Mindelheimer Zeitung

„Das kann nur der Anfang sein“

Die Bahn beginnt mit der Elektrifiz­ierung der Strecke zwischen Lindau und München. Endlich, sagt Herbert Müller, einer der Väter des Mega-Projektes – und fordert mehr

- Interview: Josef Karg

Sie gelten als einer der Väter der Elektrifiz­ierung der Bahnstreck­e München–Lindau. Haben Sie geglaubt, dass das Projekt jemals realisiert wird? Herbert Müller: Ich habe immer daran geglaubt, weil ich der Meinung war, dass es so viele gute und auch objektivie­rbare Gründe dafür gibt.

Aber es gab auch Zeiten, da stand das Projekt auf der Kippe.

Müller: Das kann man so sagen. Es gab einen politische­n Umschwung nach dem Abgang des früheren Wirtschaft­sministers Otto Wiesheu. Er war ein großer Befürworte­r der Elektrifiz­ierung. Da war alles auf einem guten Weg. Unter seinem Nachfolger Erwin Huber hat sich der Wind gedreht. Gott sei Dank war der nicht lange Wirtschaft­sminister. Danach wandelten sich die Rahmenbedi­ngungen wieder zum Guten. Vom Bund gab es immer Unterstütz­ung.

Was war ausschlagg­ebend, dass es nun geklappt hat?

Müller: Das war ganz sicher auch der starke Wunsch der Schweiz, die ja einen Kredit von 50 Millionen zuschießt. Man muss wissen: Es gibt keine Strecke in Europa, bei der die Luftlinie so kurz ist und die trotzdem mehr Menschen mit dem Flugzeug zurücklege­n als mit der Bahn. Das ist doch absurd! In Zukunft werden die Leute mit dem Zug viel schneller die Strecke München–Zürich zurücklege­n können. Da müssen dann auch keine Diesel-Loks mehr fahren.

Das ist ja gerade in Zeiten der Stickstoff­dioxid-Debatte interessan­t . . . Müller: Das Ganze kann auch darüber hinaus zu einem großen Fortschrit­tsprojekt für Schwaben werden. Wenn in zwei Jahren die Elektrifiz­ierung steht, wird der Fernverkeh­r mit Strom fahren. Der ganze Nah- und Regionalve­rkehr aber weiter mit Diesel. Das kann es nicht sein! Man muss darauf schauen, dass die Elektrifiz­ierung von Geltendorf bis Lindau zur Urmutter der Elektrifiz­ierung in Schwaben wird. Als nächstes großes Projekt müsste anstehen von Augsburg bis Buchloe. Dann kann man auch die Regionalzü­ge elektrifiz­ieren. Auch von Ulm bis Oberstdorf müssen mittelfris­tig die Züge mit Strom fahren.

Ist Kempten bahntechni­sch der Verlierer dieses Projekts?

Müller: Das wäre eine grobe Fehleinsch­ätzung. Es wäre so, wenn die jetzige Elektrifiz­ierung der Schlusspun­kt wäre. Das kann aber nur der Anfang sein. Und dann wären wir in Schwaben und im Allgäu der Gewinner. Jetzt muss es erst richtig losgehen!

Ist es für Sie ein Stück Genugtuung, als SPD-Mann in der politische­n Diaspora Bayern neben dem Ausbau der A8 solch ein Großprojek­t miteingetü­tet zu haben?

Müller: Genugtuung nicht, aber es ist eine ganz große Freude. Weil, gestatten Sie mir den Satz, es ist schön zu sehen, dass in einer Zeit, in der die SPD im Bund mit den Grünen regiert hat, die Weichen für solch sinnvolle Projekte gestellt wurden.

Sie hatten damals verdammt gute Beziehunge­n ins SPD-geführte Verkehrsmi­nisterium. Wie kamen denn die zustande?

Müller: Die kamen so zustande, dass ich bei einer wichtigen Verkehrsen­tscheidung mehr wusste als die Experten im Bundesverk­ehrsminist­erium. Es ging damals um den A8-Aus- bau. Das war um die Jahrtausen­dwende. Ich hatte aus München gehört, dass sich die CSU für den Ausbau entschiede­n hat und meldete mich im Bundesverk­ehrsminist­erium. Da habe ich nicht eher aufgegeben, bis ich den Büroleiter des Ministers am Telefon hatte und ihm die Nachricht überbracht habe. Der dachte zuerst, ich würde Unsinn erzählen. Doch es stellte sich heraus, dass ich recht hatte. Plötzlich haben die mich ernst genommen. Und ich setzte mich in der Folge dafür ein, dass das erste Pilotproje­kt für private Autobahnen nicht ins damals auch SPD-regierte Nordrhein-Westfalen, sondern nach Bayern ging. Herbert Müller, 73, gebo ren in Memmingen, saß von 1984 bis 2008 für die SPD im Bayerische­n Landtag.

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