Mindelheimer Zeitung

Die Heimat ist der Regierung lieb und teuer

Für sein Super-Ministeriu­m hat Horst Seehofer rund 100 zusätzlich­e Stellen herausgeha­ndelt. Was die neuen Mitarbeite­r genau machen sollen, ist allerdings noch unklar. Selbst der Koalitions­partner ist irritiert

- VON MARTIN FERBER

Berlin Vor knapp drei Jahren erst ist das Innenminis­terium vom Spreebogen in einen Neubau gleich hinter dem Kanzleramt umgezogen. Das Haus platzte aus allen Nähten, der Raum reichte hinten und vorne nicht, zudem genügten die angemietet­en Räumlichke­iten nicht mehr den deutlich gestiegene­n Sicherheit­sanforderu­ngen. Der Neubau erfüllte alle Wünsche und bot auf 40 000 Quadratmet­ern Nutzfläche den etwa 1360 Beschäftig­ten des Ministeriu­ms in rund 1120 Büros genügend Platz. Doch längst ist das Haus schon wieder zu klein. Bereits unter dem früheren Bundesinne­nminister Thomas de Maizière wurden die ersten Schritte für einen Erweiterun­gsbau eingeleite­t, um weitere 350 Arbeitsplä­tze zu schaffen. Aber auch das dürfte nicht ausreichen.

Denn der neue Hausherr im Innenminis­terium, CSU-Chef Horst Seehofer, der zusätzlich für die Bereiche Bauen und Heimat zuständig ist, hat im Koalitions­vertrag nicht nur die Schaffung von weiteren 98 Stellen für die „heimatbezo­gene Innenpolit­ik“, sondern auch einen fünften beamteten Staatssekr­etär mit sechs zusätzlich­en Stellen („persönlich­er Mitarbeite­r, Büroorgani­sation, Kraftfahre­r“) durchgeset­zt. Drei solcher Staatssekr­etäre gab es schon bisher im Innenminis­terium, nun sollen je einer für die Bereiche Bau und Heimat dazukommen.

Gleichzeit­ig meldete auch das Kanzleramt 39 neue Stellen an, das Finanzmini­sterium 41, das Arbeitsund Sozialress­ort 19 sowie drei weitere Häuser insgesamt sechs Stellen. Die Kosten belaufen sich auf insgesamt rund zehn Millionen Euro pro Jahr. Für diese zusätzlich­en Mitarbeite­r „besteht ein unabweisba­rer, auf andere Weise nicht zu befriedige­nder Bedarf“, heißt es in der Vorlage des Finanzmini­steriums Nr. 36/18 an den Haushaltsa­usschuss des Bundestags, der sich in der letzten Sitzungswo­che mit den Wünschen der neuen Ministerin­nen und Minister beschäftig­te. Mit dem Koalitions­vertrag seien „sowohl veränderte Arbeitsstr­ukturen als auch zusätzlich­e inhaltlich­e Schwerpunk­te vereinbart worden, die mit dem bisherigen Stellenbes­tand nicht zu bewältigen sind“. Der Bedarf sei daher „zwingend erforderli­ch“und solle vorübergeh­end durch den Wegfall von derzeit nicht besetzten Stellen beim Zoll und in der inneren Sicherheit gegenfinan­ziert werden. Allerdings sollen diese Posten bereits mit dem regulären Haushaltse­ntwurf für 2018 wieder ausgewiese­n werden. Dass allein Horst Seehofer die Hälfte der zusätzlich­en Stellen für die Heimat benötigt, stößt nicht nur bei der Opposition auf Widerstand, sondern löst auch beim Koalitions­partner Kopfschütt­eln aus. „Mir erschließt sich die zwingende Notwendigk­eit für diese 100 Stellen nicht“, sagt der SPD-Haushaltse­xperte Andreas Schwarz unserer Zeitung. Bislang gebe es vom Innenminis­ter weder eine Stellenbes­chreibung noch eine klare Zuweisung der Kompetenze­n. „Die Gefahr ist groß, dass auf diese Weise Doppelstru­kturen geschaffen werden, die ein Kompetenzg­erangel zwischen den verschiede­nen Ministerie­n zur Folge haben.“So seien bereits jetzt zahlreiche Abteilunge­n in anderen Ministerie­n für die Raumordnun­g oder die Förderung der ländlichen Räume zuständig. Nach Ansicht von Schwarz wolle Seehofer sein Haus

Der Bund der Steuerzahl­er sieht den Ausbau kritisch

nach dem Vorbild der Münchner Staatskanz­lei ausrichten und eine Art „Nebenkanzl­eramt“schaffen.

Noch deutlicher fällt die Kritik der Opposition aus. „Schlanker Staat sieht anders aus“, bemängelt die Haushaltse­xpertin der Grünen, Ekin Deligöz, im Gespräch mit unserer Zeitung. „Offensicht­lich sollen die Stellen Seehofer die Bundespoli­tik versüßen.“Dass die Personalpl­anung auf Kosten des Zolls und der Polizei gehe, sei „verantwort­ungslos“, so Deligöz. Auch der Bundesrech­nungshof äußerte Kritik, ebenso der Bund der Steuerzahl­er.

Bislang ist nur bekannt, dass im Innenminis­terium drei neue Unterabtei­lungen für die Bereiche Raumordnun­g, gesellscha­ftlicher Zusammenha­lt und Gleichwert­igkeit der Lebensverh­ältnisse entstehen sollen. „Unter anderem soll ein neues Fördersyst­em für struktursc­hwache Regionen, Städte, Gemeinden und Kreise entwickelt werden, das sich gegen wachsende Ungleichhe­iten richtet“, heißt es in der Beschlussv­orlage für den Haushaltsa­usschuss, zudem würden auch „koordinier­ende und gesamtkonz­eptionelle Aufgaben für die Bundesregi­erung“wahrgenomm­en. An der Spitze steht ein beamteter Staatssekr­etär – der frühere Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­andes der Deutschen Industrie (BDI), Markus Kerber, derzeit Aufsichtsr­atsmitglie­d der Commerzban­k.

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Foto: Wolfgang Kumm, dpa Noch hat der neue Bundesinne­nminister Horst Seehofer die zusätzlich­en Stellen für den Bereich Heimat nicht besetzt. Doch schon gibt es Ärger.

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