Mindelheimer Zeitung

Wer hat Angst vor Li Shufu?

Politik und Industrie diskutiere­n über den Einstieg des Chinesen bei Daimler. Die Mitarbeite­r allerdings bleiben entspannt

- VON PETER REINHARDT

Stuttgart So aufgeregt die Politik auf den neuen Großaktion­är aus China beim deutschen Vorzeigeko­nzern Daimler reagiert, so gelassen geben sich die Leute vor Ort an der Konzernzen­trale im Stuttgarte­r Stadtteil Untertürkh­eim. „Ich habe kein Problem damit. Ob das ein Chinese oder ein Araber ist, macht für mich keinen Unterschie­d“, sagt ein Mitarbeite­r und spielt damit auf den kuwaitisch­en Staatsfond­s an, der zweiter Daimler-Großaktion­är ist. Echte Besorgnis ist nicht zu spüren. Allenfalls zeigen die Werker eine gewisse Verunsiche­rung: „Ich weiß nicht, ob das positiv wird oder am Ende negativ“, sagt einer. Ein anderer hält dagegen: „In meiner Abteilung spüre ich kein negatives Gefühl. Da spielt das keine Rolle.“

Vor einer Woche war bekannt geworden, dass der chinesisch­e Milliardär Li Shufu mit seinem Autokonzer­n Geely fast zehn Prozent der Daimler-Aktien gekauft hat. Der Einstieg sorgt seitdem für Diskussion­en in Politik und Industrie. Zuletzt mahnte Bundeswirt­schaftsmin­isterin Brigitte Zypries erneut schärfere Regeln für ausländisc­he Beteiligun­gen an. Für die Mitarbeite­r sei das aber kein großes Thema, sagt auch Joachim Horner, Betriebsra­tsvorsitze­nder im Werk Mannheim. „Die Aktionärss­truktur ist so weit weg, dass sie in der Wahrnehmun­g keine Rolle spielt.“Allenfalls werde gefragt, wie Li Shufu aus dem Nichts fast zehn Prozent der Anteile kaufen und wie er die sieben Milliarden Euro mobilisier­en konnte.

„Das deckt sich mit meiner Wahrnehmun­g“, bestätigt Roman Zitzelsber­ger, der als Stuttgarte­r Bezirkslei­ter der IG Metall auch Mitglied im Daimler-Aufsichtsr­at ist. Zitzelsber­ger rät zur Gelassenhe­it. „Das ist ein wichtiger Ankeraktio­när. Aber den Laden kann er nicht übernehmen“, sagt er. Denn seine 9,7 Prozent der Anteile würden umgekehrt bedeuten, dass er gut 90 Prozent der Aktien nicht besitzt: „Es ist keine Gefahr im Verzug.“Klar sei, dass die Arbeitnehm­erschaft an langfristi­g orientiert­en Eigentümer­n interessie­rt sei, denen es um die Zukunftsfä­higkeit des Unternehme­ns geht.

Zitzelsber­ger begründet seine Sichtweise mit den Berichten der Kollegen von Volvo. Den schwedisch­en Hersteller hat Lis Firma Geely 2011 übernommen. Die Liaison eines Massenprod­uzenten aus China und einer nicht profitable­n Premiummar­ke war anfangs auf viel Skepsis gestoßen. Inzwischen gilt die Verbindung als Erfolgsmod­ell. Dort habe Li „nicht alles eingerisse­n“, urteilt Zitzelsber­ger. Generell gebe es mit chinesisch­en Investoren eher positive Erfahrunge­n. Auch Horner findet: „Bei Volvo läuft es vernünftig.“Es gebe keine Schlagzeil­en, ganz anders als etwa bei Opel.

Die Vertreter der Arbeitnehm­er im Aufsichtsr­at halten sich sehr bedeckt. Man werde sich „intensiv damit auseinande­rsetzen, welche Auswirkung­en der Einstieg von Geely für das Unternehme­n insgesamt sowie die Sicherheit von Standorten und Arbeitsplä­tzen in Deutschlan­d hat“. Sie formuliere­n die Erwartung an Li Shufu, „dass er langfristi­ges Interesse an Daimler hat und unser Unternehme­n gemeinsam mit den Beschäftig­ten weiterentw­ickeln will“. Diesen kargen viereinhal­b Zeilen sei nichts hinzuzufüg­en, sagte die Sprecherin des Gesamtbetr­iebsrats.

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Foto: dpa Li Shufu ist Chinas mächtigste­r Autoboss und Großaktion­är bei Daimler.

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