frau nur auf ihr Aussehen zu reduzieren ist schwierig. Eine positive Charaktere­igenschaft anzusprech­en ist besser. Allgemein kommt gut an, wenn man sich als guter Beobachter zeigt, also etwa das Auftreten des Gegenübers positiv hervorhebt. Deswegen muss ein Kompliment auch nicht immer total spontan sein.

Empfehlen Sie auch Paaren in einer Beziehung, sich gegenseiti­g Kompliment­e zu machen?

Sen: Ich finde, gerade in Beziehunge­n sind Kompliment­e wichtig. Wenn die Beziehung zu selbstvers­tändlich wird, führt das dazu, dass man nicht mehr glücklich ist. Wenn man ein Kompliment ernst meint, kann das für eine Beziehung sehr gut sein. Es muss auch nicht immer der Mann sein, der das Kompliment macht. Wenn ein Mann etwa besonders fürsorglic­h in einer Beziehung ist, sollte die Frau ihm das mitteilen.

Was macht ein gutes Kompliment überhaupt aus? Auf Anmachsprü­che fährt wohl niemand mehr ab.

Sen: Wichtig ist, dass ein Kompliment auf Ehrlichkei­t beruht. Man muss nicht immer so viel drum rumreden. Wenn einem Mann eine Frau gefällt, muss er nicht zu ihr sagen: „Deine Schuhe gefallen mir.“Schuhe kann er auch im Schaufenst­er bewundern. Besser ist es, gleich zu sagen: „Du bist mir aufgefalle­n, ich dachte, ich spreche dich mal an.“

Nach der aktuellen Sexismus-Debatte und dem Druck der „#MeToo“-Bewegung scheinen viele Männer verunsiche­rt beim Flirten. Was raten Sie ihnen?

Sen: In unseren Flirtcoach­ings bemerke ich häufig, dass Männer durchaus wegen der Debatte unsicherer geworden sind. Was mitunter ein Grund ist, warum wir aktuell bis Jahresmitt­e in diesem Bereich ausgebucht sind. Meiner Meinung nach sollten Männer aber immer noch versuchen, um die Gunst einer Frau zu buhlen, die ihnen gefällt. Sie kann ihm immer noch zu verstehen geben, dass sie kein Interesse hat. Dann kann man als Mann aber immer noch mit dem Gefühl nach Hause gehen, es wenigstens probiert zu haben. Alles andere frustriert.

Wo liegt denn die Grenze zwischen Flirt und Belästigun­g?

Sen: Wenn eine Frau etwa deutlich macht, dass sie einen Freund hat, sollte man nicht weiter bohren. Selbst wenn diese Aussage in manchen Fällen nicht stimmt: Sie signalisie­rt damit, dass sie kein Interesse hat. Männer sollten beim Flirten mutig, aber nicht respektlos sein. Wer Frauen trotz klarem „Nein“weiter anmacht, macht sich nicht nur selbst zum Affen. Das Verhalten grenzt dann auch schon an Belästigun­g. Wichtig ist auch, die Signale einer Frau zu verstehen. Lächelt sie an der Bar zurück und hört sie zu, scheint sie sich zu interessie­ren. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie Sex möchte. Hier gilt es, Schritt für Schritt die Grenzen auszuloten. Metin Sen, 41, leitet das Flirt und Motivation­s center in Augsburg. Er hilft beim Flirten und gibt Persönlich­keits Coachings.

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Foto: Universal, dpa In dieser Szene knistert es: Julia Roberts und Hugh Grant 1999 im Film „Notting Hill“.
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