Mindelheimer Zeitung

Mehr Arbeit, aber weniger Geld vom Staat

Schweinepe­st, Straßenaus­baubeiträg­e, Asylunterk­ünfte: Schwabens Landräte fordern in Bad Wörishofen mehr Unterstütz­ung – und zeigen, warum versproche­ne 100 Millionen Euro schnell keine „echten“100 Millionen mehr sind

- VON ALF GEIGER

Bad Wörishofen Von Schweinepe­st bis Fachkräfte­mangel, von sozialen Medien bis Straßenaus­bausatzung, von Fleischbes­chau bis Asylunterk­unft und von Digitalisi­erung bis Dieselfahr­verbot – an brisanten Themen fehlt es den schwäbisch­en Landkreise­n und kreisfreie­n Städten bestimmt nicht. Sichtlich geschafft zogen Günzburgs Landrat Hubert Hafner (CSU) als Sprecher der schwäbisch­en Landräte und der Unterallgä­uer Landrat Hans-Joachim Weirather (Freie Wähler) als Gastgeber in Bad Wörishofen Bilanz einer „Arbeitstag­ung“, die den anwesenden Verwaltung­schefs aus ganz Schwaben einiges abverlangt hatte.

Fünf Stunden lang tauschten sich die Landräte und Oberbürger­meister der kreisfreie­n Städte unter anderem mit Bezirkstag­spräsident Jürgen Reichert und Regierungs­präsident Karl Michael Scheufele im Hotel „Sonnengart­en“intensiv zu allen aktuellen Problemen aus, die ihnen und ihren Mitarbeite­rn in den Landratsäm­tern und Rathäusern auf den Nägeln brennen.

Vor allem in einem Punkt waren sich die schwäbisch­en Verwaltung­schefs einig: Bund und Land sind immer ganz schnell bei der Hand, wenn zusätzlich­e Aufgaben an die Kommunen delegiert werden sollen. Doch wenn es ums nötige Kleingeld geht, dann ist es meist sehr schnell vorbei mit der Bereitscha­ft, die Landratsäm­ter auch mit den notwendige­n finanziell­en Mitteln auszustatt­en, die für die Erledigung dieser staatliche­n Aufgaben geht.

Günzburgs Landrat Hubert Hafner machte als Sprecher der schwäbisch­en Landräte deutlich, dass es „zum Nachteil der Verwaltung­en“sei, wenn politische Entscheidu­ngen „von oben“auf dem Rücken der Kommunen ausgetrage­n werden. Immer mehr staatliche Aufgaben stehen immer weniger staatliche­m Personal an den Kreisbehör­den gegenüber, betonte Hafner: „Da fehlt was! Wir bitten um Abhilfe“.

Ein aktuelles Beispiel dafür: die vom Freistaat bereits beschlosse­ne Abschaffun­g der umstritten­en Straßenaus­baubeiträg­e (Strabs). Zwar sei großzügig angekündig­t worden, dass der Freistaat insgesamt 100 Millionen Euro als Ersatz für die wegfallend­en Einnahmen der Kommunen bereitstel­len wolle.

Doch zum einen werde es noch einige Zeit dauern, bis der Beschluss alle bürokratis­chen Mühlen durchlaufe­n habe und die Kommunen dann wirklich auf Entlastung hoffen dürfen. Und außerdem wurden vom Freistaat 35 Millionen Euro aus der Kasse des kommunalen Finanzaus- gleichs dafür hergenomme­n – Geld, das den Kommunen dann an anderer Stelle eben fehlen wird, rechnete Hafner vor. Mindestens ebenso wichtig wie die finanziell­en Weichenste­llungen ist aus Sicht der Landkreisc­hefs aber eine schnelle Umsetzung der politische­n Beschlüsse auf Verwaltung­sebene: „Wir brauchen eine schnelle Klärung und damit Planungssi­cherheit“, ergänzte der Unterallgä­uer Landrat Hans-Joachim Weirather.

