Mindelheimer Zeitung

Es geht ums Geld

Bürgermeis­ter Gruschka will die Gewerbeste­uer erhöhen, im Rat halten das viele für zu riskant. Deutlich wird, dass nur wenige Unternehme­n für den Großteil der Einnahmen sorgen – und dass der Großteil gar nicht zahlen muss

- VON MARKUS HEINRICH

Bad Wörishofen Vor großer Kulisse hat sich der Stadtrat von Bad Wörishofen mit der Zukunft der Gewerbeste­uer befasst. Die Stadt rechnet heuer mit Einnahmen von sieben Millionen Euro. Unter den Zuhörern waren zahlreiche Unternehme­r, dazu drei Beschäftig­te des Landratsam­tes, die den Sitzungsve­rlauf beobachtet­en. Bürgermeis­ter Paul Gruschka (FW) machte deutlich, dass er den Gewerbeste­uersatz von 240 Prozent angesichts der Haushaltsl­age und der anstehende­n Investitio­nen der nächsten Jahre für zu niedrig hält. Unter anderem muss Bad Wörishofen ab 2019 viel Geld in die Feuerwehre­n, die Kanäle und in die Erweiterun­g der Kläranlage investiere­n. Allein heuer sollen 8,7 Millionen Euro investiert werden. Auch das Landratsam­t und der Kommunale Prüfungsve­rband empfehlen eine Steuererhö­hung. Gruschka schlug in der Sitzung einen Hebesatz von 280 Prozent vor. Alles andere hält er für zu hoch gegriffen. Man wolle die Unternehme­r nicht über Gebühr belasten und bleibe zudem konkurrenz­fähig. Der Landkreiss­chnitt liegt bei 306 Prozent.

Unterstütz­ung erhielt Gruschka von Wolfgang Hützler, dem Fraktionss­precher der Freien Wähler. Dass man sich aber auch dort nicht einig ist, zeigte der vehemente Widerstand gegen eine Erhöhung durch Wirtschaft­sreferent Alwin Götzfried (FW). Schnell war klar, dass es im Stadtrat keine Mehrheit für eine Erhöhung geben wird. Diskutiert wurde das aber ausführlic­h. Dabei meldete sich auch TricorChef Martin Müller zu Wort, um Wolfgang Hützler zu widersprec­hen: „Ich bin hier der größte Gewerbeste­uerzahler und Sie können sicher sein: Wenn der Hebesatz steigt, bleibt der Betrieb hier, aber die Steuern gehen weg.“Hützler hatte zuvor gesagt, er könne sich nicht vorstellen, dass die Unternehme­r ihren Standort einfach so im Stich lassen. Er strebe deshalb eine moderate Erhöhung gemeinsam mit den Wirtschaft­sführern an.

Dass vier Jahre vielleicht ein zu kurzer Zeitraum seien, um echte Erfolge zu sehen, mutmaßte GrünenFrak­tionssprec­herin Doris Hofer. So lange gilt der günstige Hebesatz jetzt schon. „Die sieben Millionen Euro Gewerbeste­uer sind schön, aber für einen Ort wie den unseren zu wenig“, stellte sie fest. Die Grünen verlangen in „den nächsten zwei Jahren“eine „spürbare Erhöhung“ Einnahmen. So lange werde man „dem Hebesatz noch eine Chance geben“, machte Hofer klar.

Finanzrefe­rentin Michaela BahleSchmi­d (CSU) erteilte einer Erhöhung eine klare Absage. Das Risiko sei zu groß. Sie verwies darauf, dass Bad Wörishofen in der Vergangenh­eit schon einmal an der Steuerschr­aube gedreht habe, bis zu einem Hebesatz von 330 Prozent in den Jahren 2002 bis 2008. Das Resultat sei gewesen, dass die Einnahmen der Stadt aus der Gewerbeste­uer gesunken seien. Erst später seien sie wieder gestiegen. Das könne aber auch an der zeitlich nahen Ansiedlung der Therme gelegen haben, mutmaßte Bahle-Schmid.

Kämmerin Beate Ullrich hatte in ihrer ausführlic­hen Betrachtun­g klar gemacht, dass sie mit Verlagerun­gen in der Wirtschaft rechne, sollte ein höherer Hebesatz gelten. Ullrich befürchtet sogar, dass schon bei einem Hebesatz von 280 Prozent kein ausgeglich­ener Haushalt mehr möglich sein könnte, weil durch Verlagerun­gen Einnahmen wegbrechen. Würden die Unternehme­r ihre Steuern in Bad Wörishofen belassen, würde die Stadt mehr ein- nehmen. Bei angenommen­en 3,7 Millionen Euro wären dies bei einem Satz von 280 Prozent nach Ullrichs Rechnung etwa 816000 Euro mehr im Jahr. Bei 330 Prozent käme Bad Wörishofen auf etwa 1,6 Millionen Euro Mehreinnah­men.

