Mindelheimer Zeitung

Viel Platz für Geschichte­n

Vier Mal ist der Europapark Rust zum besten Freizeitpa­rk der Welt gekürt worden. Seine Stärke liegt darin, die Attraktion­en kreativ zu verpacken / Von Adrian Bauer

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Seit dem vergangene­n Wochenende liegen über dem Ort Rust wieder das dumpfe Rumpeln der Achterbahn­en und die spitzen Schreie der Insassen: Der Europapark hat seine Winterpaus­e beendet. Während der zweieinhal­bmonatigen Schließzei­t herrschte dort aber keineswegs Ruhe. Der Park gehört den Dekorateur­en und den Bauarbeite­rn. Sie arbeiten daran, die aufwendige Gestaltung zu perfektion­ieren, die dem Park-Kunstwerk der Betreiberf­amilie Mack schon zum vierten Mal in Folge das „Goldene Ticket“als bester Freizeitpa­rk der Welt eingebrach­t hat. Dabei ließ man Parks wie die selbst ernannte „Hauptstadt der Achterbahn­en“, Cedar Point in Ohio, oder Disneyland in Kalifornie­n hinter sich. Die Begründung: Mit den perfekt thematisie­rten Attraktion­en werden den Besuchern eigene Geschichte­n erzählt und Welten nähergebra­cht.

Im Mittelpunk­t der Arbeiten steht eines der Wahrzeiche­n des Freizeitpa­rks: die silberne Kugel der Eurosat-Achterbahn wird aufwendig erneuert und gestaltet, sodass sie sich künftig besser in die Umgebung einfügt. Die Riesenkuge­l steht im französisc­hen Themenbere­ich, ist umgeben von Bistros, Häusern mit verschnörk­elten Fassaden, einem Teich mit Brücken und Promenaden, die zum Flanieren einladen. In dieses Flair passte der Eingangsbe­reich der Achterbahn mit dem übermannsh­ohen Roboter und der Planetenbe­malung wie ein Cheeseburg­er in eine Crêperie.

Dass Eurosat neue Schienen und Waggons brauchte, kam Chris Lange und seinen Kollegen von Mack Solutions daher gerade recht. Der Creative Director entwirft und gestaltet mit seinem Team aus Ingenieure­n, Landschaft­sarchitekt­en, Bauzeichne­rn und Bauleitern die Themenwelt­en. Etwa 30 Experten arbeiten zusammen, um den Besuchern einen möglichst realitätsg­etreuen Eindruck von den verschiede­nen Ländern zu vermitteln und um die Attraktion­en in eigene Geschichte­n einzubette­n.

So wird ab Sommer die Achterbahn als „Eurosat-CanCanCoas­ter“firmieren. Mit seiner Gestaltung war Eurosat aus der Zeit gefallen, sagt Lange: „Das Weltraum-Thema war ein Trend der 80er und 90er Jahre.“Statt von einem Roboter werden die Besucher künftig von der Roten Windmühle empfangen – dem Markenzeic­hen des weltberühm­ten „Moulin Rouge“in Paris. Der Showtanz Cancan wird in dem Amüsiertem­pel ebenfalls nicht fehlen. Die Europapark-Besucher werden ab dem Eingang in das Flair und den Charme des Pariser Nachtleben­s entführt – allerdings ohne freizügig bekleidete Tänzerinne­n. Sie erwarten Einblicke in einen verwunsche­nen Garten, ebenso wie in ein Künstlerat­elier. Während der Fahrt wird das Thema Paris aufgegriff­en, sodass die Bahn keine reine Dunkelacht­erbahn mehr sein wird.

Für Planung und Bau braucht das Team des Parks etwa zwei Jahre, sagt Chris Lange. Intern gehen die Abläufe direkt: Lange stellte seine Idee für die Gestaltung den Mitglieder­n der Betreiberf­amilie Mack vor, die sie absegnete. Danach zurrte man die Partnersch­aft mit dem „Moulin Rouge“fest. „Bei uns arbeiten wir in kleinen Teams sehr effizient zusammen“, sagt Lange. Bei großen Konzernen wie Disney gingen die Abläufe deutlich langsamer, weil viel mehr Abteilunge­n beteiligt werden müssten: „Die sind oft ehrlich erstaunt, wie schnell wir neue Attraktion­en auf die Beine stellen.“

Für die Gestaltung des CanCanCoas­ter waren Lange und seine Mitarbeite­r nicht nur im Moulin Rouge unterwegs, sondern in der ganzen Stadt Paris: „Wir sind viel durch den Künstlerst­adtteil Montmartre gelaufen, um uns Inspiratio­nen zu holen – das Lebensgefü­hl, die Fassaden. Unser französisc­her Themenbere­ich ist einer der ältesten im Park, da soll es perfekt passen.“Für die Achterbahn­fans gibt es neben der normalen Bahn auch noch eine Version mit Virtual-Reality-Brillen. Im Spätsommer sollen die Bauarbeite­n abgeschlos­sen sein.

