Mindelheimer Zeitung

Wer Fröschen eine Grube gräbt

Mehr als die Hälfte der in Schwaben vorkommend­en Arten gilt als gefährdet. Ein neues Projekt nutzt Kies- und Sandgruben, um den Tieren zu helfen. Was jeder Einzelne zum Schutz der Lurche beitragen kann

- VON STEPHANIE LORENZ

Augsburg Er ist grün, hat Glupschaug­en und ist ein Tier der Kategorie 2. Das bedeutet für den Laubfrosch, dass er laut der Roten Liste gefährdete­r Amphibien in Bayern „stark gefährdet“ist. Umso größer war die Freude beim Bund Naturschut­z Donau-Ries Anfang des Jahres, als man im Tapfheimer Ortsteil Rettingen Exemplare des geschützte­n Tieres entdeckte. Doch nicht nur der Laubfrosch ist gefährdet. In Bayern sind es zehn von 19 Amphibiena­rten. Wie steht es in Schwaben um Frösche, Kröten und Co? Und was unternimmt man zu deren Schutz?

Karlheinz Schaile, Vorstandsm­itglied und Referent für Öffentlich­keitsarbei­t beim Landesverb­and für Amphibien- und Reptiliens­chutz in Bayern, gibt Entwarnung für häufige Arten wie Grasfrösch­e, Erdkröten, Teichmolch­e und Bergmolche. Deren Bestände hielten sich relativ stabil. Schlecht stehe es dagegen um die sogenannte­n Pionierart­en. Arten, die sich stets frisch entstanden­e Biotope, also Pionierbio­tope, suchen, um Fressfeind­e zu meiden. Für sie werde es immer schwierige­r, weil kaum noch neue Biotope entstehen. Betroffen seien in Schwaben unter anderem der Laubfrosch, die Kreuzkröte und die Gelbbauchu­nke sowie die Wechselkrö­te, die auf der Roten Liste als „vom Aussterben bedroht“geführt wird.

Für diese seltenen Arten müsse man dringend etwas tun, fordert Schaile. Das Problem: Es gibt keine Dynamik mehr in den Flüssen. Keine Wildflussl­andschafte­n, in denen das Wasser Geäst mitreißt. Keine natürliche­n Flussauen, wie beim Lech vor hundert Jahren. Viele bedrohte Arten kommen heute dagegen in Baggergrub­en vor. Abhilfe kann daher ein neues Projekt von Naturschüt­zern, Abbauunter­nehmern und der Regierung von Schwaben schaffen.

Wie, das erklärt Brigitte Kraft, Leiterin der Bezirksges­chäftsstel­le Schwaben des Landesbund­s für Vogelschut­z in Bayern. Jene Pionierart­en bräuchten Rohbodenst­andorte, wie sie sie früher in breiten Flussauen mit kleinen Senken vorgefunde­n hätten. Diese Bedingunge­n herrschten während der Abbauphase in Kies- oder Sandgruben vor. Dabei verschiebe sich ständig roher Boden. Für Froschlurc­he ideal zum Leben und Fortpflanz­en. In Gruben sollen Biotope als Ersatzlebe­nsräu- me entstehen und sich Amphibien ansiedeln können. „Wir wollen Artenschut­z im laufenden Betrieb“, erklärt Brigitte Kraft. Dabei sollen keine dauerhafte­n Lebensräum­e entstehen, sondern Wanderbiot­ope.

Der erste Kooperatio­nsvertrag wurde im vergangene­n Jahr unterzeich­net. Man führe zudem Gespräche mit Abbaufirme­n in den Landkreise­n Günzburg, Augsburg, Dillingen und Unterallgä­u, sagt Kraft. Von Schwaben aus hat sich das Programm inzwischen auf Bayern ausgeweite­t. Das Ziel? „In hundert Gruben in ganz Bayern Artenschut­z betreiben“.

Doch zum Artenschut­z kann jeder beitragen. Das beginnt für Christine Margraf schon beim Einkaufsve­rhalten. Sie ist Artenschut­zreferenti­n für Südbayern beim Bund Naturschut­z und empfiehlt, direkt bei Öko-Landwirten einzukaufe­n und die zu unterstütz­en, die Gewässer auch mal stehen lassen. „Naturschut­z mit dem Einkaufsko­rb“nennt sie das. Karlheinz Schaile pflichtet ihr bei: „Einer der größten Artenkille­r ist die industriel­le Landwirtsc­haft. Viele Tiere werden totgesprit­zt oder totgewalzt.“

Ein weiteres Problem sieht er darin, dass Feldwege zunehmend geteert oder aufgeschot­tert werden. Die stark gefährdete Gelbbauchu­nke brauche Fahrspurpf­ützen, um sich zu reproduzie­ren. Privat einen Gartenteic­h anzulegen helfe nur den häufigen Arten wie Erdkröten, sagt der Experte – und nur, wenn der Teich fischfrei sei. Er warnt zudem vor Dünger: Der verätze die Tiere.

Erdkröten sind derzeit noch einer anderen Gefahr ausgesetzt: Sie wandern zu ihren Geburtsgew­ässern, um abzulaiche­n, und werden dabei häufig von Autos erfasst. Durch den erneuten Kälteeinbr­uch findet die Massenwand­erung heuer später statt. Artenschut­zreferenti­n Margraf warnt, nicht nur jetzt aufzupasse­n, sondern auch später, wenn die Jungtiere zu ihren Sommerquar­tieren wandern. Das könne sich bis Mai, Juni ziehen. Also: Vorsicht beim Autofahren. Die Erdkröte, der Laubfrosch und ihre Artgenosse­n werden im Sommer dafür mit einem Quakkonzer­t grüßen.

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Foto: Ulrich Perrey/dpa Wo der Laubfrosch und seine Artgenosse­n in Bayern und Schwaben vorkommen, zeigen Amphibienk­artie rungen auf der Webseite des Landesamts für Umwelt.
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Fotos: Peter Steffen/dpa; Marcus Merk Die Gelbbauchu­nke (oben) gilt als stark gefährdet. Erdkröten dagegen findet man öfter.
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