Mindelheimer Zeitung

Sonderzug nach Peking

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un soll heimlich nach China gereist sein. Der Besuch könnte sich lohnen

- VON PHILIPP KINNE UND FINN MAYER KUCKUK

Augsburg/Peking Der Zug, der da am Montagnach­mittag in Peking einfährt, wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen. Dunkelgrün mit gelben Streifen, 21 Waggons, gepanzert. Er ist älter als die Hochgeschw­indigkeits­züge, die dort normalerwe­ise ein- und ausfahren. Schnell machen Gerüchte die Runde. Japanische Medien berichten, es handele sich um einen Sonderzug des nordkorean­ischen Machthaber­s Kim Jong Un. War der Diktator tatsächlic­h in Peking?

Vieles deutet darauf hin. Die Freundscha­ft zwischen Peking und Pjöngjang war in den vergangene­n Jahren deutlich abgekühlt. Chinas Führung wollte nie, dass Nordkorea Atomwaffen entwickelt. Eine weitere Nuklearmac­ht in der Region verringert die eigene Überlegenh­eit und verkompliz­iert die Lage. Stattdesse­n haben die Chinesen den Kommuniste­n in Nordkorea das eigene Entwicklun­gsmodell aus Reform und Öffnung empfohlen. Davon wollten die Kims jedoch nichts wissen. Peking sah die Kim-Dynas- tie daher mit ihrem übertriebe­nen Militarism­us und ihrer brutalen Herrschaft­spraxis grundsätzl­ich auf dem falschen Weg. Umgekehrt war Kim Jong Un enttäuscht, dass China die jüngsten Sanktionen gegen das eigene Land mitgetrage­n und den Handel eingefrore­n hatte. So war es zumindest in Peking zu hören. Die wenigen verblieben­en kommunisti­schen Länder müssen gegen die Amerikaner zusammenha­lten, lautete seine Einstellun­g.

Dass der mysteriöse Zug aus Nordkorea hohen Besuch mitbrach- te, ist klar. Das Polizeiauf­gebot in der Nähe des Bahnhofes war groß, die Sicherheit­smaßnahmen um das Staatsgäst­ehaus, wo der Gast übernachte­t haben soll, streng. Einen solchen Aufwand betreibt Chinas Protokoll normalerwe­ise nur bei Staatsgäst­en.

Möglicherw­eise, berichten japanische Medien, handele es sich bei dem Gast aus dem Nachbarlan­d aber auch um Kims jüngere Schwester, die er kürzlich als Sondergesa­ndte zu den Olympische­n Winterspie­len nach Südkorea schickte. Könnte sie auch als Vermittler­in zwischen den Nachbarlän­dern dienen? Die Schwester des Diktators reiste bislang allerdings gewöhnlich mit dem Flugzeug. Der Große Führer selbst hingegen ist wie sein Vater Kim Jong Il wegen angebliche­r Flugangst bekannt dafür, lieber mit dem Zug zu reisen. Es wäre das erste Mal seit seinem Amtsantrit­t als Führer 2011, dass Kim Jong Un sein Land verlassen und China besucht hätte.

Der Besuch wäre ein strategisc­her Schachzug. Der Diktator könnte wieder einmal beweisen, dass er im Atomstreit Regie führt. Das ist ihm in letzter Zeit immer wieder gelungen. Da war die spektakulä­re Neujahrsan­sprache, in der Kim den USA mit Atomwaffen drohte, sich aber offen für den Dialog mit dem Süden zeigte. Es folgte eine Charme-Offensive während der Olympische­n Spiele im Nachbarlan­d, dann die Ankündigun­g, Ende April einen Gipfel mit dem südkoreani­schen Präsidente­n abzuhalten. Schließlic­h lud der Diktator sogar Trump zu einem Zweiertref­fen ein, das im Mai stattfinde­n soll. Sollte der Diktator sich mit China versöhnen, könnten nicht nur die Sanktionen gelockert werden, die Nordkorea schwer treffen. Mit der Unterstütz­ung des großen Bruders China könnte Kim dem Gipfel mit Trump außerdem noch selbstbewu­sster entgegense­hen.

Ob sich der Atomstreit damit aber beruhigt, bleibt abzuwarten. Auch aus den USA hagelt es Provokatio­nen. Im Wall Street Journal plädierte Trumps neuer Sicherheit­sberater John Bolton für einen militärisc­hen Erstschlag gegen Nordkorea. Das sei „völlig legitim“. Möglich, dass Kim auch deshalb Rückendeck­ung aus China sucht.

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Foto: Imago Reiste Nordkoreas Diktator mit diesem Zug nach China? Vieles deutet auf den symbolkräf­tigen Besuch hin.

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