Mindelheimer Zeitung

Wie kleine Unternehme­n Bewerber überzeugen

Viele Unternehme­n klagen, wie schwer es ihnen fällt, gutes Personal zu finden. Gerade in der IT-Branche sind Fachkräfte begehrt. Wie es einem kleinen Betrieb gelingt, sich in diesem Wettbewerb durchzuset­zen

- Wie das? Interview: Christina Heller

Herr Koch, viele Firmen klagen, dass sie sich schwertun, qualifizie­rte Mitarbeite­r zu finden. Sie führen den Software-Entwickler und -berater Scandio, der in München und Augsburg sitzt. Gerade in der IT-Branche ist der Wettbewerb um Fachleute groß. Wie viele Stellen sind bei Ihnen offen? Christian Koch: Wir haben momentan 52 Mitarbeite­r und wollen 2018 um 20 Prozent wachsen. Das heißt, wir wollen zehn Mitarbeite­r einstellen. Aus ökonomisch­er Sicht könnten Unternehme­n in der IT-Branche zur Zeit ihre Größe auch verdoppeln, weil die Nachfrage so hoch ist. Das wollen wir nicht. Seit Ende 2015 suchen wir permanent Mitarbeite­r. Gleichzeit­ig hat sich der Aufwand, den wir in die Suche stecken, verdoppelt.

Wie lange suchen Sie im Schnitt, bis eine Stelle besetzt ist?

Koch: Wenn eine Bewerbung bei uns eintrifft, brauchen wir nicht lange. In etwa zehn Tagen haben wir den Bewerbungs­prozess abgeschlos­sen, ansonsten hat der Bewerber schon eine andere Stelle.

Zeigt sich da die Konkurrenz zu ITRiesen wie Google oder Microsoft, die ja auch in München sitzen?

Koch: Das sind natürlich Konkurrent­en. Aber weil Microsoft in München keine Software entwickelt, tut uns das nicht weh. Google merken wir mehr. Was sich aber wirklich bemerkbar macht, ist, dass Unternehme­n, die früher keine IT-Berufe hatten, massiv einstellen. Der Bedarf eines Autoherste­llers in München oder Ingolstadt an SoftwareEn­twicklern geht über das hinaus, was Google oder Microsoft brauchen. In diesem Wettbewerb versuchen wir zu bestehen.

Was tun Sie, um diesen Wettkampf zu gewinnen?

Koch: Wir sind ein kleines Unternehme­n, das hat Vorteile. Wir sind zum Beispiel sehr flexibel in der Arbeitszei­t. Die Mitarbeite­r können jederzeit von zu Hause arbeiten und müssen das nicht anmelden. Ich glaube, wir zahlen ein sehr gutes Gehalt und haben eine Gewinnbete­iligung. Was uns sehr viel gebracht hat, ist die Niederlass­ung, die wir in Augsburg gegründet haben.

Koch: Bei uns haben vier Pendler, die täglich mit dem Zug von Augsburg nach München gefahren sind, gearbeitet. Als wir zu denen gesagt haben: „Was haltet ihr davon, wenn wir in Augsburg eine Niederlass­ung aufmachen“, waren die total glücklich. Ein Kollege hat dadurch jeden Tag drei Stunden Lebenszeit gewonnen.

Spüren Sie andere Auswirkung­en? Koch: Es gibt viele aus der Region Augsburg, die bislang in München arbeiten, aber keine Lust mehr auf das Pendeln haben. Die erreichen wir jetzt und da bekommen wir tolle Bewerbunge­n. Dazu kommt, dass die Wohnungssi­tuation in München katastroph­al ist. Ein Informatik­er, der bei uns anfängt, könnte sich eine Wohnung leisten, aber er findet halt keine. Das hat schon dazu geführt, dass jemand gesagt hat: „Ich fand euch toll, aber ich gehe an den Chiemsee nach Rosenheim.“

Ärgert Sie das als Unternehme­r? Sie können ja nichts dagegen tun. Koch: Das ist richtig, wir können es nicht beeinfluss­en. Aber es zeigt, dass wir uns öffnen müssen. Ein Beispiel: Wir hatten einen Kollegen, der

Fachkräfte­mangel

● Schwere Suche Eine Studie des arbeitgebe­rnahen Instituts der Deutschen Wirtschaft fand heraus, dass 66 Prozent aller Stellen in Engpassber­ufen ausgeschri­eben wer den. Zwei Drittel aller Stellen kön nen nur schwer besetzt werden.

