Debatte um den Wert von Kunst
Die Documenta-Stadt will einen Obelisken behalten. Das gefällt nicht jedem – abgesehen von den Kosten
Kassel Von dem beabsichtigten Ankauf des Documenta-Kunstwerks Obelisk ist man in Kassel weit entfernt: Über einen Monat nach Beginn einer Spendenaktion seien 93000 Euro eingegangen, erklärt Susanne Völker, Kulturdezernentin der Stadt. Vereinbart worden waren mit dem Künstler Olu Oguibe 600000 Euro Honorar. Die Spendenbereitschaft wird durch eine Debatte gebremst, die um die Steinsäule entbrannt ist. Doch gerade deswegen sei der Obelisk ein sehr erfolgreiches Kunstwerk, erklärt Völker.
Der Ankauf von DocumentaWerken hat in Kassel Tradition: 16 Installationen stehen in der nordhessischen Stadt, in der alle fünf Jahre die weltweit bedeutendste Ausstellung für moderne Kunst stattfindet. Oft sind es Publikumslieblinge, die über Spenden angekauft werden. In diesem Jahr ist das anders: Die vom nigerianisch-amerikanischen Künstler Oguibe geschaffene Steinsäule spaltet die Meinungen. „Der Obelisk wird auf inhaltlicher und ästhetischer Ebene diskutiert“, so Völker. Einige finden die Steinsäule schlicht hässlich, andere den Standort in der Innenstadt unpassend. Und eine Debatte um den Wert von Kunst ist entbrannt.
Einen Tag nach Beginn der Sammlung hatte ein Mann die Frage „600000? Seid ihr blöd?“auf die Säule geschmiert. Selbst politisch ist das Kunstwerk, das sich mit Flucht beschäftigt, Gesprächsthema. Es trägt die in Deutsch, Englisch, Arabisch und Türkisch verfasste Inschrift „Ich war ein Fremdling und ihr habt mich beherbergt“aus dem Matthäus-Evangelium.
Ein AfD-Politiker hatte die Säule im vergangenen Jahr als „entstellte Kunst“bezeichnet und so für einen Eklat gesorgt. „Man muss aber auch deutlich machen: Nicht jeder, der sich gegen den Obelisken ausspricht, ist Rassist“, sagt dazu die Kulturdezernentin. Trotz oder gerade wegen der Konflikte sei der Obelisk ein gutes Kunstwerk: „Kunst, die keine Debatte auslöst, hat ihre Klasse verloren“, so Völker. Sie hält es für möglich, dass die Kasseler am Ende doch ihren Frieden mit dem Obelisken machen.
Auch Joseph Beuys’ „7000 Eichen“aus dem Jahr 1982 waren ja zunächst umstritten gewesen. Die Baumpflanzungen mit Basaltstein daneben wurden als „Verschandelung“beschimpft. Heute gehören die Eichen zu Kassel. „Die Stadt ist sehr stolz darauf“, sagt Völker.
„Die Inschrift des Obelisken zum Thema Migration greift ein Problem auf, das nicht nur in Kassel, sondern auch in Deutschland und weltweit offensichtlich ist“, kommentiert das Werk Volker Schäfer, der Vorsitzende der Stiftung „7000 Eichen“in Kassel. Das Kunstwerk mahne „zu einer offenen Diskussion um gesellschaftliche und um humane Lösungen und sollte deshalb unabhängig von der Frage nach seinem Standort in Kassel bleiben“. Eine Kulturstadt müsse solche Kontroversen aushalten. Die Debatte um die „7000 Eichen“von Beuys habe Kassel einst gutgetan.
Nun soll in Kassel noch bis Ende April Geld für den Obelisken gesammelt werden. Bisher haben vor allem Privatpersonen und eine Stiftung gespendet. Auch ein Verfehlen der Ankaufsumme muss laut Kulturdezernentin Susanne Völker nicht das Verschwinden des Kunstwerks aus Kassel bedeuten: „Das mit Oguibe vereinbarte Prozedere sieht vor, dass das Ergebnis offen ist.“
„Kunst, die keine Debatte auslöst, hat Klasse verloren“
„Ein Problem, das weltweit offensichtlich ist“