Mindelheimer Zeitung

Ärger um den Schattenma­nn

Die Beförderun­g seines Vertrauten bringt Jean-Claude Juncker in immer größere Schwierigk­eiten

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Für Martin Selmayr war der Dienstag ein normaler Arbeitstag. Der neue Generalsek­retär der Europäisch­en Kommission musste sich keine Sorgen um das machen, was nur einen Steinwurf entfernt im EUParlamen­t ablief: Der Haushaltsk­ontrollaus­schuss wollte wissen, wie Präsident Jean-Claude Juncker Ende Februar seinen wichtigste­n Mitarbeite­r innerhalb weniger Minuten zwei Mal befördern konnte, um ihn zum höchsten Beamten der Kommission zu machen.

Geladen hatten die Parlamenta­rier nicht Selmayr, sondern den für Personalfr­agen zuständige­n deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger. Der bestätigte, was er schon mehrfach erklärt hatte: „Wir sind auch nach mehrmalige­r, nochmalige­r Prüfung von der Ordnungsmä­ßigkeit und Rechtmäßig­keit des Verfahrens und des Verfahrens­ergebnisse­s überzeugt.“Trotzdem hatten die Vorwürfe nicht nachgelass­en. Als Juncker beim Gipfeltref­fen der Staats- und Regierungs­chefs vergangene Woche auf den Fall an- gesprochen wurde, soll er mit Rücktritt gedroht haben: „Wenn Selmayr gehen muss, gehe ich auch.“

Im Parlament wird inzwischen offen von Vetternwir­tschaft gesprochen. Dennis de Jong, ein Abgeordnet­er der Linken, sprach von der wachsenden Bereitscha­ft seiner Fraktion, ein Misstrauen­svotum gegen Juncker zu stellen. Das muss der Kommission­spräsident allerdings nicht fürchten: Die christdemo­kratische Mehrheitsf­raktion, aus deren Reihen Juncker stammt und der auch Selmayr nahesteht, würde einen Sturz des Kommission­schefs nicht zulassen. Eine solche Institutio­nenkrise ein gutes Jahr vor der Europawahl will niemand haben.

Die Affäre wird von weiteren Kräften in Brüssel befeuert – nicht weil sie Selmayrs Qualifikat­ion bezweifeln, sondern weil er Deutscher ist. Das sind auch der Generalsek­retär des Parlaments, die Generalsek­retärin des Auswärtige­n Dienstes und die Chefs von ESM-Rettungsfo­nds, Europäisch­er Investitio­nsbank und Europäisch­em Rechnungsh­of. In deutscher Hand sind auch die drei größten Fraktionen des EU-Parlaments. „Wenn man das alles zusammenre­chnet, entsteht ein Eindruck: Die Deutschen sind zwar Demokraten geworden, aber ansonsten dominieren sie trotzdem den europäisch­en Verein“, sagte der christdemo­kratische Luxemburge­r EU-Parlamenta­rier Frank Engel. Der Eindruck trügt: Auf der Ebene der höheren Beamten besetzt die Bundesrepu­blik nur zehn Prozent der Posten, obwohl sie 16 Prozent der EU-Bevölkerun­g stellt.

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Foto: afp Martin Selmayr (rechts) mit seinem Chef Jean Claude Juncker.

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