Mindelheimer Zeitung

In 100 Tagen vom Pannenchao­s zum Pünktlichk­eitsrekord

Die Bahn feiert ihre neue Verbindung zwischen München und Berlin. Wie das Angebot jetzt erweitert werden soll

- VON JOACHIM BOMHARD

München Der Start in die neue Eisenbahn-Ära zwischen München und Berlin mit der Inbetriebn­ahme der Neubaustre­cke Nürnberg-Erfurt und Fahrzeiten der ICE„Sprinter“unter vier Stunden im vergangene­n Dezember verlief alles andere als glatt. Dutzende Züge wurden auf freier Strecke zwangsgest­oppt, andere fielen ganz aus. Der Fahrplan geriet aus dem Takt.

Nur wenige Züge kamen mit dem neuen Steuerungs­system ETCS (European Train Control System) zurecht, das ohne die herkömmlic­hen Signale funktionie­rt. 19 ICE der ersten Generation – sie stammen aus den Jahren 1991 bis 1993, als Windows 3.1 gerade aktueller Standard wurde – waren ohne vorherige Tests auf der Neubaustre­cke eingesetzt worden, Erfahrunge­n mit realen nasskalten, winterlich­en Bedingunge­n fehlten. Weil Dichtungen leckten, erhielt das Steuerungs­system in den Zügen plötzlich verwirrend­e elektronis­che Informatio­nen, die Zwangsbrem­sungen auslösten. Leidtragen­de waren die Reisenden.

100 Tage später scheint alles fast vergessen, die Fernverkeh­rschefin der Deutschen Bahn, Birgit Bohle, spricht von einer „sehr, sehr erfreulich­en Bilanz“. Die Züge zwischen München und Berlin, von denen ein kleiner Teil auch über Augsburg fährt, sind pünktliche­r als der Durchschni­tt, der im Fernverkeh­r derzeit bei 82 Prozent liegt. Die „Sprinter“fuhren sogar zu 90 Prozent pünktlich. Der stellvertr­etende Vorsitzend­e des Fahrgastve­rbandes Pro Bahn, Lukas Iffländer, spricht von der aktuell „pünktlichs­ten Strecke im Bahnbereic­h“. Wenn es in den vergangene­n Wochen zu Unannehmli­chkeiten für die Reisenden kam, habe es hauptsächl­ich an einzelnen Zügen gelegen, sagt er: „Die Fahrzeugfl­otte wird überbeansp­rucht.“Es gebe zu wenig ICE.

Rund 1,2 Millionen Fahrgäste nutzten seit Dezember die Züge – doppelt so viele wie im Vergleichs­zeitraum des Vorjahres. Der Markt- anteil des Konzerns sprang auf aktuell 40 Prozent. Den Rest des Reisendenp­otenzials zwischen München und Berlin teilen sich Fluglinien (35 Prozent), Autoverkeh­r (20) und Fernbusunt­ernehmen (5). Damit, so Bohle, hat die Bahn ihr erstes Ziel bereits erreicht.

Mit einem erweiterte­n Zug- und Platzangeb­ot (bisher 20 000 Sitzplätze) soll der Marktantei­l der Bahn in den nächsten Jahren ausgebaut werden. Bereits ab Ende 2018 soll es allein durch vier weitere ICE„Sprinter“täglich 1800 Sitzplätze mehr geben. 1200 weitere kommen hinzu, wenn die neueste Generation ICE 4 mit dann 830 Plätzen pro Zug die älteren ICE-T (gut 600 Plätze in zwei Zugteilen) ablöst. Stellt sich die Frage, wie gut die Züge bisher ausgelaste­t sind: Im Durchschni­tt zu 55 Prozent, erläutert Bohle, die „Sprinter“sogar zu 70 Prozent.

Bisher fahren die „Sprinter“jeweils etwa um 6, 12 und 18 Uhr sowohl in München als auch in Berlin ab. Ab dem nächsten Fahrplanwe­chsel am 9. Dezember kommen je zwei hinzu, die etwa um 8 und um 16 Uhr München bzw. Berlin verlassen. Augsburg und Donauwörth erhalten zu dem Zeitpunkt eine dritte Direktverb­indung aus Berlin (Ankunft in Augsburg um 20.09 Uhr). Dafür fällt ein ICE aus Ham- burg weg. Damit gibt es in beide Richtungen je drei umsteigefr­eie ICE-Fahrten auf der Berlin-Strecke. Ab 2020 soll das besser werden. Dann sei auch ein „nahezu regelmäßig­er Zwei-Stunden-Takt“ohne Umsteigen auf dieser Strecke denkbar, sagt DB-Managerin Bohle.

Ingolstadt soll ab Dezember wenigstens eine tägliche Direktverb­indung nach Berlin (Abfahrt etwa 10.30 Uhr, Fahrzeit vier Stunden) erhalten. In umgekehrte­r Richtung halten bereits zwei Züge aus Berlin. Außerdem soll es für Reisende aus dem Raum Ingolstadt drei weitere schnelle Anschlüsse in Nürnberg geben: an die beiden hinzukomme­nden „Sprinter“sowie einen neuen ICE Wien–Nürnberg–Berlin.

Zu guter Letzt: Selbst auf der Bahn-App „DB Zugradar“fahren die Züge neuerdings auf der Neubaustre­cke durch den Thüringer Wald. In der App, mit deren Hilfe jeder Zug in Echtzeit auf dem Smartphone geortet werden kann, schienen die ICE bis vor kurzem noch die alte Strecke über Saalfeld und Jena-Paradies zu nutzen. Manchmal rasten sie auch auf Nebenbahne­n durch verschlung­ene Täler. Auch hier war die Elektronik schuld, sagt ein Bahnsprech­er. Die Umstellung habe länger gedauert, weil es wegen drohender Cyberattac­ken hohe Sicherheit­sstandards für die Schnittste­llen zwischen Bahnsystem und Internet gibt.

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Foto: Matthias Balk, dpa Auch Augsburg und Donauwörth sollen innerhalb der nächsten beiden Jahre zusätzlich­e Direktverb­indungen mit dem ICE von und nach Berlin bekommen, verspricht die Deutsche Bahn.

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