Zwischen zwei Ländern
Vor drei Jahren kam Alexander Pavlyukov mit seiner Familie aus der Ukraine ins Wertachtal. Er floh aus Angst vor dem Bürgerkrieg. Doch nun muss er wieder ausreisen
Buchloe Vor drei Jahren kam Alexander Pavlyukov voller Hoffnung nach Buchloe. Jetzt muss er mit seiner Familie nicht nur die Stadt, sondern das Land verlassen. Er hat einen Ausreisebescheid bekommen – geht er nicht freiwillig, wird er abgeschoben.
Der 38-Jährige ist Ukrainer. Er kommt aus der Stadt Luhansk im Osten des Landes. Seit 2014 herrscht dort Krieg, Pavlyukovs Heimatstadt ist unmittelbar betroffen. Prorussische Milizen riefen dort eine Volksrepublik aus, die ukranische Armee hält dagegen. Auch seine Familie – bis dahin seine Frau und seine Tochter – habe darunter leiden müssen, erzählt Pavlyukov: „Zu uns ins Haus kamen Männer mit Automatikwaffen, die wollten, dass ich mit ihnen zusammen kämpfe.“Doch das wollte er nicht. Er sei kein aggressiver Mensch. Stattdessen arbeitete er als studierter Toningenieur im Produktionsstudio eines Radiosenders.
Aus Angst vor dem Krieg floh die Familie, seinen Job musste Pavlyukov aufgeben. Weil seine Schwester in Reutlingen wohnt, habe er beschlossen, mit Frau und Tochter nach Deutschland zu gehen. Doch der Anfang war nicht leicht. „Zwei Wochen lang lebten wir mit 5000 Menschen in einer Flüchtlingsunterkunft, bevor wir nach Buchloe kamen“, sagt er.
In der Gennachstadt kam er in einem Mehrfamilienhaus für Flüchtlinge unter. Nach vier Monaten entdeckte er die Musikkapelle Buchloe für sich. „Ich habe Zuhause schon Trompete gespielt und unterrichtet, das macht mir Spaß“, erzählt der 38-Jährige. Später trat er auch dem Musikverein Frohsinn in Lindenberg sowie der JazzKur Big Band in Bad Wörishofen bei. „Das ist eine Hilfe für den Kopf“, schwärmt er.
Denn nur Zuhause sitzen sei für ihn nicht in Frage gekommen. Er wollte rauskommen – auch, um seine Sprache zu verbessern. Nach einem Deutschkurs habe er aufgegeben, denn Fortschritte seien wegen der ständigen Neuankömmlinge nicht möglich gewesen. Stattdessen wollte er mit den Buchloer Menschen sprechen und dadurch lernen. Deshalb suchte er sich auch schnell einen Arbeitsplatz. So kam es, dass er im September 2015 einen EinEuro-Job im Bauhof Buchloe begann. Dort habe er gemäht, Bäume geschnitten und andere kleine Tätigkeiten erledigt. Für ihn ein guter Weg, Deutsch zu lernen. Inzwischen beherrscht er die Sprache fast fließend. Dennoch kann er an seinen früheren Job als Toningenieur nicht anknüpfen: „Meine Ausbildung wird hier nicht anerkannt, ich müsste komplett von vorne anfangen“. Für seine Tochter Daria Pavlyukov scheint die Umstellung leichter gewesen zu sein. Die 13-Jährige, sagt der Vater, habe in der Grundschule schnell deutsch gelernt und seit sie in der Mittelschule ist, finde sie auch Anschluss.
Trotzdem fühle sie sich wie in einer Blase. „Wir haben keine normale Wohnung und die Umstellung hier ist auch sehr groß gewesen“, erzählt das Mädchen. Trotzdem gefalle ihr Buchloe. Sie habe, ebenso wie ihr Vater, auf ein sicheres Leben hier gehofft. Für ihre anstehenden Rückkehr in die Ukraine sieht sie wieder Stress auf die Familie zukommen. „Es ist einfach nicht unsere Heimat“, meint sie.
Die Abreise steht dennoch bevor, dieses Mal zu viert statt zu dritt. Denn Pavlyukovs Ehefrau hat in Buchloe ein zweites Kind zur Welt gebracht, das inzwischen ein Jahr alt ist.
Nach Angaben des Landratsamts Ostallgäu gibt es im Fall der Familie Pavlyukov keinen Grund für einen Schutz nach dem Asylrecht. Eine Aussage, die Alexander Pavlyukov nicht versteht. „Der Krieg in der Ukraine ist für die EU nicht offiziell, deshalb passiert das“, erklärt er sich die Situation. Wie es jetzt weiter geht, weiß er nicht. Arbeit gebe es in seinem Heimatland fast nicht, sein Zuhause sei zerstört, sagt er mit brüchiger Stimme. Doch gegen die Ausreise wehren kann er sich nicht mehr.