Der rasende Rallye Rentner
Mit dem 200 nahm Audi Abschied vom Biedermann-Image. Als Quattro 20V war das Flaggschiff einst die schnellste Limousine der Welt. Und spätestens mit dem Sieg bei einer Afrika-Rundfahrt wurde aus dem Spießer ein Sportler. Unser Autor ist noch einmal mitgef
Es ist still in der Savanne zwei Flugstunden von Nairobi entfernt. Ein paar Grillen und das Schnauben der Elefanten am Wasserloch – das ist alles, was man mitten im Nirgendwo hören kann. Doch dann zerreißt ein Röhren die Stille, eine rote Staubfahne verdunkelt die Sonne und wie aus dem Nichts stürmt mit Vollgas eine bunt beklebte Limousine durch die Pampa. Nein, das sind nicht die Park-Ranger im Notfalleinsatz und auch keine übermütigen SafariTouristen.
Sondern am Steuer sitzt kein Geringerer als Hannu Mikkola, sein Auto ist ein Audi 200 aus dem Jahr 1987, und beiden ist die Gegend mehr als vertraut. Schließlich haben sie hier vor 30 Jahren die Safari-Rallye gewonnen und Audi damit einen wichtigen Image-Schub gegeben, sagt Thomas Frank, der die Traditionsabteilung des bayerischen Herstellers leitet. „Auf dem geplanten Weg in die Oberklasse, weg von der umhäkelten Klorolle auf der Hutablage hin zur Premiummarke, war das ein wichtiger Schritt.“
Zwar haben die Bayern mit ihren Sport-Quattros schon vorher die Rallye-Pisten dominiert. Doch in der Serie galten ihre Autos als Spießer, die lange nicht so dynamisch waren wie die Konkurrenzmodelle von BMW und beim Luxus nicht mit einem Mercedes mithalten konnten.
Bis der 200er kam. Denn die 1983 erstmals gezeigte Limousine gab es auch als Quattro 20V. Der 2,2 Liter große Fünfzylinder beschleunigte den Wagen mit seinen 220 PS auf bis zu 242 km/h. Das machte den Audi 200 zum weltweit schnellsten Viertürer seiner Zeit und brachte ihm Ehrentitel wie Ferrari für Familienväter ein. Allerdings war auch der Preis beinahe eines Ferraris würdig. Denn Audi verlangte damals für das Flaggschiff 74500 D-Mark und war so zumindest finanziell längst in der Oberklasse angekommen.
„Der 200er war das schnellste und stabilste Auto, das wir damals hatten. Perfekt also als Basis für einen Rallyewagen“, erinnert sich Dieter Basche, der seinerzeit den Bau der Rennwagen verantwortet hat und von einem Jahr aufs nächste einen Ersatz für die Quattros aus der aufgelösten „Gruppe B“finden musste. „Uns Fahrern erschien die Limousine anfangs jedoch alles andere als geeignet“, räumt Mikkola ein, selbst wenn er mit Blick auf die hübschen Türtafeln und die edlen Zierkonsolen im Cockpit noch nie so einen edel ausgeschlagenen RallyeWagen hatte. Mit ihren 1500 Kilo viel zu schwer, mit 4,80 Metern zu lang und insgesamt zu ungelenk sei die Direktionslimousine gewesen. Doch auf 4000 Kilometern durch Kenia sah er sich eines Besseren belehrt.
Diesen Zauber spürt der RallyeRentner noch heute: Denn sobald ihn sein Team auf dem Fahrersitz festgeschnallt hat, wirkt er um 20, 30 Jahre jünger und treibt den Luxusliner wieder mit einer Präzision durch die Pampa, dass einem auf dem Beifahrersitz angst und bange wird. Mit beiden Füßen auf den Pedalen und schneller am Schaltstock als ein Schlagzeuger an seinen Sticks, überspringt er Schlaglöcher, umkurvt Baumstämme, ignoriert Bodenwellen und nimmt Kurven grundsätzlich im Drift. So ist es ein Wunder, wie sich Mikkolas Co-Pilot Arne Hertz damals auf die Navigation konzentrieren konnte.
Der Sieg in Nairobi ist jetzt über 30 Jahre her, doch in der Fan-Gemeinde ist er unvergessen. „Der Audi 200 Quattro Safari ist ein besonderes Auto. Er symbolisiert zum einen den siegreichen Abschluss der hochemotionalen Rallye-Geschichte des Unternehmens“, sagt Timo Witt, bei Audi Tradition Leiter der historischen Fahrzeug-Sammlung. „Zum anderen ist das Auto auch in unserer Sammlung sehr speziell, weil es ein Einzelstück ist, unrestauriert und sogar noch mit den Originalaufklebern der Safari-Rallye von damals versehen.“
Aber weil die Fanbasis groß ist und der 200er nach dem Ende seiner Produktion 1990 schnell im Preis gefallen ist, hat er auch bei Sammlern einen hohen Stellenwert, heißt es beim Verein „Freunde des Audi Typ 44“. Und das Topmodell ist schwer zu bekommen. Eher selten sei auf einen einwandfreien Zustand der Gesamthardware geachtet worden. Das Angebot sei ohnehin wegen der überschaubaren Produktionszahlen recht dünn.
„Gute Audi 200 befinden sich inzwischen in Liebhaberhand und werden selten weggegeben, schon gar nicht unter Wert“, schreibt der Oldtimer-Experte und Buchautor Haiko Prengel. Dennoch finde man den Audi 200 bereits ab 2000 Euro in den Gebrauchtwagenbörsen, oft allerdings als Ruinen mit Reparatur- und Wartungsstau. Da empfehle es sich, lieber gleich in das bessere Auto zu investieren: „Für 4000 bis 6000 Euro gibt es bereits ordentliche Exemplare.“Nur die Quattro 20V seien teurer und kaum unter 10 000 Euro zu haben, sagt Prengel.
Rallye-Pilot Mikkola kann darüber nur lachen. Sein alter Dienstwagen hat damals schon ein Vermögen gekostet – und ist spätestens seit dem Sieg in Kenia vollends unbezahlbar.