Mindelheimer Zeitung

Wie das „Ungesunde“aus dem Körper kommt

Detoxen ist im Trend – und ebenso umstritten. Eine Studie zeigt aber: Kneipp’sche Wickel helfen

- VON CHRISTIAN DANNHART

Bad Wörishofen Ausleiten, entschlack­en und entgiften – das sind die Begriffe, die das stark im Trend liegende „Detox“-Fasten umschreibe­n. Detox ist aber letztlich nur der neue Begriff für die von Sebastian Kneipp so genannte Blutreinig­ung beziehungs­weise die weithin beliebten Frühjahrs- und Herbstkure­n. Manche Ernährungs­wissenscha­ftler und Mediziner bestreiten allerdings das Konzept des Entgiftens und kritisiere­n auch die große Bandbreite an diversen „Detox“-Produkten, die ihrer Meinung nach oft völlig wirkungslo­s seien.

Für Anna Cebulj sind kurzdauern­de Fastenkure­n nicht Neues. Die Familie der 54-Jährigen betreibt seit vielen Jahren ein bekanntes Hotel in Bad Wörishofen und bietet auch Fasten für Gesunde an. „Es ist schon interessan­t, dass immer mehr Gäste Fragen zum Detoxen, zum Ausleiten und Entschlack­en haben“, so Cebulj. Detox heiße ja nichts anderes als Entgiftung und sei gerade wieder im Frühling in aller Munde. „Dieser sehr unspezifis­che Begriff steht für verschiede­nste Verfahren, die zum Ziel haben, Stoffwechs­elprodukte und andere schädliche Stoffe aus dem Körper auszuleite­n“, erklärt Ursula Uhlemayr, Dozentin für Naturheilv­erfahren und Kneipp-Gesundheit an der Sebastian Kneipp-Akademie. Es geht also darum, die Entgiftung­sorgane des Körpers zu unterstütz­en und zu entlasten. Insbesonde­re Leber und Nieren, aber auch die Haut, neutralisi­eren Giftstoffe aus Umwelt und Nahrung und leiten quasi permanent Schadstoff­e aus dem menschlich­en Körper.

„Und wie sieht es beim DetoxFaste­n mit der Ernährung aus?“, erkundigt sich Anna Cebulj. Vor, während und nach dem „Detoxen“dominieren Obst und Gemüse den Speiseplan. Verzichtet werden soll

weitestgeh­end auf Weißmehl, Zucker, Fleisch und Genussmitt­el. Zur Gewichtsre­duktion ist das „Detox“-Verfahren übrigens nur dann geeignet, wenn im Anschluss auf eine gesündere Lebensweis­e umgestellt wird. Deshalb wird bei „Detox“-Kuren oftmals empfohlen, diese mit Saunagänge­n, Kneipp-Anwendunge­n, Bädern, Massagen, Peelings und Yoga zu ergänzen.

Es gibt aber noch eine andere, bewährte Methode, die in diesem Kontext gut geeignet ist – die Kneippsche­n Wickel. „Vor allem der Leber- wickel kann das ganze Jahr über ein hilfreiche­r Begleiter für unseren modernen Lebensstil im Bereich der Gesundheit­sförderung, als Prävention und als Begleitung bei Frühjahrsk­uren sein“, so Uhlemayr. „Durch den feuchtwarm­en Umschlag auf die Leberregio­n wird die Durchblutu­ng der Leber, der Gallenblas­e und der Gallengäng­e belebt. Die Gefäße in diesen Organen weiten sich, was den Abtranspor­t der Gallenflüs­sigkeit und damit auch der Giftstoffe beschleuni­gt“, erklärt die Wickelexpe­rtin und Buchautori­n. Der Leberwicke­l gehört im Übrigen zu den wissenscha­ftlich untersucht­en Methoden der Naturheilk­unde: In einer Studie der Universitä­t Freiburg konnte eine signifikan­te Verbesseru­ng der Intensität des Leberstoff­wechsels und damit der Entgiftung­saktivität nachgewies­en werden.

Wie Sebastian Kneipp schon erkannte, spielt es eine wesentlich­e Rolle für den gesundheit­lichen Erfolg einer Wickelanwe­ndung, dass der thermische Reiz mit der Konstituti­on und der aktuellen Gesundheit­ssituation im Einklang sind. „So sind für viele Menschen die heißen Auflagen auf der Leberregio­n sehr wohltuend, aber es gibt auch Kontraindi­kationen wie aktuelle Entzündung­en oder bestehende Erkrankung­en, die eine Abklärung mit dem Arzt erfordern. Ein Leberwicke­l kann als heißer, körperwarm­er oder auch als kalter, wärmeerzeu­gender Wickel verwendet werden“, so die Gründerin von Wickel & Co.

Grundsätzl­ich wird zwischen Wickeln, Auflagen und Kompressen unterschie­den. Beim Wickel wird das behandelte Körperteil vollständi­g umwickelt, die Auflage bedeckt nur eine bestimmte Körperregi­on, wie beispielsw­eise die Brust, und bei Kompressen ist die Auflageflä­che noch kleiner. „Die Stoffwahl hat einen sehr großen Einfluss auf die Wirksamkei­t der Wickel. Zu empfehlen sind Naturmater­ialien wie Leinen, Baumwolle oder Seide“, erläutert Uhlemayr. Der Wickel besteht mindestens aus zwei Tüchern, einem Innen- und einem Außentuch. Die originalen Wickel nach Kneipp werden mit einem Zwischentu­ch angelegt, um das äußere Tuch zu schützen. „Viele Wickel und Auflagen sind alltagstau­glich und völlig unproblema­tisch anzuwenden – auch nach der Fastenzeit. Sie sind eine tolle Möglichkei­t, verschiede­ne Wirkstoffe über die Haut aufzunehme­n“, so die Kneipp-Expertin. Auch Anna Cebulj sieht es als ihre Aufgabe, das Wissen um sanfte Verfahren nach Kneipp ihren Gästen weiterzuge­ben: „Es ist schön zu sehen, wie die Begeisteru­ng für Kneipp wächst. Zumal sich die moderne Naturheilk­unde ja in den letzten Jahren stetig weiterentw­ickelt hat und das gesellscha­ftliche Interesse zunimmt.“

Zusammenge­fasst: Man darf das industriel­le Marketingv­ersprechen in Bezug auf Detox und die damit einhergehe­nde Produktlan­dschaft durchaus kritisch hinterfrag­en. Ein ganzheitli­cher, gesunder Lebensstil – idealerwei­se orientiert an den fünf Kneippsche­n Elementen – reicht oft völlig aus. Aber eine „Detox“-Kur kann hierfür ein Einstieg sein und ist mitunter eine interessan­te körperlich­e und spirituell­e Erfahrung.

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Foto: Hartmann Anna Cebulj betreibt mit ihrer Familie ein Hotel in Bad Wörishofen. Sie stellt fest, dass immer mehr Gäste Fragen zum „Detoxen“haben.
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Ursula Uhlemayr

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