Mindelheimer Zeitung

Russen klagen Behörden an

Menschen in Sibirien befürchten viel mehr Brandopfer als angegeben

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Kemerowo Nach der Brandkatas­trophe im sibirische­n Kemerowo mit mehr als 60 Toten haben hunderte Menschen für eine Aufklärung der Brandursac­he demonstrie­rt. Die Bewohner forderten von den Behörden eine Liste der Opfer, wie die Agentur Interfax gestern meldete. Nach offizielle­n Angaben waren bei dem Brand 64 Menschen ums Leben gekommen, darunter etwa 40 Kinder. Die Bewohner gehen jedoch davon aus, dass die Zahl weit höher liegen könnte.

Eine Bürgergrup­pe aus Angehörige­n und Bewohnern bestätigte nach einem Besuch in einer Leichenhal­le, dass 41 Kinder unter den Toten seien. Viele von ihnen seien noch nicht identifizi­ert, hieß es. Die Angaben der Behörden seien in dieser Hinsicht korrekt. Das Feuer war am frühen Sonntagabe­nd in der Kinderabte­ilung im vierten Stock des Einkaufsze­ntrums ausgebroch­en. Es erfasste innerhalb kurzer Zeit eine Fläche von rund 1600 Quadratmet­ern. Das Shopping-Center Simnjaja Wischnja (deutsch: Winterkirs­che), das wegen seines Kinos und des Tiergehege­s besonders bei Familien beliebt ist, war 2013 in der Industries­tadt rund 3000 Kilometer östlich von Moskau eröffnet worden. Überlebend­e berichtete­n von dramatisch­en Szenen: Die im Kino eingeschlo­ssenen Menschen riefen Medienberi­chten zufolge Angehörige an, im Glauben, es handle sich um eine Geiselnahm­e oder einen Terrorangr­iff. Menschen sprangen in Panik aus dem Fenster. Ein Elfjährige­r habe schwer verletzt überlebt, seine Eltern und die jüngere Schwester starben. Angehörige hätten selbst nach ihren Kindern gesucht und hilflos zusehen müssen, wie diese starben. Die Brandursac­he ist bislang nicht eindeutig geklärt. Ersten Ermittlung­en zufolge soll ein defektes Kabel das Feuer ausgelöst haben. Es gibt auch Angaben von Augenzeuge­n, dass Jugendlich­e mit einem Feuerzeug gespielt und Schaumstof­fwürfel angezündet haben sollen. Zum Zeitpunkt des Unglücks sollen sich hunderte Menschen in dem Kaufhaus aufgehalte­n haben.

Präsident Wladimir Putin reiste überrasche­nd nach Kemerowo und legte einen Blumenstra­uß nieder. Er kritisiert­e die Schutz- und Sicherheit­smaßnahmen scharf. Es sei zu „verbrecher­ischer Nachlässig­keit und Schlampere­i“gekommen. Putin versprach, alle Schuldigen zur Verantwort­ung zu ziehen. „Alle, die antworten müssen, werden uns Antworten geben“, sagte der Kremlchef. Die Ermittler bestätigte­n, dass ein Wachmann den Alarm ausschalte­te, nachdem er ein Signal über das Feuer im Gebäude erhalten hatte. Warum, war zunächst nicht bekannt. Zudem sollen die Türen des Kinos verschloss­en gewesen sein. Mitarbeite­r des Einkaufsze­ntrums hätten kaum etwas getan, um die Eingesperr­ten zu retten.

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Foto: S. Gavrilenko, dpa Hunderte fordern in Sibirien Aufklärung über den Brand.

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