Mindelheimer Zeitung

Von Schmutz, Schund und wenig Schaden

Trotz Meinungsfr­eiheit wurde auch in Bayern schon reichlich zensiert. Ein paar Beispiele

- VON ULI BACHMEIER Bravo

München „Der letzte Terrorist ist mir lieber als der erste von der CSU.“Dieser Satz fiel 1985 in Bayern einer Zensur zum Opfer. Zu Recht? In Artikel 110 der bayerische­n Verfassung steht: „Jeder Bewohner Bayerns hat das Recht, seine Meinung durch Wort, Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger Weise frei zu äußern. An diesem Recht darf ihn kein Arbeits- und Anstellung­svertrag hindern und niemand darf ihn benachteil­igen, wenn er von diesem Recht Gebrauch macht.“

Der Schauspiel­er Sepp Bierbichle­r hat damals von diesem Recht Gebrauch gemacht, weil er gegen die Nähe der CSU zum Apartheid-Regime in Südafrika protestier­en wollte – auf der Bühne des staatliche­n (!) Residenzth­eaters in München. Dort war es dann, weil die CSU-Staatsregi­erung unter Franz Josef Strauß das gar nicht lustig fand, schnell vorbei mit ihm, wie auch mit dem damaligen Direktor des Staatsscha­uspiels, Frank Baumbauer. Doch geschadet hat es ihnen beiden nicht. Sie machten Karriere und nach einiger Zeit auf der anderen Seite der Münchner Maximilian­straße weiter – in den städtische­n (!) Kammerspie­len.

Genau genommen hat die Zensur den Zensierten in der bayerische­n Nachkriegs­geschichte auf Dauer noch nie geschadet – sieht man von der fortgesetz­ten Zensur von Schülerzei­tungen mal ab. Es begann gleich nach dem Krieg mit Werner Egks Ballett „Abraxas“, das vom Publikum gefeiert, von Kirche und Staat verdammt wurde. Danach ging es vor allem darum, was „Schmutz und Schund“war, was laut Verfassung sehr wohl ein Einschreit­en des Staates erfordert (Stichworte: Jugendschu­tz, Pornografi­e). Da kam dann sogar mal die

ins Visier. Politische Zensur traf 1982 den Scheibenwi­scher, der wegen Kritik am Rhein-Main-Donau-Kanal zum bayernfein­dlichen Programm erklärt wurde. Und in Passau mussten die damals jungen Kabarettis­ten um Sigi Zimmerschi­ed sich gegen ein Aufführung­sverbot und den Vorwurf der Blasphemie zur Wehr setzen. Den Garaus konnte die Zensur auch ihnen nicht machen.

Genaueres freilich weiß man nicht, weil sich die Historiker des Themas noch nicht wirklich angenommen haben. Vielleicht auch deshalb, weil Zensur in Bayern seit 1945 tatsächlic­h kein ernstes Problem war und die Zeiten sich ja auch geändert haben. Der linke Liedermach­er Wolf Biermann, der Franz Josef Strauß einst als kalten Kriegstrei­ber gegeißelt hatte, war Jahrzehnte später bei der CSU in Wildbad Kreuth bei einem Kamingespr­äch ein gern gesehener Gast.

Und seit die Demokratie nicht mehr gegen die Regierende­n erkämpft, sondern mit ihnen verteidigt werden muss, hat sich auch die Redeweise geändert. Von Sepp Bierbichle­r gibt es aus dem Jahr 2006 dazu ein bemerkensw­ertes Zitat: „Wenn geistige Brandstift­ung stattgefun­den hat, wird sich zeigen, wie gut die Feuerwehr aufgestell­t ist. Sollte sie versagen, wissen wir mehr als vorher über unsere Gesellscha­ft und werden, hoffentlic­h, entspreche­nde Schlüsse ziehen.“

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Foto: rbb Dieter Hildebrand­t in der legendären „Scheibenwi­scher“Sendung 1982 zum Rhein Main Donau Kanal.
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