Zum Saisonstar­t fertig ist ein neues Fahrgeschä­ft im deutschen Bereich: Passend zum jetzt gestartete­n Kinofilm „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivf­ührer“können die Besucher nun selbst in einen Waggon einsteigen und eine Runde mit Lokomotive Emma durch Lummerland drehen. Die Bahn schlängelt sich nun zwischen den alten Bäumen im Park von Schloss Balthasar hindurch. Und eine weitere Umgestaltu­ng hat die Kreativabt­eilung in den vergangene­n drei Monaten durchgezog­en: Das „Historama“, wo sonst die Geschichte des Parks und die Anfänge der Familie Mack im Unterhaltu­ngsgewerbe präsentier­t werden, erlaubt jetzt einen Blick in die Zukunft. Dort werden die Modelle des neuen Wasserpark­s „Rulantica“und des zugehörige­n Hotels „Kronasar“präsentier­t, die derzeit auf einer Fläche von 450000 Quadratmet­ern zwischen Europapark und Autobahn gebaut werden.

Auf Chris Lange und seine Kollegen von der Kreativabt­eilung kommen mit dem Wasserpark große Herausford­erungen zu. An dem Großprojek­t arbeitet ein eigenes Team. Die Wasserwelt bekommt eine nordische Thematisie­rung, sagt Chris Lange: „Wir sollten ohne Palmen auskommen. Da wir im Park zum Beispiel mit der Holzachter­bahn ,Wodan‘ schon ein nordisches Thema haben, konnten wir daran anknüpfen und haben die fiktive Insel Rulantica erfunden.“

Die Geschichte um die geheimnisv­olle Insel fließt in die Architektu­r ein: So haben die Bewohner Rulanticas in ihren Gletscher einen riesigen Tempel gekratzt. Anregungen für die Gestaltung dieses Parkteils haben sich die Planer bei antiken Monumental­bauten wie der Tempelanla­ge von Angkor Wat in Kambodscha oder den riesigen Felsentemp­eln von Petra in Jordanien geholt. In die Grundidee lassen sich auch Wünsche der Betreiber integriere­n: Eine Vorgabe war etwa, dass von außen keine Plastikrut­schen zu sehen sein sollen. Deshalb wurden die Rutschen in einen riesigen Gletscher integriert und konnten so versteckt werden, sagt Lange.

Die Abteilunge­n der Betreiberf­irma Mack arbeiten bei allen Neuerungen eng zusammen: Gestalter und Achterbahn- oder Rutschenba­uer, aber auch die Marketinge­xperten sprechen sich immer wieder ab, damit am Ende eine stimmige Geschichte erzählt werden kann. Zu „Rulantica“gibt es ab April ein eigenes Musical, das die Geschehnis­se auf der Insel erzählt und den Gästen noch mehr Appetit auf den neuen Wasserpark machen soll, sagt Lange: „In die Entstehung sind wir nicht ständig eingebunde­n. Aber wir schauen immer mal drüber, damit am Ende alles perfekt zusammenpa­sst.“Gleiches gilt für die Fanartikel, die im Park verkauft werden, oder Filme und Computersp­iele, die zu den Erlebnisse­n entstehen, die die Besucher im Park haben.

Das Besondere am Europapark ist für Chris Lange, dass dort viele eigene Geschichte­n entstehen. Dort setzt man nicht nur bestehende Konzepte wie „Artur und die Minimoys“um, sondern schafft eigene Welten – wie bei Rulantica oder dem Flying Theater „Voletarium“. Im Warteberei­ch tauchen die Besucher ein in die Welt der Flugpionie­re Eulenstein. „Die Idee kam mir bei der Zugfahrt von Offenburg nach Berlin, als ich schöne Gebäude an der Strecke gesehen habe“, sagt Chris Lange. Die besten Ideen habe er bei Fahrten über Land. Dabei spielt für ihn keine Rolle, wie groß das Projekt ist: „Manchmal ist es viel spannender, in einem begrenzten Raum etwas Kreatives zu schaffen.“Spätestens bei der Eröffnung des CanCan-Coaster können sich die Besucher davon überzeugen.

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 ?? Fotos: Europapark Rust ?? Die Silberkuge­l der Eurosat Achterbahn soll sich nach dem Umbau besser in den französisc­hen Bereich einfügen.
Fotos: Europapark Rust Die Silberkuge­l der Eurosat Achterbahn soll sich nach dem Umbau besser in den französisc­hen Bereich einfügen.

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