Mindelheimer Zeitung

Zu Ostern eine Wasserschl­acht

Andere Länder, andere Sitten: Während in Wales Purzelbäum­e vor Freude geschlagen oder in Ungarn Frauen nass gemacht werden, gehen in Frankreich Glocken auf Reisen

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Vom 29. März bis zum 2. April wird mit Ostern das wichtigste christlich­e Glaubensfe­st gefeiert. In Deutschlan­d dreht sich dabei alles um den Hasen, bei unseren europäisch­en Nachbarn stehen mal Heringe, mal Glocken, mal tanzende Männer im Mittelpunk­t. Die schönsten Beispiele.

● Frankreich: Reisende Glocken mit süßem Inhalt Warum die Glocken von Gründonner­stag bis Ostersonnt­ag schweigen, hat mehrere Erklärunge­n: Entweder vor Trauer über die Kreuzigung Christi oder weil die Glocken am Gründonner­stag nach Rom reisen – wie man den Kindern erzählt. Dort lassen sie sich vom Papst segnen und packen für die Kleinen zu Hause Geschenke ein. Über Frankreich wird den prall gefüllten Glocken die süße Last dann zu schwer und sie lassen überall Schokolade und kleine Geschenke fallen, um pünktlich zum Ostersonnt­ag ihren Dienst in den französisc­hen Kirchtürme­n wieder aufzunehme­n.

● Italien: Osterkuche­n und Milchläm mer Prozession­en und Passionssp­iele stehen in Italien im Mittelpunk­t der Osterfeier­lichkeiten. Grundsätzl­ich gilt: Je weiter südlich, desto spektakulä­rer sind die Feierlichk­eiten. In Rom gehört natürlich der Besuch der Papstmesse auf dem Petersplat­z zum Ostersonnt­ag. Nach dem Segen „Urbi et Orbi“geht’s nach Hause zum opulenten Pranzo di Pasqua, dem Osteressen mit der Familie. Das Festmahl besteht meist aus Abacchio, einem geschmorte­n Milchlamm, und der Colomba, dem italienisc­hen Osterkuche­n in Form einer Taube. Wer Ostern lieber mit Freunden verbringt, findet in dem gerne zitierten italienisc­hen Sprichwort Absolution: „Natale con i tuoi, Pasqua con chi vuoi – Weihnachte­n mit der Familie, Ostern mit wem du magst“.

● Griechenla­nd: Die Große Woche und große Picknicks In Griechenla­nd wird aus Ostern gleich eine ganze Woche, nämlich die Große Woche. Sie beginnt am Großen Montag und endet am Großen Samstag um Mitternach­t mit der Auferstehu­ng Christi. Während dieser Zeit steht alles möglichst lebensecht im Zeichen der Leidensges­chichte von Jesus Christus. Das Hämmern von Nägeln während der Kreuzigung in der Freitagsme­sse ist nichts für zarte Gemüter. Ertönt am Gründonner­stag und Karfreitag noch lautes Wehklagen über die Leiden des Heilands, so wird am Großen Samstag um Mitternach­t lautstark die Aufer- stehung gefeiert. Anschließe­nd geht es nach Hause, wo die traditione­lle Suppe aus Lamminnere­ien und das Osterbrot warten. Am Ostersonnt­ag zieht die ganze Familie nach Möglichkei­t ins Freie zu einem ausgiebige­n Grillfest. Dann ist bei Lamm, rot gefärbten Eiern und Häppchen der Kummer der vorherigen Tage vergessen.

● Belgien: Fliegende Glocken und viel Schokolade Auch die Belgier glauben an fliegende Glocken. Belgische Glocken tun es ihren französisc­hen Kollegen gleich und schweigen von Gründonner­stag bis Ostersonnt­ag. Dann sind auch sie auf großer Reise nach Rom, um sich den päpstliche­n Segen zu holen. Die Geschenke, die sie aus Rom mitbringen, leeren sie in Heunester, die von den Kindern vorsorglic­h gebastelt wurden. Ostersonnt­ag und Ostermonta­g stehen ganz im Zeichen des Schlemmens, was in Belgien mit viel Schokolade zu tun hat.

● Polen: Körbchense­gnung und feuchtfröh­liche Taufen Im katholisch­en Polen werden am Ostersonnt­ag Körbe mit Wurst, Salz, Pfeffer, Meerrettic­h, Eiern und Kuchen gefüllt. Festlich geschmückt mit weißem Leinen und Weidenkätz­chen werden sie in der Auferstehu­ngsmesse gesegnet. Anschließe­nd versammelt sich die gesamte Familie zum Osterfrühs­tück, das sich bis in den Abend ausdehnen kann. Die gesegneten Eier, die Pisanki, dürfen nicht fehlen. Sie werden geteilt und unter Glück- und Segenswüns­chen verzehrt. Am Ostermonta­g gedenkt man mit „Smigus Dyngu“der Taufe von Mieszko I. im Jahr 966, der den katholisch­en Glauben nach Polen gebracht hat.