Die Kämmerin zeigte dem Stadtrat auch auf, wie sich die Gewerbeste­uer in Bad Wörishofen zusammense­tzt. Dabei wurde deutlich, dass lediglich 30 von 1734 Unternehme­n 66 Prozent der gesamten Einnahmen aufbringen. Von diesen 30 wiederum sind es nur 8 Unternehme­n, die allein für über 45 Prozent der Gewerbeste­uereinnahm­en sorgen. Wirtschaft­sreferent Götzfried sieht die große Gefahr, dass Bad Wörishofen bei einer Steuererhö­hung drei Millionen Euro an Einnahmen durch Verlagerun­gen verlieren könnte. „Ein Spiel mit dem Feuer“nannte Josef Kunder (CSU) die Forderung des Bürgermeis­ters. Schließlic­h habe Bad Wörishofen die Unternehme­r mit einem niedrigen Gewerbeste­uersatz „angelockt“. Das habe sich auch ausgezahlt. Nun verspiele man das Vertrauen, das dürfe nicht passieren. Auch Kämmerin Ullrich hatte darauf hingeder wiesen, dass Bad Wörishofen einst bei einem Hebesatz von 330 Prozent im Schnitt nur drei Millionen Euro pro Jahr aus der Gewerbeste­uer eingenomme­n habe. Seit der niedrige Satz gilt, habe sich das Gewerbeste­ueraufkomm­en im Schnitt bei 5,9 Millionen Euro eingepende­lt. Bahle-Schmid betonte zudem, dass sich seit Beginn der Absenkung im Jahr 2009 die Zahl der Betriebe von 1561 auf 1734 erhöht habe. Gewerbeste­uer zahlten zuletzt aber nur 26 Prozent oder 460 von ihnen. Alle anderen Unternehme­n sind entweder nicht steuerpfli­chtig oder hatten keine Steuer zu entrichten. Auch das geht aus den Zahlen der Kämmerin hervor. Ullrich legte außerdem in einer Grafik dar, dass vor allem Gemeinden an den umliegende­n Autobahnen mit moderaten Gewerbeste­uersätzen konkurrier­en würden.

Bürgermeis­ter Gruschka hatte argumentie­rt, Bad Wörishofen nehme durch den niedrigen Satz Nachteile beim kommunalen Finanzausg­leich in Kauf. Vereinfach­t gesagt, steigt der Anteil der Gewerbeste­uer, der in der Gemeinde verbleibt, je höher der Hebesatz ist. Gruschka verwies auf Mindelheim mit dem Hebesatz von 315 Prozent und der Weltfirma Grob. Der zwischenze­itlich verstorben­e Burkhart Grob habe ihm einst gesagt, der Mindelheim­er Hebesatz sei okay, berichtete Gruschka. „Es ist Zeit für eine Wende“, sagte Gruschka mit Blick auf Bad Wörishofen. Hier gelte es schließlic­h auch, den Kurbetrieb zu erhalten.

Eine Absage an den von Gruschka genannten 10-Punkte-Plan der Staatsregi­erung für Haushaltsk­onsolidier­ungen erteilten andere Redner. Dieser Plan beziehe sich ja auf sogenannte Bedarfszuw­eisungen für besonders klamme Kommunen, sagte Helmut Vater (SPD). Und davon sei Bad Wörishofen ja nicht betroffen.

Zweiter Bürgermeis­ter und CSUFraktio­nssprecher Stefan Welzel nannte den 10-Punkte-Plan sogar „brandgefäh­rlich“, weil es dabei auch darum um die freiwillig­en Leistungen einer Gemeinde gehe, an die man „ran“müsse.

Welzel beantragte die Absetzung, das wurde gegen die Stimme des Bürgermeis­ters auch so beschlosse­n. Zu der vorgesehen­en Abstimmung über den Gewerbeste­uerhebesat­z kam es so nicht.

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Foto: Alexander Kaya Wie sich die Gewerbeste­uer in Bad Wörishofen zusammense­tzt, erfuhren die Zuhörer der Stadtratss­itzung am Montag.

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