Wer hat Angst vor Li Shufu?
Politik und Industrie diskutieren über den Einstieg des Chinesen bei Daimler. Die Mitarbeiter allerdings bleiben entspannt
Stuttgart So aufgeregt die Politik auf den neuen Großaktionär aus China beim deutschen Vorzeigekonzern Daimler reagiert, so gelassen geben sich die Leute vor Ort an der Konzernzentrale im Stuttgarter Stadtteil Untertürkheim. „Ich habe kein Problem damit. Ob das ein Chinese oder ein Araber ist, macht für mich keinen Unterschied“, sagt ein Mitarbeiter und spielt damit auf den kuwaitischen Staatsfonds an, der zweiter Daimler-Großaktionär ist. Echte Besorgnis ist nicht zu spüren. Allenfalls zeigen die Werker eine gewisse Verunsicherung: „Ich weiß nicht, ob das positiv wird oder am Ende negativ“, sagt einer. Ein anderer hält dagegen: „In meiner Abteilung spüre ich kein negatives Gefühl. Da spielt das keine Rolle.“
Vor einer Woche war bekannt geworden, dass der chinesische Milliardär Li Shufu mit seinem Autokonzern Geely fast zehn Prozent der Daimler-Aktien gekauft hat. Der Einstieg sorgt seitdem für Diskussionen in Politik und Industrie. Zuletzt mahnte Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries erneut schärfere Regeln für ausländische Beteiligungen an. Für die Mitarbeiter sei das aber kein großes Thema, sagt auch Joachim Horner, Betriebsratsvorsitzender im Werk Mannheim. „Die Aktionärsstruktur ist so weit weg, dass sie in der Wahrnehmung keine Rolle spielt.“Allenfalls werde gefragt, wie Li Shufu aus dem Nichts fast zehn Prozent der Anteile kaufen und wie er die sieben Milliarden Euro mobilisieren konnte.
„Das deckt sich mit meiner Wahrnehmung“, bestätigt Roman Zitzelsberger, der als Stuttgarter Bezirksleiter der IG Metall auch Mitglied im Daimler-Aufsichtsrat ist. Zitzelsberger rät zur Gelassenheit. „Das ist ein wichtiger Ankeraktionär. Aber den Laden kann er nicht übernehmen“, sagt er. Denn seine 9,7 Prozent der Anteile würden umgekehrt bedeuten, dass er gut 90 Prozent der Aktien nicht besitzt: „Es ist keine Gefahr im Verzug.“Klar sei, dass die Arbeitnehmerschaft an langfristig orientierten Eigentümern interessiert sei, denen es um die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens geht.
Zitzelsberger begründet seine Sichtweise mit den Berichten der Kollegen von Volvo. Den schwedischen Hersteller hat Lis Firma Geely 2011 übernommen. Die Liaison eines Massenproduzenten aus China und einer nicht profitablen Premiummarke war anfangs auf viel Skepsis gestoßen. Inzwischen gilt die Verbindung als Erfolgsmodell. Dort habe Li „nicht alles eingerissen“, urteilt Zitzelsberger. Generell gebe es mit chinesischen Investoren eher positive Erfahrungen. Auch Horner findet: „Bei Volvo läuft es vernünftig.“Es gebe keine Schlagzeilen, ganz anders als etwa bei Opel.
Die Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat halten sich sehr bedeckt. Man werde sich „intensiv damit auseinandersetzen, welche Auswirkungen der Einstieg von Geely für das Unternehmen insgesamt sowie die Sicherheit von Standorten und Arbeitsplätzen in Deutschland hat“. Sie formulieren die Erwartung an Li Shufu, „dass er langfristiges Interesse an Daimler hat und unser Unternehmen gemeinsam mit den Beschäftigten weiterentwickeln will“. Diesen kargen viereinhalb Zeilen sei nichts hinzuzufügen, sagte die Sprecherin des Gesamtbetriebsrats.