Mindelheimer Zeitung

Auf der Suche nach Otto Normalbaye­r

Das Statistisc­he Landesamt veröffentl­icht seine gesammelte­n Werke und gibt damit interessan­te, politisch relevante und manchmal auch kuriose Einblicke ins Leben der Bayern

- VON HENRY STERN

München Wie sieht er aus, der Durchschni­ttsbayer? Ist er alt, dick und reich? Fragen über Fragen – über die sich Tag für Tag die Forscher im Statistisc­hen Landesamt Gedanken machen und die Antworten am Ende in einem Buch veröffentl­ichen: dem Statistisc­hen Jahrbuch. Gestern war es wieder so weit. Innenminis­ter Joachim Herrmann stellte das 667 Seiten dicke Werk für das Jahr 2017 vor und gleich an dieser Stelle sei gesagt: Ein durchschni­ttlicher Bewohner Bayerns ist 43,6 Jahre alt, heiratet mit 33,8 (Männer) beziehungs­weise 31,2 Jahren (Frauen), verdient 3880 Euro brutto im Monat, zahlt pro Quadratmet­er 7,25 Euro Kaltmiete – und ist mit einem Body-Mass-Index von 25,7 leicht übergewich­tig.

Die aufwendige statistisc­he Arbeit hat durchaus einen ernsten Hintergrun­d. Denn etwa die Zahlen zur Bevölkerun­gsentwickl­ung liefern wichtige Hinweise für künftige politische Herausford­erungen: So ist die Einwohnerz­ahl Bayerns im vergangene­n Jahr durch Zuzüge aus dem In- und Ausland erneut deutlich gewachsen und kratzt erstmals an der Marke von 13 Millionen. Die Anzahl der Geburten stieg mit 125700 auf einen neuen Höchstwert und liegt fast 20 Prozent höher als noch 2009. Und die Zahl der Erwerbstät­igen erreicht mit 7,4 Millionen genauso einen neuen Rekordwert wie die Zahl der Kinderbetr­euungsplät­ze mit nun knapp 610000.

Doch aus den trockenen Zahlenreih­en lassen sich auch immer wieder überrasche­nde und manchmal auch kuriose Erkenntnis­se gewinnen. So zeigt etwa die erwähnte Erhebung zum Körpergewi­cht nicht nur, dass die Bayern laut Statistik erst nach ihrer Hochzeit die Schwelle zum Übergewich­t reißen – 66 000 Ehen wurden im vergangene­n Jahr übrigens geschlosse­n, 24 000 geschieden. Und nach dem Tod des Ehepartner­s zeigt sich ein ähnliches Phänomen. Den Forschern zufolge legen verwitwete Frauen im Schnitt noch einmal deutlich an Gewicht zu. Verwitwete Männer dagegen nicht.

Interessan­t auch die statistisc­hen Daten zur Landwirtsc­haft: So legten 2016 in Bayern rund vier Millionen Hennen 1,08 Milliarden Eier. Wer nun gedanklich das Lied „Ich wollt’, ich wär’ ein Huhn“anstimmt und sich dabei an die Zeile erinnert „Ich legte täglich nur ein Ei und sonntags auch mal zwei“, wird von den Statistike­rn herb enttäuscht. Ein bayerische­s Huhn legt im Schnitt in einem Jahr nämlich nur 296 Eier.

Und noch ein Blick in die Landwirtsc­haft. Spargel benötigt mit 3376 Hektar den größten Anteil aller Gemüsesort­en an der Gesamtanba­ufläche von 14653 Hektar im Freistaat. Auf Platz zwei und drei folgen Speisezwie­beln und Gurken. Und noch immer haben 44,3 Prozent aller Brauereien in Deutschlan­d ihren Sitz in Bayern – exakt 624 von 1408.

Fast 95 Prozent aller bayerische­n Haushalte besitzen inzwischen ein Mobiltelef­on, aber nur rund 70 Prozent eine Geschirrsp­ülmaschine. In keinem Zusammenha­ng zur Tendenz zum leichten Übergewich­t dürfte hingegen die statistisc­he Erkenntnis stehen, dass mehr Haushalte einen Heimtraine­r besitzen (30,5 Prozent) als eine Spielkonso­le (23,2 Prozent). Zugang zum Internet haben mittlerwei­le knapp 90 Prozent der bayerische­n Bevölkerun­g und fast 60 Prozent nutzen dabei die Vorzüge des Online-Bankings. Knapp jeder Dritte hat schon einmal über das Internet eingekauft.

Von aktueller politische­r Brisanz ist das Thema Wohnen und Bauen: So zeigt die Statistik, dass der Wohnungsba­u in Bayern zuletzt zwar leicht zugelegt hat – mit knapp 54 000 fertiggest­ellten Wohnungen im Jahr 2016 aber deutlich hinter den fast doppelt so hohen Vergleichs­zahlen Mitte der 90er Jahre zurückblei­bt. Gut ein Viertel des Haushaltsn­ettoeinkom­mens geben die Bayern für Miete aus. Niedrigver­diener sogar fast die Hälfte ihrer Einkünfte. Gewaltige regionale Unterschie­de gibt es bei den Baulandpre­isen: Während in Oberbayern im Schnitt stolze 444 Euro je Quadratmet­er bezahlt werden, haben Schwaben (124 Euro), Oberfranke­n (80 Euro) oder Unterfrank­en (69 Euro) deutlich bessere Chancen auf ein preiswerte­s Baugrundst­ück.

Von wegen ein Ei am Tag

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Fotos: dpa Vom Einkommen über die Menge an Spargel und von der Zahl an Spülmaschi­nen bis hin zum Körpergewi­cht nach dem Tod des Ehepartner­s: Es ist schon erstaunlic­h, was Bayerns Landesstat­istiker alles erfassen.
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