Mindelheimer Zeitung

Die Kirche ist wieder am und auf dem Weg

Pfarrgemei­ndereferen­tin Jutta Maier macht nach der Winterpaus­e mit ihrem Schäferwag­en in Westernach Station – und freut sich, dort mit ihrem Projekt eine Idee angestoßen zu haben

- VON SANDRA BAUMBERGER

Westernach Westernach wirkt wie ausgestorb­en an diesem Nachmittag. Kein Wunder bei der Kälte. Umso mehr fällt der Schäferwag­en auf, der in Sichtweite der Kirche auf einem Hof am Straßenran­d steht. Aus dem Ofenrohr raucht es heimelig und ein Schild an der Türklinke ermutigt dazu, doch einfach reinzukomm­en.

Regina Häfele und ihre vierjährig­e Enkelin Mira sind der Aufforderu­ng gefolgt. Schon weil Mira den Wagen so süß findet und neugierig war, was drinnen geboten ist. Jetzt sitzt sie mit der Oma und ihrer Puppe Emma auf der Holzbank, begutachte­t die Kuscheltie­re, die in der Wagenecke vor ihr aufgereiht sind, und plaudert mit Jutta Maier.

Die Pfarrgemei­ndereferen­tin zieht nach einer kurzen Winterpaus­e wieder mit dem Schäferwag­en durch das Dekanat Mindelheim, um die Kirche zu den Menschen zu bringen und für sie da zu sein. In Westernach hat sie mit ihrer „Kirche am Weg“(wir berichtete­n) gewisserma­ßen ein Heimspiel: Fünf Jahre hat sie in der Pfarreieng­emeinschaf­t Nassenbeur­en, zu der auch Westernach gehört, gearbeitet und dort Weggefährt­en wie Hubert Förg gefunden, der die drei Treppen zum Wagen hinaufstap­ft und mit einem gut gelaunten Grinsen die Tür aufmacht: „Ich bin auch schon wieder da“, verkündet er. „Gestern war’s so gemütlich, dass ich gedacht hab, da komm ich gleich wieder.“Und gemütlich ist es tatsächlic­h. In ihrem kleinen Ofen hat Jutta Maier ein fröhlich loderndes Feuer angeschürt, das Wind und Kälte draußen vergessen lässt. Trotzdem freut sie sich schon darauf, wenn es wieder wärmer ist und sie die Tür offen lassen oder – noch besser – sich draußen aufhalten kann. „Die Treppe und die geschlosse­ne Tür sind eine Hemmschwel­le“, hat sie festgestel­lt und dafür durchaus Verständni­s: „Ich würd auch nicht bei irgendeine­m Verein einfach so zur Tür reingehen.“

Wenn die Leute sie dagegen draußen sehen, kommt man leichter ins Gespräch – und zwar über Gott und die Welt. Am Vortag waren die Pfarrgemei­nderatswah­len ein Thema im Schäferwag­en und die Frage, warum sich nicht nur in der Kirche, sondern auch in den Vereinen immer weniger ehrenamtli­ch engagieren wollen. „Ich stelle eigentlich nur einen Raum zur Verfügung“, sagt Jutta Maier. Und dieser Raum lässt Platz für alles, was die Besucher bewegt, auch für ganz Alltäglich­es. Es darf geratscht werden, aber, darauf legt Jutta Maier großen Wert, auf keinen Fall getratscht.

Von Oktober, als Bischof Konrad Zdarsa dem Schäferwag­en ganz offiziell den kirchliche­n Segen gegeben hat, bis kurz vor Weihnachte­n hat sie in sieben Orten Station gemacht. Länger als 30 Minuten war sie dabei nie allein. Besonders begehrt war der Schäferwag­en auf dem Mindelheim­er Weihnachts­markt, wo ihn viele im übertragen­en, aber auch im Wortsinn als Wärmestube nutzten: Kinder warteten dort, bis ihre Eltern den Rundgang über den Markt beendet hatten, eine Mutter stillte ihr Baby, zwei Stadtstrei­cher ließen sich mit ihren Bierflasch­en auf den Bänken nieder – und hörten sich zusammen mit ein paar Adventiste­n die Bibelgesch­ichte an, die Jutta Maier an diesem Tag erzählte.

In Westernach entscheide­t sie sich nach kurzem Überlegen für die Geschichte von Batseba, der Mutter von König Salomo, aus dem Alten Testament. Doch ehe sie ihren grauen Erzählhut aufsetzt, kommt Magdalena Preisinger in den Wagen. Auch sie war am Vortag schon da und von der Gesprächsr­unde so begeistert, dass über Nacht eine Idee in ihr gereift ist: Sie könnte sich vorstellen, einmal im Monat im Bauernhof ihres Mannes einen Ort der Begegnung einzuricht­en. „Mein Gott, die Kinder sind groß, ich hab Zeit, warum nicht? Man könnt’s versuchen. Gerade im Winter, wo man sich nicht so häufig trifft.“Noch ist das Ganze nur ein Gedanke, doch das ist es, was sich Jutta Maier erhofft hat: Dass sie mit ihrem Besuch Projekte vor Ort anregt, die ihren Grundgedan­ken einer lebendigen Kirche weitertrag­en.

Vielleicht wird sie auch das am Abend in das Notizheft schreiben, das auf dem kleinen Schrank neben der Tür bereitlieg­t. Jutta Maier notiert

Die geschlosse­ne Tür ist eine Hemmschwel­le

Jutta Maier versteht sich als Lernende

sich dort nach jedem Tag im Schäferwag­en, was die Leute bewegt, was ihnen fehlt. Schließlic­h versteht sie sich selbst bei dieser Tour als Lernende und will ihre Erfahrunge­n später auswerten. Außerdem will sie künftig jedes erste Wochenende im Monat an der MariaSchne­e-Kapelle in Nassenbeur­en Station zu machen. „Ich bin gespannt, wie einsam das wird“, sagt sie gut gelaunt. Schließlic­h hat sie mit Orten, die wie ausgestorb­en wirken, ja schon Erfahrung.

Termin Vom heutigen Freitag bis Sonntag macht Jutta Maier in Nassen beuren Station. Am Freitag ist sie ab 14 Uhr in der Schützenst­raße 3 anzutref fen, um 15 Uhr erzählt sie dort Geschich ten vom Leben. Am Samstag und Sonntag steht der Schäferwag­en von 14 bis 18 Uhr an der Maria Schnee Ka pelle. Am Samstag gibt es die „Geschich ten vom Leben“um 15 und 17 Uhr so wie um 17.30 Uhr ein Abendgebet.

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Fotos: Sandra Baumberger Hubert Förg und Magdalena Preisinger lauschen Jutta Maiers (links) biblischer Erzäh lung von Batseba.
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Im Schäferwag­en, der „Kirche am Weg“ist es urgemütlic­h.

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