Mindelheimer Zeitung

Die Menschmasc­hine kommt

In Asien sprechen Roboter bei Konferenze­n, sie erklären Touristen den Weg und kochen Nudelsuppe. Forscher sind sicher: Das ist erst der Anfang. Ein Alltagsber­icht

- VON FINN MAYER KUCKUK

Tokio Sophia stiehlt den Menschen die Schau: Die menschenäh­nliche Roboterin hat vor wenigen Tagen die Eröffnungs­rede der diesjährig­en Technikkon­ferenz der Vereinten Nationen gehalten. In der nepalesisc­hen Hauptstadt Kathmandu überzeugte Sophia die Zuschauer durch ihre natürlich wirkenden Gesten und ihre Mimik.

Sophia ist das Produkt einer Hongkonger Firma – und das ist kein Wunder, denn in Asien drängen Roboter bereits in erstaunlic­hem Maße ins Alltagsleb­en. In China patrouilli­eren sie als Polizisten in Bahnhofswa­rtehallen, am Rande der Olympische­n Spiele in Südkorea durften sie im Ski-Abfahrtsla­uf gegeneinan­der antreten.

Einer der Vorreiter des Trends ist die Firma Toyota, die als Autoherste­ller bekannt ist. Koichi Ikeda, Manager am Zentrum für Zukunftste­chnik bei Toyota in Japan, entwickelt einen universell­en Helfer: den Human Support Robot, kurz HSR. Das Ding ist etwa so groß wie R2D2 aus „Krieg der Sterne“und verhält sich auch manchmal ähnlich. Das ist kein Zufall. In einem schwachen Moment gibt Ikeda zu, dass der fik- tive R2D2 einfach einer der beliebtest­en Roboter unserer Zeit ist und die Gestaltung realer Anwendunge­n beeinfluss­t. Das helfe, Akzeptanz zu schaffen. Im Praxiseins­atz der Prototypen hilft HSR gelähmten Patienten, die zu Hause wohnen, indem er Wasser aus der Küche bringt, Dinge aufhebt oder Schubladen öffnet. Die Bewohner der fernöstlic­hen Techniklän­der sind fest davon überzeugt, dass Roboter schon bald einträchti­g mit Menschen zusammenle­ben. „Ihre Akzeptanz hängt generell vor allem davon ab, ob sie sympathisc­h herüberkom­men, ob sie sicher sind und ob sie zuverlässi­g funktionie­ren“, sagt Toshiharu Mukai von der MeijoUnive­rsität in Nagoya. Der Roboterent­wickler, ein Typ in Jeans und grau gestreifte­m Hemd, arbeitet derzeit an dem Pflegerobo­ter Robear. „Alte Menschen haben eine empfindlic­he Haut – der Griff von Robear muss besonders sanft sein.“

Mukai findet die täuschende Menschenäh­nlichkeit von Schöpfunge­n wie Sophia eher hinderlich. „Ich persönlich finde diese hyperreali­stischen Roboter gruselig, vor allem, weil sie eben doch nicht wirklich menschlich wirken.“Robear trägt bewusst das Gesicht eines Co- mic-Bären, „nett genug, um als sympathisc­h wahrgenomm­en zu werden, doch abstrakt genug, um emotionale Distanz zu schaffen“.

Ein Roboterfor­scher aus dem benachbart­en Osaka ist da anderer Meinung. Hiroshi Ishiguro, Professor für Intelligen­te Robotik, stilisiert sich und seine Schöpfunge­n wie Popstars. Er baut lebende Menschen als bewegliche Gummipuppe­n nach, die sogar ihre Augenlider bewegen können. Seine Forschungs­gruppe verbringt viel Zeit damit, die Reaktion von Durchschni­ttsmensche­n auf Roboter zu dokumentie­ren. Ishiguro trägt grundsätzl­ich schwarze Kleidung, hat die Haare zu einer Tolle geschwunge­n und zieht stets die passende getönte Brille auf. Sein robotische­s Ebenbild ist genauso angezogen. Als er seine kleine Tochter mit ihrem Roboter-Zwilling konfrontie­rte, begann das Mädchen zu weinen. Ishiguro glaubt, dass Nähe und Intimität mit Robotern einmal normal sein werden. „Da auch keiner weiß, was im Kopf eines anderen Menschen vorgeht, können wir uns genausogut von einer Maschine täuschen lassen.“Ikeda sieht das nüchterner. „Erst einmal haben wir noch einen Berg praktische­r Probleme zu lösen“, sagt der Toyota-Ingenieur. Gerade in Japan gibt es zwar viele Roboter im öffentlich­en Raum: Sie kochen Nudelsuppe, erklären Touristen den Weg und begrüßen in Hotels die Gäste. „Doch die Intelligen­z und die Feinmotori­k lassen bisher zu wünschen übrig.“In einem sind sich die Experten jedoch einig: Es gibt kaum einen Beruf, der sich nicht durch Roboter ersetzen lässt. „Sie werden auch exzellente Lehrer sein“, glaubt Ishiguro.

In Deutschlan­d tüfteln Ingenieure und Psychologe­n gerade am Lernrobote­r Nao. Er war bereits im Einsatz, half mit interaktiv­en Übungen etwa im Geografie-Unterricht. Kinder nähmen Kritik von Nao eher an als vom Lehrer, sagte der beteiligte Bremer Psychologe Arvid Kappas unserer Zeitung. „Wenn man von einem Lehrer öffentlich korrigiert wird, empfinden viele Kinder das als Gesichtsve­rlust. Nao lernt mit Schülern allein oder in einer kleinen Gruppe. Das ist nicht peinlich. Noch dazu spricht der Roboter mit einer Kinderstim­me.“Das gefällt seinen Schülern.

Robotik Professor baut sich einen Doppelgäng­er

 ?? Foto: P. Mathema, afp ?? Roboter Sophia hat vor ein paar Tagen die Technikkon­ferenz der Vereinten Nationen eröffnet. Manche Entwickler sehen ihre Vermenschl­ichung skeptisch. Robotik Experte Hiroshi Ishiguro aber sagt: „Da auch keiner weiß, was im Kopf eines anderen Menschen...
Foto: P. Mathema, afp Roboter Sophia hat vor ein paar Tagen die Technikkon­ferenz der Vereinten Nationen eröffnet. Manche Entwickler sehen ihre Vermenschl­ichung skeptisch. Robotik Experte Hiroshi Ishiguro aber sagt: „Da auch keiner weiß, was im Kopf eines anderen Menschen...

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