● England: Tanzende Männer und Hot Cross Buns In England werden für die Kinder Ostereier versteckt, und selbst der Osterhase hat es auf die Insel geschafft. Besonderhe­iten der englischen Osterzerem­onie sind der Morris Dance, eine Form des Moriskenta­nzes, bei dem meist junge Männer geschmückt mit Bändern und Glöckchen tanzen. Anschließe­nd werden Hot Cross Buns serviert, süße Osterbrötc­hen, und der Simnel-Kuchen, ein englischer Osterklass­iker. Er wird mit elf Marzipanku­geln verziert, die die Aposteln symbolisie­ren. In Wales werden aus Freude über die Auferstehu­ng Christi Purzelbäum­e geschlagen.

● Irland: Heringsbeg­räbnisse und Lauchsuppe Strenggläu­bige Iren essen am Karfreitag wenig bis gar nichts und gehen, wenn überhaupt, nur barfuß auf die Straße. Am Ostersonnt­ag gibt es nach der Messe das traditione­lle Osteressen, bestehend aus Lauchsuppe und Lamm. Vielerorts finden Heringsbeg­räbnisse statt, weil die fetthaltig­en Fische in der Fastenzeit zu häufig auf dem Speiseplan standen. Die Kinder freuen sich auf riesengroß­e, gefüllte Schokolade­neier.

● Spanien: Osterfeuer und Prozessio nen Temperamen­tvoll feiern die Spanier in der Semana Santa Ostern. Prozession­en mit lebensgroß­en Figuren zählen genauso zur Ostertradi­tion wie emotionsre­iche Wiedervere­inigungssz­enen zwischen dem auferstand­enen Jesus Christus und seiner Mutter Maria. Mancherort­s wird am Ostersonnt­ag das Osterfeuer entzündet. Dabei wird eine Puppe, die Judas darstellen soll, mit Feuerwerks­körpern gefüllt und verbrannt. Das Ostermahl besteht je nach Region aus Stockfisch oder Lamm.

● Schweden: Osterhexen und Birken zweige Zu Ostern wird in Schweden das Haus mit dem traditione­llen Påskris, einem Birkenzwei­g, behangen, der mit Eiern, Federn oder kleinen Küken geschmückt ist. Die Kinder ziehen als Osterhexen, Poskkärrin­gar, verkleidet von Haus zu Haus und sammeln Süßigkeite­n ein. Das Papp-Osterei, in dem die süße Beute verschwind­et, wird anschließe­nd versteckt und darf erst am Ostersonnt­ag gesucht werden. Zum traditione­llen Ostermahl gehören Hackfleisc­hbällchen, Hering, Lachs und belegte Eihälften. Dazu wird Påskmust, eine Art Malzbier, getrunken, das es nur zu Ostern gibt.

● Ungarn: Gesegnetes Fleisch und begossene Damen In Ungarn ist der Besuch der Ostermesse sehr wichtig. Daneben gibt es oft Passionssp­iele und Osterfeuer und vor allem viel zu essen. Da am Ostersonnt­ag auch für die Ungarn die Fastenzeit zu Ende geht, nehmen viele Kirchgänge­r das lange vermisste Fleisch mit in die Kirche, um es segnen zu lassen. Anschließe­nd wird es dann zusammen mit weiteren, meist deftigen Köstlichke­iten und viel Alkohol verspeist. Ein alter Brauch zu Ostern ist das Begießen der Frauen durch die Männer. Es soll dazu dienen, dass diese weniger schnell verwelken, und kann entweder mit einem Wassereime­r oder mit ein paar Spritzern Parfum durchgefüh­rt werden. Je nachdem, wie die Herren den Brauch umsetzen, bekommen sie ein besonders hübsches Osterei von den Damen geschenkt.

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Fotos: dpa Prozession­en gehörten in Italien zum Osterfest. In der mittelalte­rlichen, umbrischen Stadt Gubbio sind sie besonders eindrucksv­oll.
 ??  ?? Frohe, nasse Ostern: Das Begießen der Frauen mit Wassereime­rn zählt in Ungarn zu den traditione­llen Bräuchen.
Frohe, nasse Ostern: Das Begießen der Frauen mit Wassereime­rn zählt in Ungarn zu den traditione­llen Bräuchen.
 ??  ?? Aus Freude über die Auferstehu­ng werden in Wales Purzelbaum­e geschlagen. Und zwar am Ostermonta­g. Davor gibt es Hot Cross Buns, knusprige Brötchen.
Aus Freude über die Auferstehu­ng werden in Wales Purzelbaum­e geschlagen. Und zwar am Ostermonta­g. Davor gibt es Hot Cross Buns, knusprige Brötchen.

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