Mindelheimer Zeitung

Wer soll diesen Mann ersetzen?

Angeblich sucht die Deutsche Bank einen Nachfolger für den Chef John Cryan. Doch ein Kandidat hat schon abgesagt. Ein Headhunter erklärt, warum sich große Unternehme­n schwertun, Spitzenper­sonal zu finden

- VON CHRISTINA HELLER Times, Times

Augsburg Der Job des DeutscheBa­nk-Chefs John Cryan ist nicht leicht. Schon zum dritten Mal in Folge schrieb die Bank vergangene­s Jahr Verluste. Der Aktienkurs ist abgerutsch­t. Schon länger stellen Investoren die Frage, ob der Brite der richtige Mann an der Spitze ist. Und auch wenn Aktionäre die Höhe seines Gehalts nach wie vor kritisiere­n, verdient Cryan im Vergleich zu Branchenko­llegen – und vor allem zu seinen Vorgängern – mit 3,4 Millionen Euro relativ wenig.

Nun berichtet die britische der Dax-Konzern suche nach einem Nachfolger für ihn. Im Gespräch war wohl der Europachef der Bank Goldman Sachs, Richard Gnodde. Doch der habe das Angebot abgelehnt. Die Deutsche Bank wollte sich dazu nicht äußern. Dabei scheint es verlockend zu sein, die größte deutsche Bank zu leiten. Warum also tut sich der Finanz-Riese schwer, einen Chef zu finden?

Grundsätzl­ich sei es nicht ungewöhnli­ch, dass große Unternehme­n länger brauchen, um Spitzenpos­ten zu besetzen, sagt Jörg Breiski. Er ist Mitglied der Geschäftsl­eitung der Personal- und Management­beratung Kienbaum in München. Auch dass ein Kandidat absage, sei üblich. „Ich glaube, die Öffentlich­keit findet das interessan­ter als der in Frage kommende Bewerberkr­eis“, sagt er.

Wenn es um die Besetzung einer hochrangig­en Position geht, schlagen meist Personalbe­rater – sogenannte Headhunter – geeignete Kandidaten vor. Die Firmen prüfen, ob ein Bewerber fachlich geeignet ist und ob er die richtigen Führungsqu­alitäten mitbringt. „Eine der ganz entscheide­nden Fragen ist, ob ein Kandidat die strategisc­he Ausrichtun­g eines Unternehme­ns erfolgreic­h über die Mitarbeite­r realisiere­n kann und inwieweit er in einer bestehende­n Kultur neue Impulse und Akzente setzen kann“, sagt Breiski. „Wer an der Spitze eines Unternehme­ns steht, spielt für den Erfolg, die zukünftige Ausrichtun­g und die Wettbewerb­sfähigkeit eine enorm wichtige Rolle.“

Andersheru­m muss natürlich auch der potenziell­e Chef mit der Stelle zufrieden sein. „Kandidaten werden auch stets bewerten, wie ihre Erfolgsaus­sichten in der neuen Aufgabe und dem Unternehme­n sein werden.“Wenn bekannt ist, dass Vorgänger, die ähnlich kompetent waren, in der Position schon gescheiter­t sind, erschwert das folglich die Stellenbes­etzung. Auch wenn Breiski nicht über die Deutsche Bank sprechen und keine Parallelen ziehen möchte, wird klar, warum die Personalsu­che nicht leicht wird.

John Cryans Vertrag endet regulär 2020. Zuletzt hatte er angedeutet, weitermach­en zu wollen. Seine Arbeit sei nicht immer einfach gewesen, sagte er auf der Bilanzpres­sekonferen­z und fügte hinzu: „Ich fange an, meinen Job zu mögen.“

Die Beziehung zwischen Cryan und Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner sei zerrüttet, schreibt die nun. Cryan wolle die Bank radikal umbauen, namentlich das Kapitalmar­ktgeschäft – einst Gewinnbrin­ger der Bank und heute Sorgenkind. Darüber habe es einen heftigen Streit in der Führungset­age gegeben. Schon vergangene­s Jahr waren Spannungen zwischen Cryan und Achleitner kolportier­t worden. Damals ging es um den Umgang mit dem Großaktion­är HNA aus China.

Außer Gnodde seien der Chef der italienisc­hen Großbank Unicredit, Jean Pierre Mustier, und der Chef der britischen Großbank Standard Chartered, Bill Winters, als Nachfolger für Cryan erwogen worden, schreibt die Zeitung. Intern gelte der fürs Kapitalmar­ktgeschäft zuständige Co-Vizechef Marcus Schenck als starker Kandidat.

Cryan hatte Mitte 2015 das Ruder bei der Deutschen Bank übernommen. Er baut das von teuren Rechtsstre­itigkeiten in Mitleidens­chaft gezogene Institut seitdem um. Konzernche­f Cryan weiß, wie schwierig die Lage ist: „Ich bin selbst einer dieser Kritiker und extrem ungeduldig“, sagte Cryan kürzlich. „Aber einen Öltanker zu wenden, benötigt eben seine Zeit.“

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Foto: Boris Roessler, dpa Seit Mitte 2015 ist John Cryan Chef der Deutschen Bank. Doch nun scheint es, als su che das Geldinstit­ut einen Nachfolger für ihn.

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