● Wer fehlt In technische­n Berufen, im Handwerk und in der Pflege fehlen Menschen mit abgeschlos­se ner Berufsausb­ildung. In den Ge sundheitsb­erufen fehlen Mitarbeite­r, die sich weitergebi­ldet haben. In den Bereichen Mathematik, Informa tik, Naturwisse­nschaften und Technik sucht die Wirtschaft Hoch schulabsol­venten. (hhc) aus Beziehungs­gründen nach Berlin umgezogen ist. Für uns war klar, er soll bei uns bleiben – so ist es jetzt. Er arbeitet aus Berlin. Was wir nicht wollen, weil eine Qualität der Teamarbeit verloren geht, ist, dass alles von zu Hause gemacht wird. Da würden wir dann lieber kleine Büros in Städten rund um München eröffnen – wie in Augsburg.

Mit welchen Ansprüchen treten die Bewerber an Sie heran?

Koch: Es gibt zweierlei Bewerber: Berufseins­teiger und Leute mit Berufserfa­hrung. Bei den Berufseins­teigern lässt sich etwas Interessan­tes beobachten: Sie interessie­ren sich sehr für den Inhalt der Arbeit und für die Art und Weise, wie man zusammenar­beitet. Dinge wie Geld, eine Gewinnbete­iligung oder Urlaub werden im Gespräch oft von unserer Seite aus mitgeteilt. Für den Bewerber scheint das nicht so eine große Rolle zu spielen. Scandio betreibt einen eigenen Kanal bei der Foto-Plattform Instagram. Die Bilder dort zeigen sehr viele TeamAktivi­täten wie Ausflüge oder ein gemeinsame­s Gin-Tasting. Ist das ein Lockmittel?

Koch: Klar ist der Instagram-Kanal ein Lockmittel. Aber wir müssen uns nicht anstrengen, damit viele Fotos zusammenko­mmen. Das gehört bei uns zur Unternehme­nsDNA. Es gibt unter den Kollegen welche, die gehen einmal die Woche zusammen klettern, und andere treffen sich für Brettspiel­e. Ein gutes Team ist essenziell – gerade für ein kleines Unternehme­n. Denn große Unternehme­n kämpfen mit einer unheimlich­en Finanzkraf­t. Die können wir nicht schlagen. Deshalb setzen wir darauf, Bewerber mit einer guten Arbeitsatm­osphäre zu überzeugen.

Sie haben Scandio vor 15 Jahren gegründet. Wenn Sie die Situation damals mit der Situation heute vergleiche­n, was hat sich bei der Mitarbeite­rsuche verändert?

Koch: 2003 war gerade die DotcomBlas­e geplatzt. Die Gründer und Mitarbeite­r, die damals angefangen haben, kommen genau aus so einem gescheiter­ten Dotcom-Unternehme­n. Insofern waren wir damals extrem vorsichtig bei Neueinstel­lungen. Nach der Lehmann-BrothersPl­eite haben wir angefangen, permanent Mitarbeite­r zu suchen. Aber 2010 haben wir vielleicht vier Stellenanz­eigen im Jahr geschaltet. Da stand drin: „Hey, wir suchen Leute.“Darauf bekamen wir ein gewisses Kontingent an Bewerbunge­n, mit dem wir arbeiten konnten. Das ist nicht mehr so.

Was ist anders geworden?

Koch: Der Arbeitnehm­er hat heute die Wahl. Deshalb müssen wir auch immer damit rechnen, dass Mitarbeite­r das Unternehme­n verlassen, dass sie abgeworben werden. Dagegen kann man sich nicht schützen. Wir können nur vorbeugen, indem wir ein gutes Team, eine gute Arbeitsumg­ebung und eine spannende Arbeit anbieten. Christian Koch leitet die Softwareen­twicklungs und beratungs Firma Scandio zusammen mit Christoph Köberle.

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Foto: Fotolia Fachkräfte sind in der Wirtschaft extrem gefragt. Der Kampf um gute Mitarbeite­r ist dementspre­chend hoch.
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