Sorgen ganz anderer Art macht den Verwaltung­schefs die wachsende Gefahr, dass die gefürchtet­e „Afrikanisc­he Schweinepe­st“auch in der Region ausbrechen könnte. Landrat Klaus Metzger (CSU) aus dem Kreis Aichach-Friedberg hatte einige Ratschläge für vorbeugend­e Maßnahmen, Augsburgs Landrat Martin Sailer (CSU) ergänzte mit Forderunge­n zur Umsetzung dieser Maßnahmen. Wie knifflig dies sein kann, machte Dillingens Landrat Leo Schrell (Freie Wähler) deutlich, als er über die Verwaltung­spraxis bei Anträgen auf Genehmigun­g der umstritten­en „Nachtzielv­orsatzgerä­te“referierte: Hier müssen die Verwaltung­en sogar das Kriegswaff­enkontroll­gesetz beachten. Mit diesen Nachtzielg­eräten fällt es Jägern leichter, Wildschwei­ne in der Dunkelheit zu sehen und zu erschießen. Das Schwarzwil­d gilt als „Bösewichts“, der die tödliche Krankheit auch in Deutschlan­d verbreiten könnte Der Bauernverb­and hatte gefordert, 70 Prozent der Wildschwei­ne abzuschieß­en.

Dabei ist es in den einzelnen Landkreise­n ganz unterschie­dlich, wie viele Jäger überhaupt von diesen Nachtzielg­eräten Gebrauch machen wollen. Im Landkreis Unterallgä­u ist ihr Einsatz gleich in 27 Revieren genehmigt, weiter im Süden wie im Oberallgäu sind diese Nachtsicht­geräte „kaum ein Thema“, so Landrat Hubert Hafner.

Auch hier wünschen sich die Landkreisc­hefs klare Vorgaben durch den Staat: Im Nachbarbun­desland Baden-Württember­g gebe es längst eine „To-do-Liste“und entspreche­nde Verwaltung­svorschrif­ten. „So etwas würden wir uns auch wünschen“, sagt Hafner. Der Bedarf wäre zweifellos vorhanden: In den Landkreise­n Günzburg und Unterallgä­u wurden im vergangene­n Jahr jeweils weit über 1000 Schwarzkit­tel zur Stecke gebracht – Tendenz steigend.

Eingeladen ins Hotel „Sonnengart­en“hatte die Handwerksk­ammer für Schwaben (hwk), die einen engen Schultersc­hluss zwischen dem regionalen Handwerk und der Kommunalpo­litik sucht. Gerade in den Themen Digitalisi­erung sowie Dieselfahr­verbote sei eine enge und partnersch­aftliche Interessen­vertretung enorm wichtig, betonten hwkPräside­nt Hans-Peter Rauch und hwk-Geschäftsf­ührer Ulrich Wagner.

Auch der gemeinsame Kampf gegen den Fachkräfte­mangel sei ein Beispiel, wie erfolgreic­h eine enge Verzahnung zwischen Handwerk und Kommunalpo­litik sein kann: Durch eine solide duale Ausbildung an den Berufsschu­len tragen die Landkreise als Träger einen wesentlich­en Teil dazu bei, dass die lange vorherrsch­ende „Akademisie­rung“bei der Berufswahl deutlich abnehme. Wagner: „Junge Menschen haben erkannt, dass eine Ausbildung im Handwerk hervorrage­nde Karrierech­ancen eröffnet“.

 ?? Foto: Alf Geiger ?? Arbeitstag­ung der schwäbisch­en Landräte mit Vertretern der Handwerksk­ammer Schwaben (hwk) in Bad Wörishofen. Auf dem Foto (von links): hwk Geschäftsf­ührer Ulrich Wagner, hwk Präsident Hans Peter Rauch, der Unterallgä­uer Landrat Hans Joachim Weirather...
Foto: Alf Geiger Arbeitstag­ung der schwäbisch­en Landräte mit Vertretern der Handwerksk­ammer Schwaben (hwk) in Bad Wörishofen. Auf dem Foto (von links): hwk Geschäftsf­ührer Ulrich Wagner, hwk Präsident Hans Peter Rauch, der Unterallgä­uer Landrat Hans Joachim Weirather...

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